AERZTE Steiermark 05 2014 - page 7

Ærzte
Steiermark
 || 05|2014
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Meine Ärztin, mein Arzt – eine kürzlich veröffent-
lichte Umfrage zeigt wieder einmal, dass unsere
Patientinnen und Patienten nichts mehr wollen, als
eine persönliche Arzt-Patienten-Beziehung. Das
ist der Kern der Gesundheitsversorgung, den es ja
in Österreich glücklicherweise gibt und den es zu
bewahren gilt.
Gleichzeitig gibt es aber den Wunsch nach län-
gerer Verfügbarkeit der eigenen Ärztin, des eigenen
Arztes. Das ist nicht ganz leicht in Einklang zu brin-
gen. Denn die Arbeitszeit des einzelnen lässt sich
nicht beliebig erweitern. Verlässliche Arbeitszeiten,
das Recht auf Privatleben sind ein Recht, auf das
wir Ärzte ebenso pochen dürfen wie alle anderen
arbeitenden Menschen.
Was also tun? Bestehende Strukturen sind zu erhal-
ten. Der Kampf um jede Landarztpraxis ist nicht
primär ein ärztliches Anliegen, die Bürgermeister
der kleineren Gemeinden sind es, die sich dafür
stark machen, weil sie ganz genau wissen, dass
Menschen nur dort leben wollen, wo auch ihre
ärztliche Versorgung gesichert ist. Die bestehenden
Strukturen sind gleichzeitig weiterzuentwickeln.
Lehrpraxis, Jobsharing, Gruppenpraxis, Nachfolge-
praxis, Ärztegesellschaft … die Konzepte liegen auf
dem Tisch und warten darauf, in die Tat umgesetzt
und genutzt zu werden. Die Zeit des Arztes für den
Patienten muss wieder sichtbarer das wertvollste
Gut in der der Gesundheitsversorgung werden.
Grundlage jeder Veränderung muss aber immer die
bestehende Struktur sein. Im Grunde Funktionie-
rendes zu zerstören, um etwas völlig Neues aufbauen
zu können, das am Grünen Tisch geplant wurde,
von demman aber nicht wissen kann, ob es über-
haupt und wenn, wann es funktionieren kann ist ein
brandgefährliches Konzept. Die persönliche Arzt-Pa-
tienten-Beziehung muss das Grundprinzip sein und
bleiben dem entlang Veränderungen stattfinden.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Sa-
gen die Einen. Es gibt nur Probleme, sagen die Anderen. Alles ist
schrecklich, alles ist schrecklich teuer. Und jeder hat irgendwie
Recht, die richtigen Statistiken gibt es für jede Meinung.
Nur kommen wir so nicht weiter. Wenn Gesundheitspolitik zum
Schönheitswettbewerb der politischen Polemik wird, gibt es am Ende
einen großen Verlierer, die Gesundheitsversorgung, die Menschen,
die sie brauchen und diejenigen, die in diesem System arbeiten.
Eines sollten alle mittlerweile
gelernt haben: Probleme zu
ignorieren, führt dazu, dass
der Druck immer weiter steigt,
die Emotionen hochkochen
und man letztlich in einem
völlig vergifteten Klima nicht
mehr miteinander kann – nicht
reden, und schon gar nicht
handeln.
Das ist kein spezifisches Problem der Gesundheitspolitik. Es ist
eher ein spezifisches Problem Österreichs. Wirtschaft, Banken,
Umwelt … überall finden Richtungskämpfe statt, die zu keinen
Ergebnissen führen, weil in erster Linie Porzellan zerschlagen
wird. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Immer mehr Akteure
scheinen das zu erkennen. Miteinander zu reden kommt wieder in
Mode. Nach Win-Win-Situationen zu suchen, auch die Positionen
der anderen Player zu verstehen und anzuerkennen wird wieder
möglich. Natürlich gibt es dabei auch Rückschläge. Noch ist das
Misstrauen groß, noch ist die neue Politik fragil, noch denken viele
weiter in den alten Mustern von Schwarz-Weiß und Freund-Feind.
Aber dafür werden sie mittlerweile zur Rechenschaft gezogen, nicht
nur, aber auch in den Medien.
Daher braucht eine kooperative Politik Erfolgsnachweise. In der
Steiermark haben wir aber genug Herausforderungen zu bewälti-
gen, anhand derer bewiesen werden kann, dass Erfolge möglich
sind. Möglich werden sie, wenn man nicht über die Köpfe der Be-
troffenen hinweg entscheidet, wenn man Realitäten anerkennt und
Erfahrungen respektiert.
Gehen wir es an.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 40.
Jörg Garzarolli
Die persönliche
Beziehung als Maßstab
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Eine neue Kultur
der Gemeinsamkeit
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