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„Von den eigenen Vorschlägen überzeugt sein“

Spitalslandesrat Christopher Drexler will mit entschlossenen Vorschlägen in einen partizipativen Reformprozess gehen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

MARTIN NOVAK

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat in einem Interview mit der Kleinen Zeitung gesagt, die Spitalsreform wird sehr, sehr hart. Was kann man sich darunter vorstellen?
Christopher Drexler: Wir wollen die Diskussion über die Strukturen in der Spitalsversorgung sehr intensiv führen. Mein Plan ist es, in den nächsten ein- bis eineinhalb Jahren so etwas wie eine Vision zu entwickeln, wie die Spitalslandschaft in 20 Jahren aussehen soll und Vorstellungen, wie der Weg dorthin ausschauen soll. Also einen wirklichen Masterplan, ein Navigationssystem, das heute schon vorschreibt, welchen Weg man an welchen Weggabelungen in Hinblick auf diese Entwicklung gehen soll. In dieser Phase sind wir sehr offen, wir werden entschlossene Vorschläge vorbringen und wollen dann mit allen Partnern im Gesundheitssystem – aber auch mit regionalen Verantwortungsträgern – in einen partizipativen Diskussionsprozess einsteigen.

20 Jahre – das ist angesichts der aktuellen Herausforderungen sowohl medizinischer als auch finanzieller Natur ein sehr langer Zeitraum. Man wird ja auch früher schon Wirkung erzielen wollen?
Drexler: Wir müssen von den sich ändernden Rahmenbedingungen ausgehen. Wir haben neue rechtliche Rahmenbedingungen, wenn wir an das Krankenanstalten-Arbeitszeitrecht denken, wir haben einen medizinischen Fortschritt, wir haben einen Fortschritt in der Medizintechnik, wir haben Spezialisierungen und Differenzierungen …

… auch Einsparungsvorgaben
Drexler: … zumindest Kostendämpfungsvorgaben. Das alles muss in einen solchen großen Wurf einfließen. Wenn ich sage, Zielpunkt ist eine Vision in 20 Jahren, dann heißt das nicht, dass wir bis zum elften Monat im 19. Jahr nichts tun und dann ist auf einmal alles vom Himmel gefallen. Im Gegenteil: Es muss eine kontinuierliche Entwicklung in die richtige Richtung geben, wo manche Maßnahmen früher und manche später kommen. Das wird gut abzustimmen sein.

Im Regierungsprogramm steht, man muss den niedergelassenen Bereich im Auge haben. Wenn man in den Spitälern Entlastungen zustande bringen will, wird man Angebote außerhalb der Spitäler machen müssen. Da klingt „im Auge haben“ ein wenig defensiv.
Drexler: Man sollte solche Formulierungen vielleicht nicht auf die Goldwaage legen. Wenn man über die Entwicklung des intramuralen Bereichs spricht, muss man den extramuralen immer im Fokus und damit im Auge haben. Wir sehen, dass wir auch in diesem Bereich zunehmend Probleme haben, ausreichend Ärztinnen und Ärzte zu finden, die in etwas entlegeneren Winkeln der Steiermark als Allgemeinmediziner oder Fachärzte tätig sein wollen. Das müssen wir im Auge behalten. Hier geht es auch darum, mit allen, die an diesem System teilnehmen, dem Land, den Gemeinden, der Standesvertretung der Ärztinnen und Ärzte, natürlich der Sozialversicherung als ganz entscheidendem und wesentlichem Player in diesem Bereich gemeinsam zu Lösungen und zu sinnvollen Modellen zu kommen – wo das, was in der Gesundheitsreform mit Primärversorgungszentren angesprochen wurde, ergänzend zum klassischen niedergelassenen Bereich geschaffen wird. Erst das macht es möglich, die Spitäler zu entlasten.

Sie haben die Partizipation angesprochen. Dafür gibt es ja Strukturen, Stichwort Gesundheitsfonds und Landeszielkommission. Wird man in diesen Strukturen bleiben?
Drexler: Würden wir in diesen Strukturen bleiben, ist es nicht das, was ich mir unter Partizipation vorstelle. Vielleicht wären es auch die falschen Gremien, weil ich für reine Spitalsthemen die gemeinschaftlichen Gremien nicht für zuständig erachte. Ich möchte einen sinnvollen Diskussionsprozess machen und dabei auch Fehler der Vergangenheit vermeiden. Das heißt nicht, dass wir die Spitalsreform Workshop-artig mit allen Beteiligten erarbeiten werden können. Es wird, wie gesagt, entschlossene Vorschläge des Landes geben, über die es dann eine entsprechende Diskussion gibt. Wahrscheinlich sogar in unterschiedlichen Zusammensetzungen bzw. Formaten, weil es ja auch unterschiedliche Interessen und Meinungen abzubilden gibt. Das beginnt bei den politischen Mitbewerbern, nicht nur dem Regierungspartner, das geht weiter zu den Interessenvertretungen, den Regionen. Da wird es unterschiedliche Wege geben müssen, um Meinungen einzuholen.

