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Gesundheit in Gefahr

#wenigeristNICHTmehr – was so logisch klingt, wird im neuen Bund-Länder-Vertrag zur Gesundheit schlicht ins Gegenteil verkehrt. Dazu sollen Ärztinnen und Ärzte in der Planung zu schlichten Befehlsempfängern degradiert werden. Wieder einmal ist Widerstand nötig, auch im Interesse der Patientinnen und Patienten.

„Kostendämpfungspfad“, nicht zum ersten Mal wird mit diesem Polit-Wort die Tatsache beschönigt, dass weniger als nötig einfach zu wenig ist. Bereits 2012 wurde mit der Stabilitätsvereinbarung eine mehr oder minder beliebige Kostenobergrenze für die Gesundheitsausgaben in Österreich eingezogen. Mit der neuen 15a-Vereinbarung sollen die Daumenschrauben noch stärker angezogen werden. Gleichzeitig wird aber von 200 Millionen Euro für die Primärversorgung und steigender Qualität gesprochen – was nüchtern betrachtet nur eine Schutzbehauptung ist. Denn die 200 Millionen kommen selbstverständlich aus dem „kostengedämpften“, also kleineren Topf und gehen anderswo ab. Und – siehe oben – weniger ist nicht mehr, schon gar nicht mehr Qualität.
Die Vorgaben für die Einschränkungen im Gesundheitsbereich sind ursprünglich nicht das Ergebnis gesundheitsplanerischer Aktivitäten. Schon lange, bevor die begonnen haben, hat das Finanzministerium die Kostenvorgaben als „verbindliche Finanzziele“ formuliert. Der Gesundheitspolitik blieb und bleibt nur die Aufgabe, diese strengen Auflagen entsprechend zu verpacken und zu verkaufen.
 

Weniger Geld für die Gesundheit

Um diese Kostenreduktionen verdaulich zu machen, wird über die massiv steigenden Gesundheitsausgaben geklagt, die einerseits durch den höheren Bedarf einer älter werdenden Gesellschaft zwar begründet sind, aber durch höhere Effizienz doch vermieden werden könnten.
Nur: Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Im letzten Monitoringbericht der Bundeszielsteuerungskommission wird bereits darauf hingewiesen, dass die Einsparungsziele von Ländern und Krankenkassen schon weit übererfüllt sind. Es wird mehr reduziert, als ursprünglich geplant.
Im aktuellen Bericht der Europäischen Kommission ist schwarz auf weiß zu lesen, dass die inflationsbereinigten öffentlichen Gesundheitsausgaben Österreichs im Jahr 2013 nur mehr 7,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrugen. In den Jahren 2009 bis 2012 waren es zwischen 7,9 und 8,0 Prozent. In den öffentlichen Aussagen wird immer von 11 Prozent gesprochen. Dieser Prozentsatz ignoriert aber die Geldentwertung und schließt auch private Ausgaben ein – die aber für den öffentlichen Haushalt keine Rolle spielen.
In dieser Statistik liegt Österreich gar nicht so weit vorne wie es Gesundheitspolitiker gerne beklagen, nämlich deutlich hinter Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, Dänemark oder Schweden.
 

Ärzte hinaus

Die einfachste Methode, diesen Kostendämpfungs- und Leistungskürzungspfad möglichst ungestört weitergehen zu können, ist es, den unbequemen Einfluss der Ärztinnen und Ärzte und der Ärztekammern weiter zu beschneiden – was nun gesetzlich erfolgen soll. Denn die negative Entwicklung konnte bisher über die Beteiligung an der Planung des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) und der regionalen Strukturpläne (RSG) auf Länderebene sowie die Gesamtverträge und Stellenpläne im niedergelassenen Bereich zumindest gebremst werden.
Was dabei übersehen wird: Den ärztlichen Einfluss zu beschränken, heißt die Macht der Krankenkassen zu erhöhen. Und die – vor allem die Gebietskrankenkassen – haben mit einer stagnierenden Zahl von Kassenstellen (egal, ob in Einzel- oder Gruppenpraxen) bei steigenden Bevölkerungszahlen, Nichtanpassung von Leistungs- und Honorarkatalogen an die Anforderungen einer zeitgemäßen Medizin schon bisher die Leistungen für ihre Versicherten sukzessive verschlechtert, sich selbst von Schulden befreit und den Ärztinnen und Ärzten die Schuld gegeben.

