29.07.2025
Zentralisierung der Telemedizin:
Steirische Ärztekammer setzt auf Innovation und Erfahrung – ÖGK-Ausschreibung trifft auf Skepsis
Die steirische Ärzteschaft steht der Telemedizin nicht nur offen gegenüber, sie ist längst angekommen und aus dem operativen Tagesablauf nicht mehr wegzudenken. Die aktuelle Diskussion um eine umfassende Zentralisierung im Rahmen der ÖGK-Ausschreibung bringt jedoch erhebliche Bedenken seitens der Ärztekammer Steiermark mit sich. Vizepräsident und Kurienobmann Dietmar Bayer: „Gerade im sensiblen, höchstpersönlichen Bereich der medizinischen Versorgung kann eine zentrale Plattform den tatsächlich gelebten Bedürfnissen vieler Menschen oft nur begrenzt gerecht werden“, sieht er Mängel an der aktuellen Ausschreibung.
Telemedizin ist in der Steiermark nichts Neues – alleine 2023 wurden in der Steiermark über 123.000 telemedizinische Behandlungen erfolgreich abwickelt. „Die Weiterentwicklung der Telemedizin ist wichtig und muss aktiv vorangetrieben werden. Diese Entwicklung muss Hand in Hand gehen mit dem Schutz des persönlichen Vertrauens zwischen Patient:innen und Ärzt:innen. So muss beispielsweise für Patienten sichergestellt werden, dass auch auf der Plattform der Erstansprechpartner der Arzt des Vertrauens ist. Eine Weiterleitung an das Backup aus anderen Ärzten sollte nur erfolgen, wenn der „eigene“ Hausarzt nicht verfügbar ist. Eine zentralisierte Lösung darf nicht funktionierende Strukturen wie die derzeitige in der Steiermark gefährden“, gibt ÄK-Präsident Michael Sacherer die Richtung vor.
Die seitens der ÖGK ausgeschriebenen zentralen Angebote drohen das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Patient:in und behandelndem Arzt bzw. behandelnder Ärztin zu schwächen. Persönliche Betreuung, das Wissen um individuelle Krankengeschichten sowie die Möglichkeit rascher Hausbesuche oder Bereitschaftsdienste sind elementare Bausteine einer sicheren Versorgung. Die bisherige Kooperation zwischen der Ärztekammer Steiermark und der ÖGK betreffend der Telemedizinischen Betreuung beweist, dass hohe medizinische Standards auch ohne den Aufbau neuer teurer Parallelstrukturen verlässlich gewährleistet werden können. Bayer konkretisiert seine Bedenken auch in seiner Rolle als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin und e-Health (ÖGTelemed): “Eine neue zentrale Struktur, wie sie etwa in Form eines Ambulatoriums diskutiert wird, würde frühestens in zwei Jahren tatsächlich zur Verfügung stehen und beträchtliche Zusatzkosten verursachen – ohne einen klaren Mehrwert gegenüber dem bestehenden, funktionierenden System zu liefern“.
Rechtlich und organisatorisch bleibt darüber hinaus offen, ob neue Ambulatorien überhaupt die notwendige Flexibilität bieten.
„Telemedizin ist dann am wirkungsvollsten, wenn sie eingebettet bleibt in bestehende Versorgungsstrukturen, in denen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auch in komplexeren Situationen Verantwortung übernehmen können. Eine überhastete Zentralisierung birgt die Gefahr, dass gerade im sensiblen Bereich der Gesundheitsversorgung eingespielte Abläufe verloren gehen und wertvolle Ressourcen verschwendet werden.“, äußert sich Bayer kritisch.
Die Ärztekammer für Steiermark spricht sich daher nachdrücklich dafür aus, Innovation und Digitalisierung gezielt auf vorhandene bewährte Strukturen der rund 930 Kassenärzt:innen aufzubauen. Die hohe Versorgungsqualität und das persönliche Vertrauensverhältnis müssen geschützt, erprobte Modelle weiterentwickelt und patientennahe Lösungen gesichert werden.