Die Integration wird dann nicht ganz einfach werden. Wie kann man die Planungen zusammenführen?
Drexler: Es wird dieser Prozess insgesamt nicht ganz einfach werden, weil alle Fragen der Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik sehr sensible Fragen sind. Einfaches Beispiel: Wir haben eine Debatte um den Spitalsstandort Eisenerz. Die Verringerung der chirurgischen Ambulanzzeiten war nicht einmal eine große strukturelle Maßnahme, das ist allein dem aktuellen Ärztemangel am LKH Hochsteiermark geschuldet. Und selbst eine relativ kleine Maßnahme schlägt hohe Wellen. Daraus kann man lernen, dass wir bei all diesen Prozessen sehr viel Zeit und Energie in die Kommunikation investieren müssen. Und man kann daraus lernen, dass ein großer Wurf nicht einfach ist.

Das ist tatsächlich ein schönes Beispiel. Die Journalistin Anneliese Rohrer hat von vorauseilendem Misstrauen gegenüber der Politik gesprochen, man könnte auch von Vorratsmisstrauen sprechen, es gibt ja eine Reihe von Protest-Hotspots. Wie geht man denn mit den lokalen Emotionen um? Wie vermeidet man die Fehler der Vergangenheit?
Drexler: Zuerst muss man von den eigenen Vorschlägen überzeugt sein – auf Grundlage guter Argumente. Gute Argumente kann man nur haben, wenn man nicht die reine Lehre der Gesundheitsökonomen, der medizinischen Wissenschaft oder der volkswirtschaftlichen Bedeutung regionaler Standorte in den Mittelpunkt stellt, sondern von sich aus versucht, diese unterschiedlichen Ebenen in eine optimale Verknüpfung zu bringen. Es ist völlig naiv zu glauben, eine Diskussion über Spitalsstrukturen ohne regionalwirtschaftliche und regionalpolitische Erwägungen führen zu können. Andererseits darf man sich nicht so unbeweglich machen, dass man sagt, jeder Stein muss so bleiben, wie er ist. Ich habe das unlängst den Kollegen von der Kommunistischen Partei in der Landtagsdebatte vorgeworfen – ich  würde auch mit ihnen gerne über die Weiterentwicklung der Spitalsstrukturen diskutieren, aber das ist schwierig, solange sie den Justament-Standpunkt vertreten, der status quo sei das Ideale. Ich habe hinzugefügt, dass das vor allem für eine revolutionäre Partei ein verhaltensorigineller Ansatz ist …

… wenn die Revolution bereits gelungen ist
Drexler: … man kann davon ausgehen, dass das nicht der Fall ist. Also: Man muss von den eigenen Vorschlägen überzeugt sein. Man muss aber auch bereit sein, alle Diskussionen zu führen, auch jene, die emotional gefärbt sind. Ich erinnere an die Debatten über die Geburtenstation in Voitsberg. Da gab es massive Versuche, die eben geschlossene Station wieder zu öffnen. Wir haben die Maßnahme und den gesamten Regionalen Strukturplan-Gesundheit 2011 einer Zwischenevaluierung unterzogen und haben mit viel Expertise festgestellt, dass die Entscheidung zur Schließung der Geburtenstation in Voitsberg, aber auch jene in Wagna und Bruck an der Mur, richtig war. In dem Fall muss man bereit sein, Entscheidungen auch bei emotionalem Gegenwind zu verteidigen und in Diskussion zu treten. Man muss auch darauf schauen, dass man möglichst viele Partner in dem Prozess mitnimmt, um jenes Momentum zustande zu bringen, das einen Vorschlag mehrheitsfähig macht.

Zur Balance zwischen ambulanter intramuraler und extramuraler Versorgung: Die Zahl der ambulanten Spitalspatienten steigt weiter, im extramuralen Bereich gibt es – bei Kassenpatienten – Stagnation, sogar Rückgänge. Wenn die Entwicklung linear weitergeht, werden wir 2017 eine Million ambulante LKH-Patienten haben. Wie ist das in den Griff zu bekommen?
Drexler: Eine Hoffnung sind die Primärversorgungszentren.

