AERZTE Steiermark 07/08 2014 - page 7

Ærzte
Steiermark
 || 07/08|2014
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Seit Jahren versuchen Gesundheitsplaner, die
Ärzte abzuschaffen. Durch strukturelle Verän-
derungen und sogar durch die Veränderung
der Sprache. Ganze Gesetze und Verordnungen
kommen ohne die Worte Ärztin und Arzt aus.
„Gesundheitsdiensteanbieter“ ist der Begriff, unter
dem alles subsummiert wird.
Diese Anonymisierung beleidigt nicht nur Ärz-
tinnen und Ärzte, sondern genauso die Psycho-
therapeutin und den Physiotherapeuten, die
Diplomkinderkrankenschwester und den Ergo-
therapeuten. Sie alle haben Anspruch darauf, in
ihrer Kompetenz respektiert zu werden.
Wie Patienten-„Anwalt“ Bachinger (ich kann dieses
Wort leider nur unter Anführungszeichen schrei-
ben) Ärzte einschätzt, zeigt seine Reaktion auf das
letztlich beschlossene Primärversorgungskonzept,
dem auch die Ärztekammer ihre Zustimmung ge-
geben hat. „Statt der Patienten stünden wieder nur
die Ärzte imMittelpunkt“, schimpfte er.
Ja richtig: In diesem Konzept gibt es den Hausarzt,
es gibt die ärztliche Verantwortung, die ein Sozi-
alarbeiter nicht übernehmen kann, genauso wie
umgekehrt. Es gibt auch nicht nur Zentren, weil
es sie in kleinen Gemeinden aus wirtschaftlichen
Gründen nicht geben kann, aber die Menschen dort
haben auch das Recht auf wohnortnahe Versorgung.
Aber vielleicht hätte Bachinger die GfK-Studie im
Auftrag des Hauptverbandes lesen sollen: Dort
steht nämlich, dass 93 Prozent aller Österreicher
einen Haus- oder Vertrauensarzt haben und
froh darüber sind. Kurz: Wer die Ärztinnen und
Ärzte in den Mittelpunkt der Gesundheitsversor-
gung stellt, stellt die Bedürfnisse und Wünsche
der Patientinnen und Patienten in den Mittel-
punkt. Und um die geht es.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
165.000 Österreicherinnen und Österreicher haben ihren Willen
bekundet, bei ELGA nicht mitzumachen. Nur 10.000 davon ha-
ben das gepriesene ELGA-Portal genutzt, die große Mehrheit hat
einfach ein Formular ausgefüllt und per Post abgeschickt. Aber
das sind ja nur zwei Prozent der Bevölkerung, sagt Gesundheits-
minister Stöger.
Durch die jüngste Gesundheitsumfrage sieht sich der Hauptver-
band bestätigt: 80 Prozent halten den elektronischen Zugang für
Ärzte zu allen Befunden für sehr oder
eher positiv. Und 54 Prozent wollen
nicht aus ELGA aussteigen.
46 von 100 Österreicherinnen und
Österreichern schließen also nicht aus,
ELGA zu verlassen? Fast die Hälfte der
Bevölkerung sagt nicht ja zu einem
System, das alles besser machen soll?
Darin sehen die Spitzen der Sozialversi-
cherungen eine Bestätigung?
Das ist Wirklichkeitsverweigerung, die sich, in der Steiermark
glücklicherweise immer weniger, wie ein roter Faden durch die
Gesundheitspolitik zieht. Um nicht falsch verstanden zu werden:
Das ist keine Hetze gegen ein elektronisches Befundübermitt-
lungssystem. Es ist eine Klage über die Abgehobenheit und Welt-
fremdheit eines großen Teils der Politik.
Sie biegt sich die Wahrheit zurecht, anstatt sich ihr zu stellen. Sie
ignoriert die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger und be-
klagt sich dann über Hass-Postings der verzweifelten Menschen,
die man sehr einfach als Wutbürger abstempelt.
Bundeshymne, Binnen-I, Hypo Alpe Adria, ELGA … egal, ob es
kleine Buchstaben und Wörter oder Millionen- und Milliarden-
gräber sind, überall funktioniert es nach dem gleichen Prinzip:
Angst, Gesprächsverweigerung, Unfähigkeit oder Unlust zum
Zuhören dominieren.
Da kann man es schon verstehen, wenn diesen Politikerinnen
und Politikern die Ärztinnen und Ärzte unheimlich sind: Die
müssen nämlich in den Praxen, Ambulanzen und an den Spi-
talsbetten mit den Menschen reden. Und sie können es auch,
wenn man ihnen die Zeit dafür lässt.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 48.
Jörg Garzarolli
Ärzte im Mittelpunkt der
Patientenbedürfnisse
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Zeit zum Zuhören – den
Bürgern und den Ärzten
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