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AERZTE Steiermark 02/2023

 

Chopin und Schokolade

Oliver Malle, Arzt der Klinischen Abteilung für Endokrinologie, wollte in einem internationalen Wettbewerb für Amateur-Pianist:innen seinen „Standort bestimmen“. Ex aequo mit zwei anderen spielte er sich in Paris gleich an die Spitze.

Ursula Scholz

„Ich bin mit seinem Spielen aufgewachsen“, erzählt Oliver Malle. Gemeint ist das Klavierspiel seines Vaters. Während der Sohn mit seinem Entschluss, Arzt zu werden, nicht in die elterlichen Fußstapfen trat (beide sind Mathematiker), stand die Übernahme der pianistischen Tradition für ihn außer Zweifel. Die Eltern mussten ihn nicht drängen oder zum Üben zwingen; Oliver Malle hat das Klavierspielen von Anfang an als willkommenes Angebot empfunden. Aus eigenem Antrieb schaffte der aus Maria Saal Stammende zunächst die Studienberechtigung am Klagenfurter Konservatorium und schließlich neben der Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium an der MUG auch die Zulassung zum Studium an der Grazer Kunstuniversität in der Klasse von Christiane Perai. Den universitären Einzelunterricht am Instrument wollte sich Malle ursprünglich als Wahlfach für das Medizinstudium anrechnen lassen; letztlich absolvierte er dann aber auch Wahlfächer medizinischen Inhalts. Er zählt prinzipiell nicht zu denen, die nur das Minimum leisten.

Wie beim Lieblingsessen

„Es lag immer in meinen eigenen Händen, was ich aus dem Klavierspielen mache“, resümiert Malle. In jenen Händen, die mit einer Leichtigkeit Chopin und Liszt interpretieren („Die Leute wollen in kurzer Zeit möglichst viele Töne hören.“). In den letzten Jahren erweiterte Malle sein Repertoire, das sich schon davor von Bach bis in die Moderne erstreckt hat, auch noch in Richtung Jazz.

„Es ist mit der Musik wie mit einem Lieblingsessen – die Favoriten wechseln phasenweise“, erklärt Malle seine derzeitige Vorliebe für Jazz-Improvisationen. „Ich lerne leicht, auch die Theorie dahinter“, gibt er zu. „Aber Jazz-Wettbewerb würde ich keinen gewinnen.“ Zumindest derzeit noch nicht.

Ex aequo mit zwei weiteren Pianisten spielte sich Malle im vergangenen Jahr nämlich in Paris bei der International Piano Competition for Outstanding Amateurs 2022 an die Spitze. Und das, obwohl er zum ersten Mal be i einem musikalischen Wettbewerb angetreten ist. „Nachdem ich den künstlerischen Unterricht berufsbedingt beendet habe, wollte ich wissen, wo ich im Vergleich mit anderen stehe.“ Er setzte sich unter hundert Pianist:innen durch.

Kaum Lampenfieber

Hilfreich dabei erscheint neben seinem Talent auch die weitgehende Abwesenheit von Lampenfieber. „Der Wettbewerb war einfach ein großer Spaß für mich.“ Nicht zu reüssieren hätte ja keine Konsequenzen gehabt, erklärt der 32-Jährige. „Beim ersten Teil der Facharztprüfung war ich schon etwas nervöser. Aber da hätte ich ja auch lange auf eine neuerliche Antrittsmöglichkeit warten müssen. Grundsätzlich habe ich gelernt, mit aufkeimender Nervosität umzugehen und bin ein sehr ruhiger und rationaler Mensch.“

Auch Arbeitsspitzen in der Notaufnahme brächten ihn nicht aus der Ruhe, er fühle sich nicht leicht überfordert, gerate nie in den Zustand der Handlungsunfähigkeit aus Verzweiflung und werde auch unter Stress nicht laut, erzählt er von seiner Charakterstärke. Die Dynamik der Lautstärke behält Oliver Malle der Musik vor. „Da bin ich auch leidenschaftlich und kreativ in meinem Denken, das im beruflichen Kontext vorwiegend rational und konkret geprägt ist.“ Diese mentale Stärke nimmt Malle aus der Ambulanz in den Konzertsaal mit, wo er unglaublich fokussiert spielt. „Mich bringt nichts aus dem Takt, kein Husten und kein Handyläuten.“ Wobei hier der Takt im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn gemeint ist.