Die kann es nur in sehr begrenzter Zahl geben …
Drexler: Ja, aber das ist eine Maßnahme, die zumindest theoretisch dazu führen müsste, dass die Spitalsambulanzen entlastet werden. Allerdings wissen wir auch, dass wir bei der Umsetzung der Gesundheitsreform im Zeitlupentempo agieren, aber im Zeitraffer agieren müssten. Die Ziele sind sowieso nicht besonders ambitioniert. Ich würde mir aber zumindest wünschen, dass wir in der Sitzung der Zielsteuerungskommission im nächsten Jahr nicht die gleiche Tagesordnung haben wie im letzten Jahr. Das wäre schon eine gewisse Dynamisierung. Außerdem müssen wir uns bemühen, das extramurale Angebot insgesamt flexibler zu machen, nicht nur mit dem Zaubermittel Primärversorgungszentrum. Möglicherweise gelingt es gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im niedergelassenen Bereich, Flexibilität zu stärken, möglicherweise auch durch konzentrierte Standorte. Wir hatten kürzlich wieder Gespräche mit allen Beteiligten, Sozialversicherung, Ärztekammer, KAGes …, wie wir die Versorgung in Mariazell stärken können. Originelle und pilothafte Modelle werden notwendig sein, die Steigerung in den Spitalsambulanzen kann nicht ad infinitum so weitergehen.
Nochmals Landeshauptmann Schützenhöfer: Er hat vorgeschlagen, die Spitalsagenden stärker von den Ländern Richtung Bund zu verschieben. Da gab es Zustimmung, aber auch Widerstand, unter anderem von Ländern. Aber bundesländerübergreifende Planungen sind ein großes Thema.
Drexler: Der Anstoß von Landeshauptmann Schützenhöfer war hauptsächlich als Alarmsignal gemeint. Damit hat er die mangelnde Abstimmung zwischen den Bundesländern beklagt. Dass es die große Kompetenzverlagerung geben wird, glaube ich nicht. Aber es gibt die verdammte Verpflichtung der Akteure in den Ländern, diese Abstimmung zu verbessern. Ich habe in diesen letzten eineinhalb Jahren schon versucht, das eine oder andere anzuregen. Wir haben mit unseren Nachbarn Kärnten und Burgenland durchaus Gespräche geführt, die mich optimistisch stimmen. Es geht um die Abstimmung der regionalen Strukturpläne, es geht um die Grenzproblematik. Insbesondere mit diesen beiden Bundesländern kann uns eine sehr enge Abstimmung gelingen. Das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung …

… der neue burgenländische Spitalslandesrat Darabos hat kürzlich gesagt, er wolle alle Standorte erhalten …
Drexler: … das ist auch ein Ansatz. Aber es gibt auch gute Gespräche mit Salzburg und Oberösterreich. Niederösterreich ist für uns nicht von so großer Bedeutung. Wir werden bei der Abstimmung mit den Nachbarbundesländern sicher initiativ sein.

Noch ein anderes Thema: Impfen. Die Bioethikkommission hat sich dafür ausgesprochen, dass Gesundheits-, vor allem Spitalspersonal jedenfalls geimpft sein sollte. Sie haben sich auch in diese Richtung geäußert. Wie soll es da weitergehen?
Drexler: Wir hatten einen konkreten Anlassfall in der Steiermark. Meine persönliche Meinung ist, dass man vom Personal in einer Kinderabteilung – auch von jenen, die dort als Krankenpflegeschülerinnen ein Praktikum machen – jedenfalls erwarten können muss, dass die einschlägigen Impfungen vorhanden sind. Die rechtliche Situation lasse ich prüfen, da hat es unterschiedliche Meinungen gegeben. Eine einfache Güterabwägung muss meines Erachtens ergeben, dass man zu einer Impfpflicht in diesen Bereichen kommt. Das Grundrecht auf körperliche Integrität der kleinen Patientinnen und Patienten, nicht infiziert zu werden, wird gegenüber dem Grundrecht auf körperliche Integrität des Personals überwiegen müssen. Ich bin absolut dafür, dass man hier Impfpflichten einführen kann.

Prävention und Gesundheitsvorsorge: Da gibt es immer wieder tolle Projekte, aber wenig Systematik.
Drexler: Die Budgets sind sehr klein. Aber in der Steiermark haben wir etwa bei der Tabak- und Alkoholprävention sehr konsistente Programme entwickelt. Die grundlegenden Programme sind aber sicher zu stärken. Man kann aber auch eine pessimistisch-philosophische Frage stellen: Wie weit sind wir mittlerweile gekommen, dass wir ein Programm brauchen, damit sich Kinder bewegen?

Zitate:
„Mein Plan ist es, in den nächsten ein- bis eineinhalb Jahren eine Vision zu entwickeln, wie die Spitalslandschaft in 20 Jahren aussehen soll.“

„Gute Argumente kann man nur haben, wenn man von sich aus versucht, die unterschiedlichen Ebenen in eine optimale Verknüpfung zu bringen.“

„Wir wissen, dass wir bei der Umsetzung der Gesundheitsreform im Zeitlupentempo agieren aber im Zeitraffer agieren müssten.“

„Wir werden in Hinblick auf die Abstimmung mit den Nachbarbundesländern sicher initiativ sein.“

Blick in die Zukunft: Spitalslandesrat Drexler im Interview mit AERZTE Steiermark Chefredakteur Martin Novak.


Fotocredit: Michaela Grabner




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