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Deutschland verpflichtet

Die deutsche Bundesregierung hat im Juli die Einführung einer weitgehenden gesetzlichen Masernimpfpflicht ab 2020 beschlossen. Auch in anderen europäischen Staaten gibt es eine Impfpflicht gegen Masern und andere Krankheiten: Dazu zählen etwa Frankreich, Italien, Kroatien, Lettland, Tschechien und Ungarn. Gegner der Impfpflicht wollen (noch) mehr Information. Die Zahlen zeigen allerdings, dass gute Information zwar hilfreich ist, aber offenbar ihre Grenzen hat.

Auf eine stolze 92,5-Prozent-Masern-Impfrate kommt Deutschland nach offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Damit würden die 95 Prozent, die notwendig sind, um Masernausbrüche zu verhindern, fast erreicht. Die erste Masernimpfung haben nach RKI-Berechnung sogar mehr als 97 Prozent. Der jüngste Arzneimittelreport der zweitgrößten deutschen Krankenversicherung, der Barmer, lässt aber Zweifel an der Richtigkeit dieser Zahlen aufkommen. Laut Barmer liegt die Impfbeteiligung nur um die 80 Prozent. Die Abweichung erklärt der Arzneimittelreport 2019 so: Das RKI bezieht die Daten aus den Impfpässen. Diejenigen – und das sind laut Barmer 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen –, die keinen Impfpass haben, werden einfach nicht berücksichtigt. Sprich: Die Grundgesamtheit ist falsch.

Die deutlich geringere Impfquote laut Barmer-Report weist auch erhebliche regionale Unterschiede auf (siehe Grafik). Bezogen auf die 2015 Geborenen liegt sie (abgesehen vom Sonderfall Sachsen, wo es andere Impfempfehlungen gibt als im sonstigen Deutschland) zwischen knapp 72 und über 83 Prozent. Das sind ähnliche Differenzen, wie wir sie auch aus der umfassenden Steiermark-Studie der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin kennen.

Für die beachtlichen Differenzen gibt es auch keine einfachen Erklärungen. Weder ein konsistentes Ost-West-Gefälle, noch eine klare Abhängigkeit von Wirtschaftskraft und Urbanität ist durchgehend erkennbar.

Der Barmer-Report kann aber, da es um die eigenen Versicherten geht, die Impfbeteiligung mit einigen sozio­demografischen Daten der Eltern „matchen“. Demnach haben Kinder von Eltern „ohne anerkannte Berufsausbildung“ eine – allerdings nur „etwas“ – höhere Chance, in den ersten beiden Lebensjahren nicht geimpft zu werden. Das gilt auch für Kinder „besonders junger“ oder „älterer“ Mütter. Und für Kinder von Eltern, die auch die homöopathische Versorgung versichern haben lassen, die laut Untersuchung – kaum überraschend – weniger impfen. Diejenigen, die an einem speziellen Kinder- und Jugendprogramm mit erweitertem Früherkennungsprogramm teilnehmen, sind dagegen impffreudiger als der Schnitt.

Gar nicht geimpft

3,3 Prozent der 2015 geborenen Kinder waren zum Untersuchungszeitpunkt 2017 (also in den ersten beiden Lebensjahren) gar nicht geimpft. Schaut man sich die 2013 Geborenen (für die ersten 4 Lebensjahre) an, sinkt die Zahl der gar nicht geimpften Kinder etwas, nämlich auf 2,8 Prozent.

Auch bei den gar nicht Geimpften gibt es starke Unterschiede zwischen den deutschen Bundesländern (siehe Grafik). In Bayern sind demnach 5,3 Prozent der 2015 geborenen Kinder nach 2 Jahren gar nicht geimpft. Ganz im Osten, in Brandenburg – also rund um die Hauptstadt Berlin –, sind es prozentuell weniger als halb so viele nicht Geimpfte.

Beteiligung steigt

Auch wenn all diese Zahlen nicht durchwegs rosig sind, gibt es doch eine positive Aussage in dem Report der deutschen Krankenversicherung: Die Impfbeteiligung steigt. Das lässt sich anhand der Masern gut darstellen. Beim Geburtsjahrgang 2010 haben 9,4 Prozent keine Masernimpfung und 73,8 Prozent sind vollständig immunisiert. Für den Jahrgang 2015 sinkt die Zahl der nicht gegen Masern geimpften Kinder auf 7,5 Prozent und die der vollständig immunisierten steigt auf 78,9 Prozent. Die Zahl der Impfabbrecher (nur die erste Impfung) sank bei Masern von 16,8 Prozent (Geburtsjahrgang 2010) auf 13,7 (Jahrgang 2015). Eine Erhöhung der Impfbeteiligung gilt praktisch für alle empfohlenen Impfungen mit Ausnahme der Pneumokokken. Die ist aber vielleicht durch eine Änderung der Impfmodalitäten erklärbar. „In Deutschland werden immer noch zu wenige Kinder geimpft“, stellte der Barmer-Vorstandsvorsitzende Christoph Straub bei der Präsentation der Daten fest. Das mache die Ausrottung bestimmter Infektionskrankheiten unmöglich und verhindere den Schutz für all jene, die sich nicht impfen lassen können. Also: Information schützt zwar, aber offenbar nicht genug. Das gibt den Befürwortern einer zusätzlichen Impfpflicht bei aller Skepsis gegen die „Pflicht“ Aufwind. Zumal zumindest in einigen Ländern eine „Impfpflicht“ die Beteiligung erhöht und die umfassten Krankheiten zurückgedrängt hat. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele, ein signifikantes ist Kroatien. Aber: Zahlen sind offenbar mit Vorsicht zu genießen. Das zeigen die Unterschiede zwischen den RKI- und den Barmer-Daten sehr eindrucksvoll. Das belegt aber auch die Bedeutung valider Messungen beim Impfen …
 

AERZTE Steiermark 09/2019

Grafiken: Barmer Arzneimittel-Report 2019




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