„Leben ist Risiko“

Neben seiner klinischen Tätigkeit engagiert sich Malle auch im Bereich der medizinischen Forschung, bevorzugt im Bereich der Osteologie. Eine geplante Studie auf einem ganz anderen Gebiet, nämlich über den Einsatz von Spermidin im Kontext der COVID-19-Impfung, musste er aufgeben, da es nicht möglich war, rechtzeitig vor Anlaufen der großen Impfkampagnen ausreichend ungeimpfte Proband:innen zu rekrutieren. Doch auch diesen Fehlschlag nimmt er gelassen. Immerhin hat ihn der Versuch viel darüber gelehrt, mit welchen bürokratischen und organisatorischen Hürden Studienautor:innen konfrontiert sein können. Zusätzlich zu seiner ärztlichen Tätigkeit und dem regelmäßigen Klavierspiel sucht Malle im Sport seinen Ausgleich – auf sehr unterschiedlichen Wegen: Einerseits spielt er Eishockey; seit rund drei Jahren auch in der Hobbyliga der Styrian Vikings. Andererseits hält er sich als Lieferbote am Fahrrad fit und natürlich fährt er mit dem Rad zur Arbeit. Angst um seine kostbaren Finger hat er dabei keine. „Das Leben ist ein Risiko. Und Eishockey spielen wir natürlich mit voller Schutzausrüstung – in der freundlichen Atmosphäre einer Hobbyliga.“ Eher hätte er Angst um seine Sinnesorgane als um seine Finger, besonders sein Gehör. „Wenn ich da an Beethoven denke … Es muss schrecklich gewesen sein für ihn.“

Gene wie Karten

In der Aufzählung all seiner Aktivitäten und Erfolge wirkt Oliver Malle nahezu unverwundbar. Vielleicht ist es seine kleine Schwäche für Schokolade, die ihn menschlich erscheinen lässt und ihm in seiner Rolle als Endokrinologe Verständnis für jene Patientinnen und Patienten verleiht, die sich mit grundlegenden Lebensstil-Änderungen plagen. „Bei anderen ist es das Rauchen, das sie nicht lassen können. Bei mir sind es eben Süßigkeiten, auf die ich nur schwer verzichten kann.“

Im Bereich des Hungergefühls und des Stoffwechsels verweist Malle auf die genetische Prädisposition wie auf das Blatt im Kartenspiel. „Wir müssen mit dem, was uns zugeteilt wurde, umgehen lernen. Nicht jeder hat die gleichen Voraussetzungen und Möglichkeiten.“

Graz statt Paris

Das fiel ihm auch im Kontext des Wettbewerbs für Amateur-Pianist:innen auf: Wer nicht ins Finale kam, hatte keine Möglichkeit, sein fleißig einstudiertes einstündiges Soloprogramm einem breiteren Publikum zu präsentieren. Schon im Vorfeld hatte sich Malle für die anderen österreichischen Mitbewerber interessiert und mit freudigem Erstaunen festgestellt, wie viele Ärzt:innen darunter zu finden waren; sogar einer, der zuvor ebenfalls an der Med Uni Graz gearbeitet hatte. Er kontaktierte die anderen musizierenden Mediziner und im Anschluss an den Wettbewerb in Paris organisierten sie kurzerhand gemeinsam ein Konzert im Grazer Klavierhaus Fiedler, bei dem die Kandidaten Gelegenheit hatten, ihr Programm aufzuführen. Für Oliver Malle steht nach der ersten Wettbewerbs-Erfahrung auch fest, dass er neben seinem Beruf als Internist, den er mit großer Freude ausübt, auch immer wieder einmal als Hobby-Pianist an einem Wettbewerb teilnehmen möchte. „Ich kenne das Geheimnis meiner intrinsischen Motivation nicht“, erklärt der scheinbar nimmermüde Malle. „Sonst würde ich es schon weitergeben.“

 

Fotos: Opernfoto Hausleitner, beigestellt




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