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Standortbestimmung 2035

Am 14. November ist es soweit: Unter dem Motto „Gesundheitsplan 2035 – Gemeinsam auf neuen Wegen soll eine langfristige Gesundheitsreform eingeleitet werden. Ist das vernünftig? Eine ganze Reihe von Fragen sind offen.

2035. Das ist aus heutiger Sicht das Jahr, in dem die steirische Gesundheits- und Spitalsreform definitiv greifen soll. Das ist ein sehr langer Zeitraum. Ein junger Arzt, der heute seine Fachausbildung beginnt, ist dann bereits deutlich mehr als 40 Jahre alt und mehr als ein Jahrzehnt Fach- und Oberarzt, vielleicht auch schon Primar.
Das Projekt Gesundheits- und Spitalsreform unterscheidet sich also in einem wesentlichen Punkt gewaltig von der gerne als Vorbild genannten steirischen Gemeindestrukturreform. Die konnte man innerhalb einer Landtagsperiode starten und abhaken. Bis zum Jahr 2035 wird aber noch viermal regulär gewählt im Land Steiermark.
Einen Überraschungsangriff auf Gegner, etwa Gemeinden, die sich ihre Spitäler nicht wegnehmen lassen wollen, wird es also nicht geben können. Nur ein langfristiger Dialog führt zum Erfolg, und den hat Gesundheitslandesrat Christopher Drexler auch versprochen, nämlich einen „partizipativen Diskussionsprozess“.

Geld

Ein Thema wurde in diesem Diskussionsprozess bisher weitgehend vermieden, auch wenn es das wichtigste ist: Die Reform soll Kosten sparen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Das Gesundheitsbudget ist ein großer Brocken, bei dem auch kleine prozentuelle Veränderungen viel Geld bedeuten. Es „sind über den Konjunkturzyklus stabile Finanzen notwendig, um durch enkeltaugliche Politik den nachfolgenden Generationen Handlungsspielräume zu erhalten und bestehende Schulden, Risiken und Haftungen abzubauen (…). „Die Sanierung des Landeshaushalts muss weiterhin primär ausgabenseitig erfolgen …“, heißt es dazu im aktuellen „Landesbudgetziel“. Dass das Land Steiermark die im österreichischem Monitoringbericht der Bundeszielsteuerungskommission definierten Kostendämpfungsziele, genauso übrigens wie die steirische GKK, bei Weitem übererfüllt hat und die KAGes seit Jahren österreichischer Sparmeister ist, wird da ausgeblendet.

Macht

Die bisher nur im Entwurf vorliegende 15a-Vereinbarung  zwischen Bund und Ländern gibt den Krankenkassen mehr Macht. Was angesichts der schleichenden Erosion bei den Kassenleistungen (siehe Grafik) die Gefahr mit sich bringt, dass die Krankenkassen noch mehr auf die eigene Bilanz und noch weniger auf die Verbesserung der Leistungen schauen werden.

Strukturen

Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hat die ärztlichen Arbeitsressourcen reduziert, einfach weil die Arbeitszeit pro Person geringer wird. Die Erhöhung der Beschäftigtenzahlen hat ihre Grenzen, einfach weil es nicht genug Ärztinnen und Ärzte gibt, die im öffentlichen Gesundheitssystem arbeiten wollen.
Das Land Steiermark spricht von 550 zusätzlichen Beschäftigten, die erforderlich wären, um den Status quo aufrechterhalten zu können. Diese Zahl könnte man mit einfacheren Mitteln reduzieren, als es die Schrumpfung der Standorte auf rund ein Drittel wäre, aber als Schreckgespenst taugt sie allemal – vor allem dann, wenn man keine Gegenrechnung anstellt.
Denn, um Versorgung halbwegs wohnortnahe aufrechtzuerhalten, braucht man im extramuralen Bereich mehr Ärztinnen und Ärzte. Ob diese in einer (nach Möglichkeit vernetzten) Einzelpraxis oder in einer Teamstruktur (Gruppenpraxis, Job Sharing, Zentrum) tätig sind, spielt in dem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle.
Zu den Zahlen: Nur um das Verhältnis zwischen zu versorgenden GKK-Patienten und GKK-Vertragsärzten auf den Stand von 2005 zu bringen, wären zumindest 150 zusätzliche Stellen nötig. Eine Ausweitung der Kapazitäten, die nötig ist, um, wie verlangt,  die Spitalsambulanzen zu entlasten, ist in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt. Und auch nicht, dass die Steiermark im Österreichvergleich zu den im Kassenbereich fachärztlich nicht gerade überversorgten Bundesländern gehört.

Seiersberg-Syndrom

Welche Folgen rechtliche Realitätsverweigerung auf Dauer hat, zeigt ein aktuelles Beispiel aus einem anderen Bereich: Im politischen Kampf um das Einkaufszentrum Seiersberg gibt es praktisch keine Chance auf eine politische und rechtliche Lösung mehr, die allgemeine Zustimmung findet. Die Wurzeln liegen aber in Fehlern (oder sollte man sagen in der Ignoranz) der Vergangenheit.
Die aktuellen Vorgänge rund um das Gesundheitszentrum Mariazell lassen befürchten, dass diese realitätsverweigernde Haltung, die jegliche Bedenken als grundsätzlichen Widerstand verunglimpft und beiseite wischt, kein Einzelfall ist. Das Gegenteil wäre aber im Interesse der Bevölkerung. Denn nur ein Konzept auf (auch rechtlich) stabilen Beinen kann langfristig funktionieren.

Vielfalt

So viel Konzentration wie nötig, so viel Nähe wie möglich. Denn – was bei Gesundheitsreform-Debatten gerne ausgeblendet wird – kurze Wege sind ein wesentlicher Qualitätsfaktor, egal ob es um akute Notfälle, die Behandlung chronischer Patienten oder auch Angehörige geht, die ihre stationär aufgenommenen Angehörigen besuchen wollen. Ein junger, mobiler Mensch fährt gerne 150 Kilometer für eine ärztliche Behandlung oder auch einen günstigen Flachbild-Fernseher. Ein alter Mensch, der schwere Tumorschmerzen hat und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, sieht das vielleicht anders. Nur: Der wird kaum gefragt.

 

Grafik: Conclusio

Symbolbild 1
 



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