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10 Jahre Turnusärztepreis: Von Skorbut bis Kounis-Syndrom

Akutes Koronarsyndrom nach oraler Provokationstestung von PPI? Kleinkindliche Bewegungsverweigerung infolge von Skorbut? Aortenaneurysma und Dissektion mit Pericarderguss und mediastinalem Hämatom – und das bei einer 32-Jährigen mit D-Dimer-Werten im Normbereich? Ungewöhnliche, nicht auf den ersten Blick zu erkennende Krankheitsbilder waren der Ausgangspunkt der heuer mit dem HYPO Steiermark-Turnusärztepreis bedachten Fallbeispiele.

Der Preis selbst feiert im Jahr 2019 sein 10-jähriges Jubiläum; mit 17 Einreichungen. Mehr, nämlich 18, gab es nur in den Jahren 2013 und 2018. Insgesamt haben bereits 135 Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung die Chance ergriffen, ein spannendes Fallbeispiel zu präsentieren. Für die bestgereihten drei eines Jahrganges werden Preisgelder von 1.000, 750 und 500 Euro vergeben – und der kostenlose Eintritt zu den Grazer Fortbildungstagen , im Zuge derer der Preis feierlich überreicht wird.

Provokationstestung

Der Hauptpreis für das Jahr 2019 erging an den Dermatologen Christoph Schrautzer , der den ersten veröffentlichten Fall eines Kounis-Syndroms im Rahmen einer oralen Provokationstestung mit Pantoprazol dokumentiert hat. Der mittlerweile fertige Facharzt war in seiner Ausbildungszeit als Urlaubsvertretung Testarzt in der dermatologischen Tagesklinik am Grazer Klinikum. Ein 55-jähriger Patient hatte mehrfach nach Medikamenteneinnahme eine Urticaria entwickelt und war zur Allergiediagnostik vorstellig geworden. Im Verdacht stand das Schmerzmittel, ausgeschlossen werden sollte der Magenschoner, bei dem der Hauttest negativ gewesen war. „Unerwarteterweise reagierte der Patient schon auf die Anfangsdosis von 10 mg – schließlich sogar mit einem akuten Koronarsyndrom im Sinne eines Kounis-Syndroms Typ 1“, erzählt Schrautzer. Daraufhin wurde der Patient sofort zum Herzkatheter transferiert. Die Beschwerden bildeten sich jedoch rasch zurück. Schrautzer hat im Turnus schon einmal ein Fallbeispiel eingereicht, nachdem er in AERZTE Steiermark von dieser Möglichkeit gelesen hatte. Das Preisgeld möchte er in eine ab dem Frühjahr neben der klinischen Tätigkeit geplante Wahlarztordination investieren. „Neben meiner derzeit ausschließlich dermatoonkologischen Arbeit am LKH-Universitätsklinikum plane ich, in der eigenen Ordination allgemeindermatologisch und chirurgisch zu arbeiten und auch Allergiediagnostik anzubieten.“ Schrautzer, der schon seit Studienende Dermatologe hat werden wollen, ist ein „großer Musikfan“, spielt selbst Klavier(kammer)musik, hört aber auch gerne Jazz und klassische Rockmusik. Wenn er in der Freizeit nicht gerade Tennis spielt, hält ihn seine fünfjährige Tochter auf Trab.

Seltene Skorbut-Diagnose

Zweitplatziert wurde Krisztina Liziczai für die Dokumentation einer Skorbut-Diagnose im Kindesalter. Ein kleines Mädchen war nach einem Bagatelltrauma in die Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde gekommen, weil es plötzlich das Stehen und Gehen verweigerte. Der Zustand des Kindes verschlechterte sich, zudem wurde es extrem berührungsempfindlich – eine Herausforderung für die Diagnostik.

