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AERZTE Steiermark 05/2021
 

Erste landesweite COVID-19-Reinfektionsstudie aus Graz

Als der Grazer Facharzt Stefan Pilz Ende vergangenen Jahres mit einer österreichweiten Studie zum Reinfektionsrisiko nach durchgemachter COVID-19-Erkrankung begonnen hat, war er Pionier. Mittlerweile liegen auch Publikationen aus Dänemark und den USA vor – mit ähnlichen Ergebnissen.

Die gute Nachricht: Im Zeitraum eines halben Jahres nach einer durchgemachten COVID-19-Erkrankung liegt die Schutzwirkung vor einer Reinfektion bei gut 90 Prozent. Also fast gleichauf mit der Schutzrate der derzeit effizientesten Impfungen, den mRNA-Vakzinen. So lautete das Hauptergebnis der von Stefan Pilz initiierten Studie „SARS-CoV-2 re-infection risk in Austria“, die in Kooperation mit der AGES sowie dem METRICS-Department der University of Stanford durchgeführt und in der April-Ausgabe des European Journal of Clinical Investigation veröffentlicht wurde. Weiter als über ein halbes Jahr hinaus konnten Pilz et al. noch keine Aussagen treffen, weil zum Zeitpunkt ihrer Datenerhebung noch nicht mehr Zeit seit Pandemiebeginn vergangen war.

 

Ziel war Gerechtigkeit

Ausgangspunkt für die Studie waren Überlegungen zum effizientesten und gerechten Einsatz der in der ersten Phase erwartbar raren Impfstoffe. „Ist das Reinfektionsrisiko nachweislich gering, kann man Menschen nach einer durchgemachten COVID-19-Infektion beim Impfen nachreihen, ohne dass sie einen Nachteil erleiden“, erklärt Pilz. Die Idee zur Studie entwickelte sich im privaten Gespräch mit seiner Frau und hat auf den ersten Blick wenig mit seiner alltäglichen ärztlichen Tätigkeit an der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie zu tun. Der breiter angelegte Zugang zur Coronakrise resultiert aus seinem Studium der Epidemiologie an der Vrije Universiteit Amsterdam, das Pilz im Jahr 2012 mit einem PhD abschloss. Die besagte Studie verfasste er unter Aufbietung privater Zeitkapazitäten, aus dem Bedürfnis heraus, in der Pandemie einen eigenen Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten.

 

Grazer Avantgarde

„Bis in den November, Dezember 2020 waren landesweite Reinfektionsstudien, also solche, die nicht nur eine ausgewählte Gruppe, sondern die Gesamtheit aller positiv Getesteten berücksichtigen, noch unbekannt. Es gab zwei Publikationen zu Reinfektionen aus Großbritannien, die sich allerdings nur auf Mitarbeitende aus dem Gesundheitsbereich bezogen haben“, erzählt Pilz. Mittlerweile gebe es weitere ähnliche Studien aus Dänemark und den USA – ebenfalls mit Ergebnissen einer Schutzwirkung zwischen 80 und 90 Prozent. „Sämtliche nationalen Daten zu erfassen hat den Vorteil, dass hier auch alle Risikogruppen inkludiert sind, bis hin zu Immunsupprimierten und Krebspatienten.“

Die beiden weiteren Kooperationspartner der Grazer Reinfektionsstudie waren einerseits die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, die als einzige über vollständige Daten verfügt, und andererseits der bekannte „Datenpapst“ John PA Joannidis vom Department of Medicine, Epidemiology and Population Health, Biomedical Data Science and Statistics and Meta-Research Innovation Center (METRICS) at Stanford, mit dem Pilz schon zuvor Kontakt bezüglich anderer Themen der COVID-19-Forschung hatte.

 

Vergleich 1. und 2. Welle

Verglichen wurden die SARS-CoV-2-Infektionen zweier Referenzgruppen, nämlich einerseits der Genesenen und andererseits der übrigen Bevölkerung. Die Anzahl der Genesenen errechnete sich aus jenen Betroffenen, die in der ersten Welle (Februar und April 2020) positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren und die Infektion überlebt haben, also 14.840 Personen. Von diesen wurden in der zweiten Welle (September bis November 2020) 40 Personen neuerlich positiv getestet.

Als Kontrollgruppe wurde die österreichische Bevölkerung zu Jahresbeginn herangezogen, abzüglich der bis zum Ende der ersten Welle positiv Getesteten. Aus dieser Gruppe wurde dann die Rate jener eruiert, die in der zweiten Welle bis zum Stichtag 30.11. 2020 positiv getestet wurden, das waren 253.581 von 8.885.640 Personen.

