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Ærzte

Steiermark

 || 12|2016

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Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind gegen

Primärversorgungszentren und Primärversor-

gungszentren sind für alle toll, außer für nieder-

gelassene Ärzte. Diese Behauptung ist doppelt

falsch.

Vernünftige ärztliche Zentren, auch gemeinsam

mit anderen Gesundheitsberufen, in denen wir

einigermaßen ungehindert von Kontingenten,

veralteten Leistungskatalogen unsere Patienten

nach dem Stand der Wissenschaft und den Pa-

tientenbedürfnissen (ja auch Bedürfnisse sind

ernst zu nehmen, nicht nur der „Bedarf“, wie ihn

Gesundheitsplaner verstehen) finden nicht nur

junge Ärztinnen und Ärzte gut. Wir sehen sie

nur nicht.

Wir sehen einige wenige Zentren in zentralen

Orten, in denen Ärzte das tun müssen, was ihnen

Staat, Krankenkassen oder private, dem „Share-

holder Value“ verpflichtete Konzerne auftragen,

während die ärztliche Versorgung „am Land“, in

den Seitentälern und Kleingemeinden ausradiert

wird.

Wir sehen, dass dieser Form von Zentren ein

bisschen Geld versprochen wird, das anders-

wo weggenommen wird. Und damit auch die

wohnortnahe medizinische Versorgung, die für

chronisch kranke und alte, aber auch für alle an-

deren Patienten, die regelmäßig oder unerwartet

ärztliche Hilfe brauchen, etwas anderes ist als der

lang geplante Kauf eines Flachbildfernsehers. Für

den kann man schon weiter fahren. Für ein Kind,

das plötzlich hohes Fieber hat, aber nicht.

Selbstverständlich, die Medizin muss sich wei-

terentwickeln, auch strukturell. Gruppenpraxen,

Jobsharing, Netzwerke und auch vernünftige

Zentren gehören dazu.

Die Vernichtung des Bewährten aber nicht.

Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli

ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.

extra

Weiterer Kurienbericht ab Seite 43.

Jörg Garzarolli

Das Bewährte

entwickeln

debatte

Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, Furgler, Hassler/Kleine Zeitung. Grafik: Mirko Maric´

Standortbestimmung

Herwig Lindner

Gemeinsam die Politik

wachrütteln

Der Protest ist laut und deutlich. Und wird absichtlich missver-

standen. Die Ärztinnen und Ärzte wurden von einer Gesund-

heits- und Finanzpolitik, die auf Kostensenkung und ungestörte

Machtausübung aus ist, als Feindbild auserkoren, alle anderen,

die ebenfalls vor der Demontage der Gesundheitsversorgung

warnten, gleich mit Missachtung gestraft. Oder hat irgendwer

irgendwo gelesen, dass der Österreichische Bundesverband für

Psychotherapie, der immerhin 3.200 Psychotherapeutinnen und

Psychotherapeuten vertritt, Ende November in einer Resolution

„gegen die von der Gesundheitsverwaltung auf raschem Wege

betriebene ‚Ökonomisierung‘ der Kranken-

behandlung“ aufgetreten ist? Oder dass

die Bundeskonferenz der Freien Berufe

mit mehr als 79.000 Mitgliedern die Ände-

rungen als „Angriff auf die Freiberuflich-

keit“ bezeichnete?

Nein, das wollte keiner hören. Stattdessen

wurde darauf hingewiesen, dass die Patientinnen und Patienten

nicht die Stimme erheben. Nur: die haben keine. Sie werden vor-

geblich durch einen so genannten „Patientenanwalt“ repräsentiert,

der Beamter bei der Niederösterreichischen Landesregierung

ist und dem noch nie aufgefallen ist, dass die Kassenversorgung

in Österreich seit Jahren schlechter geworden ist, und der selbst

dann schweigt, wenn – immerhin – die Volksanwaltschaft auf die

fehlende kassenärztliche Versorgung bei Kinder- und Jugendpsy-

chiatrie in der Steiermark hinweist.

Wir Ärztinnen und Ärzte haben immer ein gemeinsames Inte-

resse mit der Bevölkerung: Wir wollen eine umfassende, dem Be-

darf genügende, wohnortnahe Gesundheitsversorgung. Und wir

müssen uns vor unseren Patientinnen und Patienten auch täglich

persönlich rechtfertigen, wenn es Mängel gibt. Politiker und Kas-

senfunktionäre müssen das nicht. Sie können weghören.

Es geht um Macht und Einfluss? Ja: Es geht darum, die Macht der

Krankenkassen nicht noch weiter zu erhöhen. Denn sie haben

diese Macht in den letzten Jahren schon dazu genutzt, um weni-

ger leisten zu müssen. Es geht darum, den Einfluss der Ärztinnen

und Ärzte auf die Sicherung der Versorgung nicht völlig zurück-

zudrängen.

Gemeinsam mit unseren Patienten die Politik wachzurütteln

habe ich als Ziel vor, am und nach dem Aktionstag formuliert.

Dieser Aufgabe müssen wir uns täglich stellen.

Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark.