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AERZTE Steiermark 02/2021

 

Hautkrebs-Check wie im Raumschiff Enterprise

Eine in der Steiermark entwickelte App erkennt alle gängigen Hautkrebsarten mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Seit ihrer Zulassung im Herbst 2020 hat sie sich im Hausgebrauch und als wichtiges Tool für Allgemeinmediziner*innen bewährt.

 

Beide heißen Michael. Aber auch sonst haben die beiden steirischen Ärzte Michael Tripolt und Michael Koppitz etwas gemeinsam: Sie haben die erste als Medizinprodukt zertifizierte App entwickelt, die Hauttumore mittels Künstlicher Intelligenz identifiziert. Seit September 2020 ist diese für Apple und Android erhältlich.

Star Trek in natura

Tripolt vereint die beiden Fachdisziplinen Chirurgie und Dermatologie in einer Person und arbeitet seit dem Jahr 2008 als Hautchirurg an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Graz. Durch die Doppelqualifikation fokussiert sich seine Expertise auf Hauttumoren.

„Als eingefleischter Star-Trek-Fan habe ich aber auch schon immer den Tricorder bewundert“, erzählt Tripolt. Für jene, deren zweite Heimat nicht das Raumschiff Enterprise ist: Dabei handelt es sich um ein Kleingerät zur kontaktlosen Diagnose von Krankheiten.  So entstand vor mittlerweile zehn Jahren die Idee zum heutigen SkinScreener, der als Handy-App kontaktlos alle gängigen Hauttumoren erkennt und via Ampelsystem klassifiziert.

Koppitz traf als Turnusarzt auf Tripolt und die Idee wurde in gemeinsamen Gesprächen konkreter. Da Koppitz zuvor an der Grazer TU Biomedizinische Technik studiert hatte, brachte er das nötige technische Know-how ein, gepaart mit seinem medizinischen Wissen. Außerdem verfügt er über Erfahrung in der Entwicklung von Medizinprodukt-Apps, hat er doch eine Erste-Hilfe-App programmiert (AERZTE Steiermark hat berichtet) und damit schon damals das strenge zusätzliche Zertifizierungsverfahren von Apple bestanden.

Koppitz ist Miteigentümer des Unternehmens medaia GmbH (MEDical Artificial Intelligence Applications), das für Entwicklung und Vertrieb des SkinScreeners zuständig ist. Gründer Tripolt ist ebenfalls Miteigentümer, einer der Geschäftsführer und „Medical Advisor“.

Kreis schließt sich

Eine wichtige Voraussetzung für den SkinScreener war die Weiterentwicklung der Smartphone-Kameras, die erst vor rund fünf Jahren dem erforderlichen Standard entsprochen haben. Um sicherzustellen, dass die Kameraqualität ausreicht, muss vor dem Scan trotzdem noch ein Kameratest durchgeführt werden. Danach zentriert man jene Hautläsion, die erfasst werden soll, und hält den Bildschirm gedrückt, bis sich der Kreis um die Hautauffälligkeit schließt (siehe Foto). Die Künstliche Intelligenz der App – trainiert zunächst an zahlreichen Fotos aus Dermatologie-Lehrbüchern, später an Bildern der Studienteilnehmer*innen – wertet das Bild dann aus und gibt eine Risikoabschätzung für Hautkrebs: niedrig, mittel oder hoch. Dargestellt in den Ampelfarben. „Diese Klassifizierung war allerdings schon vor der Corona-Ampel fertig“, betont Tripolt. Gekauft werden kann ein Paket für 10 Scans oder ein 3-Monate- bzw. Jahresabonnement.

Im Gegensatz zum ebenfalls als Medizinprodukt zertifizierten Marktmitbewerber SkinVision, der ausschließlich Melanome erkennen kann, detektiert der SkinScreener sämtliche Hautveränderungen, die Anzeichen von weißem oder schwarzem Hautkrebs aufweisen. Er erkennt Krebsvorstufen wie aktinische Keratose, dysplastische Nävi und Strukturelemente maligner Läsionen wie jene von Plattenepithelkarzinomen, Melanomen, Basaliomen und Morbus Bowen.

Die ebenfalls bereits in AERZTE Steiermark vorgestellte Scarletred-App ist auf Hautveränderungen abseits von Tumoren spezialisiert und daher kein Konkurrent des SkinScreeners.

Klinisch getestet

Eine Studie der Medizinischen Universität Graz, die sich auf mehr als 600 Bilder mit Hautläsionen realer Patient*innen stützt, hat dem SkinScreener eine Sensitivität und Spezifität von jeweils um die 95 Prozent attestiert. Seit die App im September 2020 auf den Markt gekommen ist, hat Tripolt schon zahlreiche Rückmeldungen ärztlicher Kolleg*innen erhalten. „Allgemeinmediziner haben mir berichtet, dass sie den SkinScreener bei Vorsorgeuntersuchungen einsetzen, aber es haben mich auch Kollegen von der Klinik angesprochen, deren Patienten ihren Tumor mit unserer App erkannt haben.“ Natürlich ersetze der SkinScreener nicht den jährlichen Kontrolltermin beim Dermatologen oder bei der Dermatologin, betont Tripolt. „Wir sehen uns als Prescreening.“ Und mit der App könne man auch schnell bei älteren Verwandten nachschauen, ob deren Muttermal gefährlich ist, ohne dass sie den Weg zum Arzt auf sich nehmen müssten.

Die Diagnosemöglichkeiten der Dermatolog*innen wie Auflichtmikroskopie, 3D-Ansicht, Probenentnahme und nicht zuletzt die ausführliche Anamnese bleiben natürlich genauer.

Von Austria nach Australia

Das Interesse an der App ist vielfältig: In den EU-Ländern ist sie bereits zugelassen, weitere europäische Länder und Australien sollen demnächst folgen. „Sogar der australische Botschafter ist an uns herangetreten. Immerhin erkranken dort zwei von drei Einwohnern bis zu ihrem 70. Lebensjahr an einem Hauttumor. Eine möglichst einfache Früherkennung ist dort im öffentlichen Interesse.“ Zum Vergleich: In unseren Breiten entwickelt statistisch gesehen einer von fünf Menschen einen Hautkrebs.

Der SkinScreener befindet sich in ständiger Weiterentwicklung: In den kommenden Wochen soll ein Update herauskommen, das bei den Ampelfarben gelb und rot sofort die Dermatolog*innen der Umgebung auflistet. Außerdem wird es eine UV-Warnung geben, gekoppelt an den Wetterbericht, sofern die User ihren Standort bekanntgeben. Längerfristig ist eine Verfeinerung in Richtung Diagnoseerstellung geplant, sowie die Weiterleitung der Ergebnisse zur teledermatologischen Befundung durch eine Fachärztin bzw. einen Facharzt

Demnächst startet auch eine Partnerschaft mit der Österreichischen Krebshilfe, im Zuge der alljährlichen Sonne-ohne-Reue-Kampagne.

SFG unterstützt

Dass aus dem „Garagen-Unternehmen“, wie Tripolt die Keimzelle seines Start-ups nennt, ein fertiges Produkt hervorgegangen ist, für dessen Entwicklung und Vermarktung mittlerweile rund zehn Mitarbeiter*innen verantwortlich sind, verdanken die Gründer der tatkräftigen Unterstützung der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG. Sie ist seit dem Vorjahr als Mitgesellschafterin und Venture Capital Investor mit an Bord.

 

Fotos: Werner Stieber, SkinScreener




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