AERZTE Steiermark 07/08 2014 - page 6

10.000 Personenstunden lang wurde in acht
Projektgruppen nachgedacht und diskutiert. He-
rausgekommen ist ein umfassender Katalog von
Verbesserungsmöglichkeiten (siehe Seite 44), wel-
che die Landeskrankenhäuser wieder zu lebens-
werten Arbeitsplätzen für Ärztinnen und Ärzte
machen sollen.
Das Gute daran: Hier haben nicht Theoretiker ge-
arbeitet, die Spitäler nur aus ihren Konzeptmap-
pen kennen, sondern weitgehend Betroffene, die
die Arbeit im Landeskrankenhaus und im Klini-
kum täglich erleben – und sehr oft erleiden.
Aber Vertrauen und Geduld sind begrenzt: Ver-
sprechen und noch so schöne Konzepte reichen
nicht, die Kolleginnen und Kollegen wollen Taten
sehen, wollen erleben, dass es besser wird.
Ich denke aber, die KAGes hat den Ernst der Lage
erkannt. Was ja auch kein Wunder ist: Vielerorts
fehlen die Ärztinnen und Ärzte bereits. Und aus
immer mehr Medizinstudierenden werden nie-
mals Ärzte – oder solche, die lieber in Deutsch-
land, der Schweiz oder anderswo in Europa ar-
beiten als in der Steiermark.
Als Ärztekammer tragen wir dieses Projekt „Le-
bensphasenorientierung Ärzte“ aus Überzeugung
mit. Dass KAGes, MUG und Ärztekammer hier
gemeinsam agieren, gibt diesem Projekt auch die
nötige Breite und Kraft.
Jetzt geht es aber darum, jene nicht zu enttäu-
schen, die mitgewirkt haben und schon gar nicht
alle, die daraus Hoffnung schöpfen. Gelungen
ist das Projekt, wenn es in den Stationen, Abtei-
lungen, Ärztezimmern und auch in den Geldbör-
sen angekommen ist. Wenn vom Turnusarzt bis
zur Primaria tatsächlich alle sagen: „Ja, es ist gut
geworden, ich arbeite gerne hier.“
Vizepräsident Dr. Martin Wehrschütz
ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.
intra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 44
Martin Wehrschütz
Gemessen werden die
Taten, nicht die Pläne
kont a
Österreich ist in der glücklichen Lage, eines der mo-
dernsten Gesundheitssysteme zu haben. Aber es schreit
nach Reformen – die Kosten laufen aus dem Ruder, die
Zufriedenheit – patienten- wie ärzteseitig – sinkt. Bei allen
Diskussionen, wie und wo effizienter, wirtschaftlicher und
dennoch ohne zu große Versorgungs-Einbußen gespart
werden könnte, wird ein Faktor wie ein Stiefkind behan-
delt: der Faktor Zeit. Alles muss schneller gehen, rasanter,
ökonomischer, mit weniger Personal. Das hilft vielleicht
kurzfristig, á la longue bedingt es jedoch einen Bumerang-
effekt – Zeitdruck, Zeitmangel, mit all den Folgen verur­
sacht Kosten – und Krankheiten. Der volkswirtschaftliche
Schaden ist auf Sicht größer als die Einsparungen.
Zeit ist heute das, was sich PatientInnen am häufigsten im
Zusammenhang mit ihrer Gesundheitsversorgung wün-
schen – nicht den Wunderdoktor, nicht die Wunderpille.
In einer aktuellen GfK-Umfrage zur Gesundheitsreform
gab es auf die Frage, welche Angebote und Leistungen
sich die Menschen vomHaus- bzw. Vertrauensarzt
vermehrt wünschen würden, mit großer Mehrheit die
Antwort: Mehr Zeit für Gespräche! Auch auf Beschwer-
delisten bei Patientenombudsschaften steht „Keine Zeit
für ausführliche Gespräche, eingehende Information und
Aufklärung“ weit vorne. Das bedingt Unzufriedenheit
und „doctor-shopping“, das kostet letztlich viel Geld.
Geht es um verbesserte Arbeitsbedingungen für die Ärzte-
schaft und das Pflegepersonal, ist „Mehr Zeit für den Pa-
tienten – weniger Administration“ eine der Forderungen.
Wenn Spitalsärztinnen und -ärzte 100 Stunden und mehr
pro Woche Dienst tun, viel Verwaltungsarbeit leisten, kei-
ne Zeit für Erholung bleibt, dann wird das auf Sicht teuer
– und gefährlich. Wenn dem PatientInnengespräch nicht
ausreichend Zeit eingeräumt werden kann, es nicht seiner
Bedeutung entsprechend abgegolten wird, bedingt das auf
beiden Seiten Unzufriedenheit, treibt PatientInnen zu Al-
ternativen wie „Dr. Google“ – und verursacht auf Zeit erst
recht wieder Kosten. Wenn der Faktor Zeit in der Gesund-
heitsversorgung wieder vermehrt ins Bewusstsein rückt
und entsprechende Maßnahmen folgen, dann kann Zeit
nicht nur sprichwörtlich, sondern auch im wahrsten Sinne
des Wortes Wunden heilen.
Johanna Vucak ist Chefredakteurin
der Wochenzeitung „Der Grazer“.
Johanna Vucak
Die Zeit kann
Wunden heilen
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Ærzte
Steiermark
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