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Ein anderer Auftrag

Nach der Gemeindestrukturreform soll nun die große Gesundheitsreform folgen. Land und Gesundheitsfonds hoffen, mit einer Dialogstrategie alle Hindernisse für die Umsetzung ab dem Frühjahr 2017 aus dem Weg geräumt zu haben. Krankenhäuser heißen seit der Gesundheitskonferenz im Juni „Facharztzentren mit stationären Betten“. Alle bestehenden sollen weiter einen Versorgungsauftrag behalten – nur einen anderen.

Martin Novak

In den großen Veranstaltungssaal der Messe Graz passen auch 600 Personen gut hinein. Für den Gesundheitsdialog reichten aber rund 100 Sitzplätze. Der Auftakt zur großen, steirischen Gesundheitsreform war eine mehr oder minder geschlossene Veranstaltung, auch wenn konkrete Aussagen rar blieben – nach dem von Gesundheitslandesrat Christopher Drexler vorgegebenen Motto, zuerst einen Dialog in den Regionen zu führen und erst dann – wohl nicht vor dem Frühjahr 2017 – mit einer konkreten Planung, die (acht) bestehende Spitalsstandorte ins Visier nimmt, an die Öffentlichkeit zu gehen.

 

Rückendeckung

Soweit möglich wird versucht, die Gesundheits-„Struktur“-Reform nach dem Muster der Gemeindestrukturreform durchzuführen. Dazu gehört es, die Sozialpartner ins Boot zu holen.
Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk, sein Arbeiterkammer-Pendant Josef Pesserl, der Anfang Juli aus dem Amt geschiedene Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark Jochen Pildner-Steinburg und der steirische ÖGB-Vorsitzende Horst Schachner steuerten grundsätzlich positive Statements bei.
GKK-Obfrau Verena Nussbaum und Ärztekammerpräsident Herwig Lindner wurden involviert, dazu auch Patientenombudsfrau Renate Skledar. Von Bundesseite wurden Sektionschef Clemens Martin Auer und Hauptverbands-Generaldirektor Josef Probst aufgeboten.
SPÖ-Landesrätin Ursula Lackner repräsentierte mit Drexler die Regierungspartnerschaft, die früher Reformpartnerschaft hieß und jetzt in Zukunftspartnerschaft umbenannt wurde.

 

Kunstgriff

Dass einige Spitalsstandorte in der derzeitigen Form nicht aufrechterhalten werden (können), ist allgemeine Überzeugung. Eine Konkretisierung wurde tunlichst vermieden, dafür aber eine neue Sprachregelung propagiert. Ein Krankenhaus heißt in der neuen Diktion „Facharztzentrum mit stationären Betten“.
Allerdings werden immer wieder Ideen genannt, die aber nicht im Gesundheitsreformpapier – es liegt noch nicht endgültig vor –, sondern nur in Entwürfen bzw. dem „Medvision“-Papier der KAGes stehen (siehe Kasten „Sicherheitshalber Resolutionen“). Auch die seit längerem wogende Debatte um den Spitalsverbund Deutschlandsberg-Voitsberg wird in Medienberichten der Gesundheitsreform zugeordnet, obwohl sie damit unmittelbar rein gar nichts zu tun hat.


Verbunden

Dass der Spitalsbereich und der extramurale Bereich im Gegensatz zu früheren Reformvorhaben gemeinsam gedacht werden, darf man wohl als echten Fortschritt betrachten. „Wir unterstützen die GKK bei der Verbesserung im Primärversorgungsbereich“, sagt Bernd Leinich, von der GKK entsandter Co-Geschäftsführer im Gesundheitsfonds. Es gibt auch keinen Zweifel, dass die Arbeitsbedingungen für Landärztinnen und -ärzte (dazu gehört auch die Honorierung) an Attraktivität gewinnen müssen. Das Ziel ist eine 90-prozentige abschließende Behandlungsquote, die zur oft beschworenen „Entlastung der Spitalsambulanzen“ führt. Unabhängig von den schwierigen Verhandlungen um das Primärversorgungsgesetz auf Bundesebene, gibt es breiten Konsens, dass nur Vielfalt zum Erfolg führen kann: Einzelpraxen, Netzwerke, Gruppenpraxen und interdisziplinäre Zusammenarbeitsformen haben alle ihre Berechtigung. Das Planungsunternehmen EPIG (die gemeinsame Tochter von Gesundheitsfonds und Joanneum Research) rechnet über den Sommer mögliche Modelle durch.