 

Muss nicht milder verlaufen

Während sich 2,85 Prozent der Kontrollgruppe im Studienzeitraum mit SARS-CoV-2 infizierten, waren es in der Gruppe der Genesenen lediglich 0,27 Prozent, woraus sich eine Schutzwirkung von 91 Prozent errechnet. Die Reinfizierten waren überwiegend Frauen (62,5 %), das Durchschnittsalter lag bei 39,8 Jahren (jedoch mit einer breiten Varianz von 15 bis 93 Jahren).

Über den Schweregrad der Zweitinfektion im Vergleich zur Erstinfektion kann aufgrund der geringen Fallzahlen keine klare Aussage getroffen werden.

Bemerkenswert ist jedoch, dass in vier Fällen die Betroffenen beide Male hospitalisiert wurden, die zweite Infektion damit nicht unbedingt milder verlaufen muss. Unter Berücksichtigung der Daten bis 23. Dezember kam es unter den Reinfizierten zu einem Todesfall, wobei die betroffene 72-Jährige an einem akuten Gefäßverschluss starb.

Pilz würde die österreichischen Reinfektionsraten nach einer COVID-19-Erkrankung gerne weiterhin beobachten. Im Bewusstsein des enormen Aufwandes hat er jedoch für seine Folgestudie um eine FWF-Förderung angesucht.

 

Impfdurchbrüche

Reinfektion ähnlich wie Impfdurchbruch

Zum Vergleich der Schutzwirkung einer durchgemachten Infektion mit einer COVID-19-Impfung eignet sich  die im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie von Noa Dagan et al., die real life data liefert. Das israelische Impfprojekt mit Comirnaty® wurde ja von Beginn an wissenschaftlich begleitet, wobei jeder Impfling der größten israelischen Krankenversicherungsanstalt Clalit Health Services, die 53 Prozent der Bevölkerung umfasst, mit einer ungeimpften Person gematcht wurde, die in Bezug auf Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Wohnort gleiche Merkmale aufwies. Verglichen wurde in Hinblick auf positiven PCR-Test, symptomatische oder schwere Erkrankung, Hospitalisierung oder Tod aufgrund von COVID-19. All das zu einem Zeitpunkt, zu dem Israel ein sehr dynamisches Infektionsgeschehen aufwies.

Der erste Vergleichszeitpunkt war jeweils 14 bis 20 Tage nach der ersten Impfdosis: Hier lag die Impfeffektivität bei 46 Prozent in Bezug auf positive PCR-Tests, 57 Prozent bei symptomatischen Erkrankungen, 74 Prozent bei Hospitalisierung, 62 Prozent bei schwerer Erkrankung und 72 Prozent in Bezug auf einen Coronatod. Der letzte in der Studie erfasste Vergleichszeitpunkt war sieben Tage nach der zweiten Impfdosis: Zu dieser Zeit lag die Schutzwirkung der Impfung bei 92 Prozent in Bezug auf den positiven PCR-Test, bei 94 Prozent für die symptomatische Infektion, 87 Prozent in Bezug auf den Spitalsaufenthalt und 92 Prozent auf eine schwere Erkrankung.

 

Erste Dosis wirkt

Eine prospektive Kohortenstudie der University of Edinburgh von Vasileiou et al., die sowohl Impfungen mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer als auch mit dem von Astra-Zeneca inkludiert, überprüfte speziell die Effizienz der ers­ten Dosis in Hinblick auf Spitalsaufnahmen 28 bis 34 Tage nach verabreichter Erstimpfung. Das im Preprint von The Lancet veröffentlichte Ergebnis: BNT162b2 erreichte einen Effekt von 85 Prozent zur Verhinderung COVID-19-bezogener Spitalsaufnahmen; ChAdOx 1 schaffte 94 Prozent.

Von allen am LKH-Universitätsklinikum in Graz Geimpften, erklärte der Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie Klaus Vander am 22. April gegenüber der Kleinen Zeitung, seien 0,2 Prozent danach noch positiv auf COVID-19 getestet worden. Die Impfung verunmöglicht damit nicht jegliche Infektion mit SARS-CoV-2, hat aber den Vorteil, dass damit schwere Erkrankungen und Todesfälle in hohem Maße verhindert werden könnten.

 

Foto: beigestellt

Symbolbild 1
 



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