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AERZTE Steiermark 01/2023

 

Heilerin im Hexendorf

Kinderchirurgin und Familienärztin Alja Gössler erzählte ihren Töchtern über Jahre die spontan erfundenen Geschichten der Schlappohrhexe Lona. Nun hat sie diese als Hörbuch veröffentlicht. Dem grummeligen, stets etwas unterzuckerten Zauberhasen lieh sie dabei selbst ihre Stimme.

Ursula Scholz

Mit neun Jahren setzte sich Alja Gössler am eigenen aufgeschlagenen Knie mit Zwirn die erste Wundnaht. Dass sie einmal Ärztin werden würde, stand seitdem fest. Ihre Berufung als Kinderbuchautorin fand sie erst später, als Mutter.

Lesen war immer schon Teil ihres Lebens. „Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen zählen die wöchentlichen Besuche in der Stadtbibliothek“, erzählt Gössler. Ihre drei Schwestern und sie als Nesthäkchen haben anschließend den Einkaufstrolley voller Bücher nach Hause gezogen und über die Stiegen in die Wiener Altbauwohnung bugsiert, um dann das Wochenende am Sofa knotzend und lesend zu verbringen. „Ich liebe den Duft von Büchern“, gesteht Gössler, die nach dem Kauf des Familienhauses nahe Gleisdorf eine eigene Ebene für die Hausbibliothek einziehen ließ. Die von ihr favorisierten Texte müssen nicht fiktional sein: „Schon als Kind habe ich stundenlang in jenem medizinischen Ratgeber geblättert, in dem meine Mutter unsere Kinderkrankheiten nachgeschlagen hat.“


Morgens am roten Sofa

Ihren Töchtern hat Gössler die Freude an Geschichten mit in die Wiege gelegt. Als die Erstgeborene, eine explizite Frühaufsteherin, regelmäßig schon um fünf in der Früh nach neuen Abenteuern verlangte, zog sich das Mutter-Tochter-Gespann zumeist noch vor dem Dienstantritt im Klinikum am Wörthersee aufs rote Sofa zurück, um zu lesen. Irgendwann waren dann alle Bücher zur Genüge vorgetragen und die Sehnsucht nach eigenen Geschichten war geboren. Hexe Lona trat in ihr Leben: „Auf einmal war sie da.“ Ihre Schlappohren verdankt sie der Marotte der ersten kleinen Zuhörerin, die ihre Kopfbedeckungen früher bevorzugt so aufgesetzt hat, dass dabei die Ohren heruntergeklappt wurden. Lonas Erlebnisse speisten sich aus dem Alltagsleben kleiner Mädchen und ihrer Mütter – und natürlich dem Mythos von Zauberhasen, die mit Schlappohrhexen lebenslängliche Freundschaften eingehen. „Der Zauberhase ist ein Herzensguter, der beste und verlässlichste Freund. Oft ist er halt ein bissl unterzuckrig und grummelt vor sich hin, bis er eine süße Karotte vom Südhang fressen kann.“ Im Hasentemperament, so Gössler, breche vielleicht die harmlos grantelnde Wienerin in ihr durch …


Näher zur Mutter

Gössler ist nicht nur in Wien aufgewachsen, sondern hat auch in der Heimatstadt Medizin studiert. Als ihr nach Studienende bei der Anmeldestelle für den Turnus geraten wurde, sie möge in den zweieinhalb Jahren Wartezeit „Taxi fahren – wie alle anderen“, packte sie ihre Siebensachen und tourte durch die Welt, von Zürich über La Paz in Bolivien, von Hallein über Tulln und Graz, wo sie bei Michael Höllwarth die Grundlagen der Kinderchirurgie lernte, nach Klagenfurt. Sie absolvierte die Facharztausbildung für Kinderchirurgie, schloss aber auch den Turnus ab, um mehr berufliche Optionen zu haben. Im Klinikum am Wörthersee war sie fast ein Jahrzehnt als Oberärztin für Kinder- und Jugendchirurgie tätig, war Verbrennungsbeauftragte und Leiterin der Kinderschutzgruppe und des Kompetenzteams für Kinder mit chronischen Bauchschmerzen. Für ihre Arbeit über Reflux bei Kindern mit neurologischen Beeinträchtigungen erhielt sie im Jahr 2007 als jüngste Preisträgerin und erste Frau den Hans-Salzger-Preis der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie. Ihre Rückkehr in die Steiermark erfolgte schließlich aus privaten Gründen: Ihre Mutter erkrankte schwer und sie wollte wieder näher bei ihr wohnen. Und so eröffnete Gössler im Jahr 2015 mit 42 Jahren eine Wahlarztpraxis für kleinere kinderchirurgische Eingriffe – und für Familienmedizin. Ihre Patient:innen über Jahre hinweg begleiten zu können und im Idealfall Eltern und Geschwister dazu, gehört zu den großen Vorteilen, die Gössler in der Niederlassung sieht.


