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Mehr Schutz oder der gläserne Mensch

Debattenbeitrag von Präsident Dr. Herwig Lindner (Kleine Zeitung, 30.9.2013)

„Es gibt und gab keine absolute Gewissheit für Patienten, dass die geforderte Anonymität der Daten ausreichend ist.“

War es nur ein Sommertheater? Vor einigen Wochen machten angebliche Datenschutzverletzungen durch Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken noch große Schlagzeilen. Politiker gaben sich empört. Mittlerweile ist Schweigen ausgebrochen. Das ist vielleicht nicht schlecht, weil viele Äußerungen von wenig Sachkenntnis geprägt waren: Da wurde die Verarbeitung anonymisierter statistischer Daten mit der Weitergabe persönlicher Patientenakten in einen Topf geworfen. Ein Parlamentarier verstieg sich zur atemberaubenden Behauptung, Elga, die elektronische Gesundheitsakte, könnte die Datenweitergabe verhindern. Tatsache ist, dass der gesetzliche Datenschutz zuletzt gelockert wurde. Tatsache ist, dass die Ärztekammer die automatisierte Datenweitergabe bereits 2012 als problematisch eingestuft hatte, weil es keine absolute Gewissheit gab und gibt, dass die geforderte Anonymisierung technisch ausreichend ist. Der Vorfall beim Apothekerverlag zeigt wieder: Absoluten Datenschutz gibt es nur, wenn Daten nicht zentral zugänglich sind.Das muss uns nach dieser und zuvor zahlreichen anderen Pannen bei Banken, Behörden, ja sogar einer Krankenkasse bewusst sein. Aber es wäre naiv, diese Forderung aufzustellen. Datenspeicherung bringt Erleichterungen, die gewollt sind. Was aber zu fordern ist: die Datenschutzbehörde mit Kompetenzen und personellen, technischen sowie finanziellen Ressourcen auszustatten, damit diese wirkungsvoll die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger schützen kann. Weiters muss ganz genau überlegt werden, welche Informationen überhaupt und wie lange gespeichert bleiben. Dass jemand vor Jahren ein Medikament mit dem Wirkstoff Paroxetin verordnet bekommen hat, ist ein klarer Hinweis, dass er wegen einer Depression behandelt wurde. Die Einnahme hochwirksamer Virostatika (z. B. Amprenavir) lässt vermuten, dass ein Patient an einer HIV-Infektion leidet. Ich weiß aus eigener Erfahrung als Arzt an einer Infektionsabteilung, dass nicht jeder die Tragweite des Bekanntwerdens solcher Informationen abschätzen kann. Der Schaden kann aber unermesslich sein. Dass rein technische Maßnahmen ausreichend sind, um den Schutz mit Gewissheit sicherzustellen, kann niemand ernsthaft glauben. Leichtfertiger Umgang mit Daten und vorsätzlicher Datendiebstahl gehören zur Realität. Mein dringender Appell an die Politik: Diskutieren wir diese Fragen ernsthaft, ohne Beschwichtigungsfloskeln und ohne Polemik. Wenn wir die totale Datenspeicherung wollen, müssen wir den gläsernen Menschen hinnehmen.

Wenn wir den gläsernen Menschen fürchten, müssen wir Einschränkungen bei der Datenspeicherung sicherstellen

 

Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark und Präsidiumsmitglied der Österreichischen Ärztekammer




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