Mit einer Mischung aus Killer-Argumenten („die Ärzte blockieren“, „vertreten nur eigene Interessen“), Schalmeientönen („Primärversorgungszentren sind besser als Einzelpraxen“) und einfachem Ignorieren soll das Projekt „Budgetsanierung im Gesundheitsbereich“ Mitte Dezember mittels „Vereinbarungsumsetzungsgesetz“ für die 15a-Vereinbarung durchgeboxt werden. Erste, möglicherweise unangenehme Diskussionen hat man sich erspart, indem die üblichen, demokratischen Gepflogenheiten einer ausreichenden Begutachtungsfrist gleich über Bord geworfen wurden.

Dass Ärztinnen und Ärzte eigene Interessen vertreten, ist natürlich nicht falsch. Das erste und wichtigste Interesse ist es, der eigenen Patientin und dem eigenen Patienten in die Augen schauen zu können, ihnen nötige medizinische Hilfe nicht vorenthalten zu müssen. Was die politischen Akteure sehr genau wissen, ist, dass Patientinnen und Patienten keinerlei wirkungsvolle Vertretung haben – außer den Ärztinnen und Ärzten, die auch deren Interessen vertreten, so wie das auch Anwälte für ihre Mandanten tun. Die so genannten „Patientenanwälte“ sehen ihre Aufgabe darin, diese öffentliche Hand gegen die Ärzte zu unterstützen (was verständlich ist, weil sie ja von der öffentlichen Hand bezahlt werden und andernfalls ihren Job bald los wären).
 

Unterstützer

Auch Psychotherapeuten erkennen bzw. erkannten das Problem: In einer Resolution warnte deren Bundesverband vor den Folgen einer massiven Sparpolitik. Ohne große Resonanz.
Gleichzeitig bot die Hochschülerschaft der Medizinischen Universität Graz der steirischen Ärztekammer ihre Unterstützung an. Die künftigen Ärztinnen und Ärzte ließen sich von der Regierungspropaganda keinen Sand in die Augen streuen.
Das Gesetz zur 15a-Vereinbarung passierte nahezu ungebremst den Gesundheitsausschuss. Dank der Bemühungen einzelner Abgeordneter (vor allem ÖVP-Gesundheitssprecher und Arzt Erwin Rasinger sowie die grüne Gesundheitssprecherin und Psychotherapeutin Eva Mückstein machten sich für Änderungen stark) kam es zumindest zur Versicherung, dem Gesetz nachträglich die gefährlichsten Giftzähne zu ziehen. Nur: Am Gesetz selbst änderte das nichts. Es schafft Möglichkeiten, die genutzt werden können, um die Leistungen für die Patienten zu reduzieren und die Ärztinnen und Ärzte an die kurze Leine zu nehmen.

Die österreichische Ärztekammer reagierte mit dem Start einer differenzierten Kampagne unter dem Motto „#wenigeristNICHTmehr“. Die wurde und wird dann doch gehört. Information und Aktion, Streik (Wien, Burgenland, Kärnten), Drohung mit der Kündigung des Gesamtvertrages (Oberösterreich und Steiermark) fanden auch mediales Interesse. In Niederösterreich wurde ein Volksbegehren in die Wege geleitet.
Grundsätzlich gab es zwei – einander nicht ausschließende – Zielrichtungen: Einerseits das Bemühen, den Nationalrat doch zu einer kritischen Würdigung des Gesetzes zu bringen, statt es einfach durchzuwinken. Und längerfristig eine andere, nicht nur von Budgetsanierungsphantasien getriebene Gesundheitspolitik zu erreichen. Was aber wohl ein mehrjähriges Projekt ist.

In der Steiermark kommt hinzu, dass es neben dem bundesweiten Leistungs- und Kostenkürzungs- sowie Ärzteaussperrprogramm auch eine steirische Gesundheitsreform gibt. Die lässt zwar auch manche Fragen offen, aber sie lässt Fragen und Debatten zumindest zu. Und ist in einem Ansatz auf einem wohl richtigen Weg: Größere Spitalseinheiten sind auch aus Sicht vieler Ärztinnen und Ärzte wünschenswert und sinnvoll.
Die steirische Landespolitik soll deswegen nicht zum Opfer eines bundespolitischen Konflikts werden. Das ist keine leichte Übung, sondern ein Balanceakt. Weniger für die Ärztinnen und Ärzte sowie die Bevölkerung als für die Politik selbst. „Der steirische Weg“ könnte sehr schnell vom brutalen österreichischen Kostendämpfungspfad überlagert  werden.
Umso wichtiger ist es aus steirischer Sicht, die bundespolitische Diskussion zu beruhigen. Angesichts der Streitlust mancher Bundespolitiker und von ihnen vorgeschickter Experten, ist das aber alles andere als eine leichte Übung. Möge sie gelingen.

 

Fotos: Schiffer, Fotolia




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