Telefon

Ein Schlagwort ist der „Telefonarzt“. Auf Bundesebene wird darüber schon lange gesprochen. Das Projekt TeWeb kommt aber nicht in die Gänge (siehe eigener Bericht). Im Gesundheitsfonds übt man sich aber in Zweckoptimismus und hofft, bereits im Herbst ein Pilotprojekt in der Region Mariazell und dann auch in Eisenerz starten zu können. Im Gegensatz zum komplexen (und auch komplizierten) Teweb-Projekt soll das steirische Modell sich am Grazer Ärztenotdienst orientieren, in dem erfahrene Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner seit Jahren telefonisch triagieren. Ob sich das Konzept, zu dem auch visitenfahrende Ärztinnen und Ärzte gehören, so einfach auf ländliche Regionen umlegen lässt, wird man erst Anfang 2017 wissen.


Standortgarantie 2.0

Das Frühjahr 2017 ist auch der Zeitpunkt, zu dem die eigentliche Umsetzung der Reformvorhaben beginnen soll. Zuvor wird es einen breiten Diskussionsprozess in den Regionen geben. Das versichern sowohl Landesrat Christopher Drexler als auch die Gesundheitsfonds-Geschäftsführer Michael Koren und Bernd Leinich. Das wird nicht einfach: „Du musst versuchen, mit Argumenten vorgefertigte Meinungen zu lösen. Es ist äußerst schwierig, einen Bürgermeister davon zu überzeugen, dass es Alternativen gibt“, weiß Koren. Gleichzeitig setzt er auf Pragmatismus: „Wenn Du ein Konzept hast, das einigermaßen stimmig ist, wird es ein Bürgermeister zur Kenntnis nehmen, auch wenn er nicht jubeln wird.“ Zwei Festlegungen gibt es: „Es braucht sich keiner Sorgen um Jobs machen“ und „es wird kein einziges Haus, keinen Versorgungsauftrag mehr haben“, versichert Koren. Nachsatz: „Aber er [der Versorgungsauftrag] wird anders sein.“


Sicherheit

Ärztekammerpräsident Herwig Lindner definierte in der Gesundheitskonferenz die Rahmenbedingungen für die Beteiligung der Ärztekammer am Prozess: „Ich fordere eine Reform im ernsthaften Dialog mit den Leistungsträgern im Gesundheitswesen – eine Reform am runden Tisch über die Köpfe hinweg wird scheitern. Das Leben ist keine Excel-Tabelle. Die Reform muss auf vier Säulen stehen: Beseitigung der Überregulierung, Verlässlichkeit und langfristige Planbarkeit, Nutzung und Einbeziehung bestehender Strukturen sowie insgesamt Ehrlichkeit und Kostenwahrheit.“
Was derzeit noch schwerer wiegt als Ängste vor Veränderungen (die es ja nicht nur im Gesundheitsbereich gibt), ist die Unsicherheit: Wenn Leiterinnen und Leiter die Zukunft ihrer Häuser und Abteilungen nicht kennen, ist nachhaltige Personalpolitik nicht möglich. Wenn Ärztinnen und Ärzte nicht wissen, was an den einzelnen Orten realisiert werden soll, ist die persönliche Lebensplanung ein Vabanque-Spiel.
„Ich glaube, dass die Qualität des Dialogs bisher nicht ausreichend war“, sagt Bernd Leinich. In den nächsten Monaten müssen alle Beteiligten den Beweis antreten, dass es besser geht. Und die erwünschte Versachlichung gelingt.