Wald in der Ordination

Sieben Bäume zählen ihre Ordinationsräumlichkeiten in Gleisdorf – und die Atmosphäre gleicht mehr und mehr jenem Hexenwald, in dem Lonas Dorf liegt. Aber das durften die Patientinnen und Patienten zunächst nicht wissen; Lona war streng geheim. „Ich habe die Lona-Geschichten ja ursprünglich nur meinen Töchtern erzählt. Ab der gefühlt hundertsten Geschichte habe ich dann begonnen, sie am Handy aufzunehmen.“ Als sie das erste Mal an eine Veröffentlichung dachte, protestierten die Kinder. Das seien ganz allein ihre Geschichten. Nun haben sie sie sozusagen „freigegeben“.

Sie selbst habe als Kind eigentlich kaum Geschichten über Hexen gelesen, erzählt Alja Gössler. Trotzdem entwickelte sie unbewusst ein sehr positives Hexenbild, jenes der weisen Kräuterfrau, der Ansprechpartnerin für alle, die Heilung suchen. „Ich habe als Kind auch sehr lange an Feen und Elfen geglaubt, länger als andere Gleichaltrige.“ Als einziges Hexenvorbild für Lona fällt ihr die kleine Hexe Lisbet der niederländischen Autorin Lieve Baeten ein, die sie und  ihre Kinder sehr mochten. Danach gefragt, welche Kinderbuchfigur sie selbst am liebsten wäre, antwortet Gössler nach einer Zeit des Nachdenkens: „Ich glaube, ich würde mich im Hexendorf sehr wohl fühlen … Da gibt es eine Hexenärztin …“


Wie der Zauberhase spricht

Schon in ihrer dritten offiziell dokumentierten Geschichte konsultiert Lona die Hexenärztin, weil ihr der Zauberhase von einem Ohrengestell erzählt hat, mit dem sie ihre Schlappohr-bedingte Schwerhörigkeit heilen könne. Die Hexenärztin ist nicht nur weise, sondern auch eine fabelhafte Zuhörerin. Trotzdem spürt Lona zunächst ein flaues Gefühl, das erst im Laufe der Zeit vergeht …

Trotz des impliziten Versuchs, Kindern damit ihre Angst vor dem Arztbesuch zu nehmen, haben Gösslers Geschichten nichts vom pädagogischen Holzhammer. Sie lassen genügend Raum für Handlungen, die keinem lehrreichen Zweck dienen, sondern allein der Wohlfühl-Stimmung.

Eigentlich sollte ja ein klassisches Buch aus Lonas Geschichten werden – und auch eine Grafikerin, die Lona optisch zum Leben erweckte, war bald gefunden. Unter den Patientenmamas … Schneller als diese ein ganzes Buch illustrieren konnte (die Bilder auf dem CD-Cover stammen aber bereits von ihr), war mit der langjährigen Antenne-Steiermark-Moderatorin Simone Koren-Wallis eine Sprecherin für das Hörbuch zur Stelle, weshalb dieses vorab erschienen ist.

Nur mit der Stimme des Zauberhasen war Alja Gössler anfangs nicht glücklich. Nicht einmal mit ihrer eigenen. Erst als ihre Tochter ihr das Stichwort zum Einsatz gab, konnte Alja Gössler auch im Tonstudio ganz in die Rolle des Zauberhasen schlüpfen.


Glücklich – trotz aller Hindernisse

„Ich wollte nie eine perfekte Hexe erschaffen, eine, die alles kann“, betont Gössler. „Lona ist in ihrer unperfekten Art liebenswert – und das ist auch die wichtigste Botschaft, die ich allen mitgeben möchte, die meine Lona kennenlernen: Man kann trotz vorhandener Hindernisse im Leben glücklich sein. Und es gibt immer einen Plan B, C, D, E …“ Was der Zauberhase dazu wohl sagen würde? „Karotte, Karotte, Karotte, flotte Lotte! Ist die toll!“


Fotos: beigestellt




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