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AERZTE Steiermark 07-08/2022

 

Werner Leodolter: ein nachdenklicher Macher

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der KAGes, IT-Experte, Universitätsprofessor und Buchautor starb bei einem Unfall im Island-Urlaub. Noch bevor er das offizielle Pensionsalter erreicht hatte.

Ein Vierteljahrhundert seines Arbeitslebens war Werner Leodolter der KAGes verbunden: Von 1997 an organsierte er als IT-Experte die Informationssysteme der steirischen Landeskrankenanstaltengesellschaft, von 2008 bis 2013 war er Vorstandsvorsitzender des Unternehmens.

 

Aus der Stahlindustrie zur KAGes

Bevor ihn die KAGEs in ihre Reihen holte, war der an der TU Graz diplomierte und promovierte Elektrotechnik-Wirtschaftsingenieur in der Industrie bei der Voest Alpine und bei Böhler Edelstahl  mit Organisation, Logistik, Informationsmanagement und Software-Entwicklung befasst. Aus dieser Zeit stammt auch ein frühes Buch, dessen Titel allein schon klarmacht, dass es sich an einen engen Kreis von Fachleuten richtet: „Fertigungsleitsysteme: Organisatorische und informationstechnische Leitlinien“ erschien 1992.

Nach seinem Ausscheiden aus dem KAGes-Vorstand kehrte er inhaltlich zu seinen IT-Wurzeln zurück – als Chief Information Officer (CIO) des Krankenanstaltenunternehmens. In dieser Funktion brachte er eine Reihe einschlägiger Projekte ins Rollen. Ein Anliegen etwa war ihm ein Konzept zur Früherkennung von Demenz. Zuletzt befasste er sich mit einem steirischen IT-Gesundheitsportal, das sowohl Ärztinnen und Ärzten als auch Patientinnen und Patienten großen Nutzen bringen sollte.

 

Kritische Distanz

Trotz seiner beruflichen Verbundenheit mit der digitalen Informationstechnologie war Leodolter um kritische Dis­tanz bemüht und verlor niemals die Gesamtsicht auf Gesellschaft und Unternehmen. Das manifestierte sich auch in seinem 2015 im renommierten Springer-Gabler-Verlag erschienenen Buch „Das Unterbewusstsein von Organisationen. Neue Technologien – Organisationen neu denken“. Darin verknüpft er Psychologie bzw. Verhaltensökonomie mit IT. Große Namen, wie Douglas Hofstadter oder Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman, standen dabei Pate.

Eine englische Version des Buches erschien 2017 unter dem Titel „Digital Transformation Shaping the Subconscious Minds of Organizations: Innovative Organizations and Hybrid Intelligences“. Sie war aber mehr als eine reine Übersetzung, sondern vielmehr eine überarbeitete und weitergedachte Fassung des deutschsprachigen Werks.

 

Vertrauen als Fundament der Gesellschaft

Über ein weiteres – trotz aller Fachlichkeit – sehr persönliches Buch Leodolter hat nicht nur nachgedacht. Es sollte den Titel „Die Illusion des Vertrauens – Wie wir das Fundament unserer Gesellschaft sichern können“ tragen. Im von Werner Leodolter persönlich verfassten Exposé dazu heißt es: „Vertrauen als ein Fundament einer funktionierenden Gesellschaft ist immer auch auf Erwartungen und Glauben aufgebaut – ausgehend von der aktuellen Realität. Die Wahrnehmung der Realität ist ihrerseits immer teilweise unvollständig oder auch verzerrt. Realität ist als Grundlage für Vertrauen und Entscheidungen also immer auch ein bisschen Fiktion. Der technologische Fortschritt hat unser Leben um vieles erleichtert und bereichert. Er hat aber auch durch Manipulation, Verletzung der Persönlichkeitsrechte, Datendiebstahl, Erpressung etc. die Möglichkeiten, die uns die Technologie eröffnet, zunehmend zur Gefahr werden lassen. Die Wahrnehmung der Realität wird zunehmend verzerrt. Immer häufiger treffen Assistenzsysteme mit ihrer künstlichen Intelligenz Entscheidungen für uns. Nun droht Vertrauen zur Illusion zu werden. Wem oder was kann man also noch vertrauen? Der Aufschwung der synthetischen Biologie und anderer Innovationen wird sogar uns Menschen selbst verändern. Wir befinden uns in der Anfangsphase eines neuen – des ‚techno-biologischen’ – Zeitalters.“

Ein reiner IT-Macher war Werner Leodolter ohnehin nie. Nach seinem Rückzug aus dem KAGes-Vorstand konnte er seine praktischen und wissenschaftlichen Neigungen noch besser verknüpfen als ihm dies zuvor möglich war: Die Basis dafür bot eine Universitätsprofessur am Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship der Universität Graz, wo er „Betriebswirtschaft und Medizin: Managementpraxis in Krankenanstaltengesellschaften“ lehrte. Zum breiten Spektrum seiner Tätigkeiten und Interessen gehörte auch die Mitwirkung im wissenschaftlichen Beirat der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin, kurz ÖG Telemed.

Privat war der gebürtige Obersteirer Ehemann, Vater zweier erwachsener Töchter und auch schon Großvater. An seinen Enkel dachte er wohl auch bei der Vorbereitung seines letzten Buchprojekts: „Ich versuche Wege aufzuzeigen, wie wir die technologische Zukunft – den Schritt ins techno-bio­logische Zeitalter – derart gestalten können, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder optimistisch und vertrauensvoll leben und aufwachsen können“, schrieb er im Manuskript.

Darin zitiert er auch einen älteren Freund: Der soll gesagt haben: „Denken ist wie googeln im Kopf – nur geiler“. Dem sei nichts hinzuzufügen, merkte Werner Leodolter dazu an.

Sein früher Unfalltod im fernen Island ist eine Tragödie – nicht nur für seine Angenhörigen, sondern für alle, die mit ihm einen nachdenklichen Macher verlieren.

Symbolbild 1
 



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