Statements zum Auftakt der Gesundheitsreform:
„Gerade als Pflege- und PatientInnenombudsfrau bin ich laufend mit den Sorgen von Patientinnen und Patienten konfrontiert. Eines der dabei am häufigsten vorkommenden Themen für die Patientinnen und Patienten ist das ‚Herumirren‘ im Gesundheitssystem. Das vorliegende Leitbild setzt die Schwerpunkte auf die Primärversorgung sowie die Rund-um-die-Uhr-Betreuung einerseits und andererseits auf konzentrierte Spitzenversorgung. Die medizinische Qualität und die Sicherstellung der patientennahen Gesundheitsversorgung muss jedenfalls höchste Priorität in unserem Gesundheitssystem haben.“
Renate Skledar, Ombudsfrau

„Ziel der Gesundheitsreform ist eine nachhaltig qualitätsgesicherte, effektive und effiziente Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung. Der vorliegende steirische Gesundheitsplan 2035 beschreibt genau diese Herausforderungen an das Gesundheitssystem. Mit der Umsetzung dieses Planes ist die Steiermark Vorreiter für österreichweite Vorhaben. Dass dies ein weiter Weg ist und nicht immer einfach sein wird, muss den Verantwortlichen bewusst sein. Jedenfalls ist dieser Weg und dieses Vorhaben aus Sicht des Bundes zu begrüßen.“
Clemens Martin Auer, Gesundheitsministerium

„Die WKO Steiermark setzt sich für bedarfsorientierte und effiziente Strukturen im Gesundheitswesen ein. Es muss gelingen, die Spitalsambulanzen durch die integrierte Versorgung bzw. die bessere Kooperation zwischen extra- und intramuralem Bereich zu entlasten. Neben den niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten spielen dabei auch die privaten Krankenanstalten, Ambulatorien und Institute eine ganz wesentliche Rolle. Insbesondere in den Regionen muss die fachärztliche Versorgung auch in Zukunft sichergestellt werden. Innovationen im Gesundheitssystem werden auch durch neue Technologien, die durch die Digitalisierung vorangetrieben werden, ermöglicht. Diese Chancen sollten genutzt werden.“
Josef Herk, Wirtschaftskammerpräsident

„Ich fordere eine Reform im ernsthaften Dialog mit den Leistungsträgern im Gesundheitswesen – eine Reform am runden Tisch über die Köpfe hinweg wird scheitern. Das Leben ist keine Excel-Tabelle. Die Reform muss auf vier Säulen stehen: Beseitigung der Überregulierung, Verlässlichkeit und langfristige Planbarkeit, Nutzung und Einbeziehung bestehender Strukturen sowie insgesamt Ehrlichkeit und Kostenwahrheit.“
Herwig Lindner, Ärztekammerpräsident

„Mit dieser Reform müssen wir mehrere Ziele verfolgen: Es geht nicht nur darum, unser hervorragendes Gesundheitssystem weiterzuentwickeln und es sinnvoll und leistbar zu strukturieren, um die Steirerinnen und Steirer in allen Gesundheitsaspekten gut zu versorgen. Wir müssen auch sicherstellen, dass sich die Menschen gut versorgt fühlen. Es gilt, einen Entwicklungsprozess zu starten, der den Steirerinnen und Steirern Sicherheit gibt, indem er in der ersten Phase das regionale Angebot verbessert: Eine wohnortnahe Erst- und Notfallsversorgung rund um die Uhr, gut erreichbare bzw. auch ins Haus kommende praktische und fachärztliche Versorgung in grundsätzlichen medizinischen bis hin zu pflegerischen Fragen und Problemen sowie Spitzenmedizin in bestens ausgestatteten Spitälern als Kompetenzzentren.“
Ursula Lackner, Landesrätin

„Reformen im steirischen Gesundheitswesen erfordern auch eine neue Versorgungsplanung im niedergelassenen Bereich. Mir ist besonders wichtig, den Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung auch außerhalb der Ballungsräume sicherzustellen. Die Primärversorgung wird dabei gerade in strukturschwachen und ländlichen Regionen eine wesentliche Rolle spielen. An einem Eckpfeiler ist für die STGKK als größtem Sozialversicherungsträger des Landes nicht zu rütteln: Der gleichberechtigte Zugang zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung für alle – unabhängig von Faktoren wie Alter, Einkommen, Geschlecht oder soziale Herkunft – muss gewährleistet bleiben. Gesundheit darf niemals zum Luxus werden!“
Verena Nussbaum, GKK-Obfrau