Nach anfänglicher Konzentration auf das mögliche Trauma fielen die massive Eisenmangelanämie und das äußerst selektive Essverhalten des Mädchens auf. Das Kind war kardiozirkulatorisch und respiratorisch unauffällig, die MRT-Bilder von Gehirn und Rückenmark blieben ohne Befund. Erst Femur-Röntgenaufnahmen zeigten eine Osteopenie. Die Ascorbinsäurewerte im Blut lagen dabei immer noch im unteren Normbereich. Trotzdem erkannte Abteilungsleiterin Barbara Plecko den Skorbut. „Ein ungewöhnlicher Fall, weil es hierzulande kaum Skorbut-Fälle gibt und schon gar nicht bei grundsätzlich gesunden Kindern“, erklärt Liziczai, die sich gleich in die Literatur zum Thema vertieft hat. Die klinische Betreuung des Mädchens, die sich über Monate erstreckte, passte zeitlich genau zu Liziczais Turnusabschnitt auf der Kinderklinik. „So konnte ich die Entwicklung mitverfolgen.“ Fallbeispiele haben Liziczai, die mittlerweile am LKH Hochsteiermark am Standort Bruck auf der Anästhesie im Turnus ist, schon immer fasziniert, auch auf Kongressen. Trotzdem war es ihre erste Einreichung für den Turnusärztepreis. „Dieser war einfach der erste interessante Fall, der mir untergekommen ist.“ Das Preisgeld möchte Liziczai in Fachliteratur investieren. Nach dem Turnus strebt sie eine Ausbildung zur Kinderfachärztin an. Liziczai schätzt die Herausforderung und den Wettbewerb, egal ob es um Latein-Übersetzungen oder medizinische Aufgabenstellungen geht. Beim Laufen, Lesen und Wandern entspannt sich die gebürtige Ungarin anschließend am besten.

Auf Messers Schneide

Den dritten Preis erhielt Adisa Begic für die Aufzeichnung eines ungewöhnlichen Falles, auf den sie während eines Fremddienstes am Sonntag auf der Internen Abteilung des LKH Graz II , Standort West gestoßen war. „Ich war die Erstuntersucherin in der Notfallambulanz“, erzählt Begic. Eine 32-jährige Patientin war vom UKH überwiesen worden – mit einer in den linken Arm ausstrahlenden Thorakodynie. Der Schmerz war nach sportlicher Betätigung aufgetreten und der initiale Verdacht lag auf einer vertebralen Symptomatik.

Bei der Routineblutabnahme wurden sicherheitshalber aber zusätzlich D-Dimer und Herzfermente erhoben. Der D-Dimer-Wert lag im Normbereich, die auffälligeren kardialen Marker wurden zunächst auf die rezente sportliche Aktivität zurückgeführt. Zur Sicherheit wurden jedoch eine Echokardiographie und später eine CT-Angiographie veranlasst – mit dem Ergebnis eines Aneurysmas und einer Typ A-Aortendissektion mit Perikarderguss und Mediastinalhämatom.

Die Patientin wurde unter Notarztbegleitung auf die Herzchirurgie des Grazer Universitätsklinikums transferiert.

„Dieser Fall hätte auch ganz anders ausgehen können“, betont Preisträgerin Begic: „Ich habe später den überweisenden Kollegen vom UKH gefragt, aus welchem Grund er uns die Patientin geschickt hat. Er meinte, es sei Intuition gewesen.“

Genau diese Intuition möchte Adisa Begic in den kommenden Jahren an der Internen Abteilung des LKH Graz II erwerben, bevor sie sich ihren beruflichen Lebenstraum erfüllen will: eine allgemeinmedizinische Praxis. „In der Klinik sieht man die Patienten nie wieder und bekommt kein Feedback. In der Ordination baut man eine langfristige Arzt-Patienten-Beziehung auf.“ Dass in ein paar Jahren auch ihre Kinder größer sein werden und sie somit mehr Kapazität für den Aufbau der eigenen Praxis haben wird, ist ein weiterer Pluspunkt dieser Lebensplanung.

Vom Turnusärztepreis hat Begic via Ärztekammer-Rundmail erfahren. Ihr Preisgeld möchte sie in Fortbildung investieren. Wenn neben Job und Familie noch Zeit bleibt, liest sie gerne – auf Deutsch, Bosnisch und Englisch –, macht Yoga oder widmet sich der Leinwandmalerei.

Ihr Fazit angesichts ihres Fallbeispiels: „Wir wissen gar nicht, wie glücklich wir sein können, dass wir in einem so guten Gesundheitssystem leben.“

AERZTE Steiermark 11/2019

Foto: Schiffer




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