„Das Bessere ist der Feind des Guten. Österreich hat ein ausgezeichnetes Gesundheitswesen. Um die medizinische Versorgung mit einem niederschwelligen Zugang mit höchster Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität, mit bestmöglicher Versorgungssicherheit und möglichst patientennah auch in Zukunft für alle Menschen sicherzustellen, braucht es dringend die dafür notwendigen Veränderungen. Das vorliegende Leitbild zum Steirischen Gesundheitsplan 2035 bildet die Grundlage zur Erreichung dieser Ziele und ich unterstütze dieses daher sehr gerne.“
Josef Pesserl, Arbeiterkammerpräsident

„Wir leisten uns eines der besten, aber auch eines der kostspieligsten Gesundheitssysteme der Welt – dieses System läuft Gefahr, unleistbar zu werden. Im vorliegenden Steirischen Gesundheitsplan 2035 sind erste Ansätze zu erkennen, wie das Land Steiermark die Herausforderung zwischen einerseits qualitativem Anspruch und andererseits finanziellen Möglichkeiten in Angriff nehmen möchte. Um die budgetäre Handlungsfähigkeit der Steiermark auch für die Zukunft abzusichern und um den Steirerinnen und Steirern weiterhin eine Versorgung auf medizinisch höchstem Niveau bieten zu können, ist das rasche Einleiten von Strukturanpassungen alternativlos! Wesentlicher Erfolgsfaktor wird sein, inwieweit die Stakeholder in diesem Prozess imstande sind, kurzsichtige Partei- und Gruppeninteressen in den Hintergrund zu stellen und verantwortungsvoll und nachhaltig für Land und Menschen zu agieren.“
Jochen Pildner-Steinburg, ehem. IV-Präsident

„Die gesundheitliche Versorgung der Menschen ist eine der wichtigsten Forderungen der Gewerkschaft – gepaart mit der Forderung, dass die unterschiedlichen Berufsgruppen im Gesundheitsbereich den entsprechenden Stellenwert haben. Wir werden nicht zulassen, dass die Berufsgruppen der Pflege, aber auch der Ärztinnen und Ärzte bei diesen geplanten Vorhaben und Veränderungen unter die Räder kommen, denn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in Wirklichkeit die, die das System tragen. In diesem Leitbild ist mir aufgefallen, dass darauf auch Rücksicht genommen wurde, daher sollte es umgesetzt werden.“
Horst Schachner, ÖGB-Vorsitzender

 

Sicherheitshalber Resolutionen

Konkrete Ideen über Veränderungen in der Spitalslandschaft finden sich im Gesundheitsreformkonzept des Landes (noch) nicht, aber in der Medvision 2030 der KAGes. Eines der in der Öffentlichkeit immer wieder kolportieren Projekte ist ein Zentralspital im Bezirk Liezen, das – so die Befürchtung oder auch die Hoffnung (das hängt ganz vom Standpunkt ab) – die Landeskrankenhäuser Rottenmann und Bad Aussee sowie das  Diakonissenspital in Schladming in ihrer Bedeutung zumindest verändern würde.
Der Text der vom Schladminger Gemeinderat beschlossenen Petition: „Wir fordern deshalb vom Land Steiermark, vertreten durch den Gesundheitslandesrat, dass der Standort Klinik Diakonissen Schladming mit all seinen medizinischen Bereichen uneingeschränkt erhalten bleibt! Die völlig überflüssige Debatte über Alternativstandorte muss beendet werden!“
Die Rottenmanner Gemeinderatspetition formuliert es so: „Eine Bündelung der Kompetenzen zu einem Standort ist prinzipiell begrüßenswert. Dies sollte jedoch nicht zuletzt aus Kostengründen anstelle eines Neubaus an einem bereits bestehenden Standort geschehen. Rottenmann mit günstiger Verkehrsanbindung direkt an der A9 und genügend Grundstücksressourcen für Ausbau und Ausweitung des Krankenhauses ist die einzig logische Wahl.“

 

Foto: Conclusio

Symbolbild 1
 



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