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Wenn es um die Impfbeteiligung geht, werden in der Regel nur ganze Staaten oder bestenfalls Bundesländer ausgewiesen. Es gibt aber erhebliche lokale Unterschiede. Die Interpretation ist nicht immer ganz einfach.

Vor politischen Wahlen gibt es Umfragen, am Wahltag vielleicht Exit-Polls (Befragung jener, die gerade gewählt haben, dann Hochrechnungen auf Grundlage erster Resultate und letztlich ein Ergebnis. Das ist aber erst komplett, wenn auch alle Wahlkarten mitberücksichtigt wurden.

Völlig falsch sind die Aussagen guter Umfragen, Schätzungen und Hochrechnungen in der Regel nicht. Aber ein exaktes Ergebnis liefert nur die endgültige Zählung realer Stimmzettel. Das ist bei der Impfbeteiligung nicht anders. Um wirklich genaue Zahlen zu bekommen, die auch hinter den Kommastellen sicher stimmen, muss gezählt werden. Und zwar vollständig. Dazu braucht es alle Daten. Und eine professionelle Auswertung dieser Daten. Die beim Impfen übrigens noch weit schwieriger ist als bei Wahlen.

Warum? Um Aussagen über die Impfbeteiligung („Impfquote“ oder „Durchimpfungsrate“) machen zu können, braucht man eine eindeutige Grundgesamtheit, also verlässliche Bevölkerungszahlen. Dabei beginnen aber schon die Probleme, so seltsam das auch klingen mag. Die Impfdatenbank des Landes Steiermark weist für das Jahr 2017 11.698 Datensätze aus, die Statistik Austria aber „nur“ 11.385 Lebendgeborene – eine Differenz von immerhin 313 Datensätzen. 2,67 Prozent weniger ist nicht nichts. Ein Fehler? Durchaus nicht. Einerseits können steirische Ärztinnen und Ärzte in grenznahen Regionen auch Kinder aus benachbarten Bundesländern impfen, andererseits entstehen Unschärfen abhängig davon, ob der gemeldete Wohnsitz oder der tatsächlich für das Impfen relevante herangezogen wird. Ein Beispiel: Ein Kind ist bei seiner Mutter gemeldet. Weil die aber berufstätig ist, organisieren die Großeltern die ärztliche Betreuung. Das Kind wird also am Wohnsitz der Großeltern und nicht der Mutter geimpft.

Eine zweite Ursache für Ungenauigkeiten ist der Impftermin. Für jede Kinderimpfung gibt es empfohlene Impftermine. Was bedeutet es, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt empirisch festgestellt wird, dass eine Person eine bestimmte Impfung nicht absolviert hat? Impftermine sind nicht in Stein gemeißelt, Empfehlungen ändern sich. Bei der 2. Teilimpfung MMR zeigt die Statistik, dass Impfempfehlungen früherer Jahre noch lange nachwirken. Beim Geburtenjahrgang 2013 liegt der Höhepunkt des Impfens im 24. Lebensmonat, obwohl die zweite Teilimpfung schon zwei Jahre zuvor zu einem früheren Zeitpunkt empfohlen worden war, nämlich (frühestens) 4 Wochen nach der ersten Teilimpfung im 11. Lebensmonat. Sehr viele Impfungen finden also außerhalb des empfohlenen Termins statt. Um eine gesamtheitliche Sicht auf die Impfbeteiligung sicherzustellen, ist es also notwendig, nicht nur das enge Zeitfenster des aktuell empfohlenen Termins zu berücksichtigen.

Alle diese statistischen Klippen und noch weitere wurden in der Studie „ Regionale Unterschiede des Impfverhaltens in der Steiermark “ berücksichtigt und soweit möglich umschifft.

3 Hochimpfcluster und 2 Niedrigimpfcluster

Die Auswertung der gut 156.000 Datensätze ergibt 3 „Hochimpfcluster“ und 2 „Niedrigimpfcluster“, also 3 Regionen mit einer im Vergleich zur gesamten Steiermark überdurchschnittlichen und 2 mit einer unterdurchschnittlichen Impfbeteiligung. Wobei „hoch“ und „niedrig“ nicht für alle relevanten Impfungen (MMR – 1. und 2. Teilimpfung, 6-fach-Impfung – Grundimmunisierung, Rotavirus – Grundimmunisierung, HPV, MEC4, Diphtherie-Tetanus – Auffrischung im Schulalter) nicht im gleichen Ausmaß gilt.

Hier konzentrieren wir uns auf die 2. Teilimpfung MMR, einerseits weil Masern das wichtigste aktuelle Thema sind, andererseits, weil nur mit der 2. Teilimpfung ein weitgehend vollständiger Impfschutz gegeben ist.

Der wichtigste Hochimpfcluster umfasst ungefähr die Südoststeiermark. Zwei weitere finden sich in der Weststeiermark (Südwesten von Graz, Graz-Umgebung/Voitsberg/Deutschlandsberg) und in der östlichen Obersteiermark (ungefähr den Bezirk Bruck-Mürzzuschlag abdeckend).

Jeweils einen Niedrigimpfcluster findet man in der Oststeiermark (Nordosten von Graz über Graz-Umgebung nach Weiz) und in der westlichen Obersteiermark (Murau und Westteile von Liezen).

Politische Grenzen von Bezirken wurden in der Analyse bewusst überschritten, denn die Impfbeteiligung richtet sich nicht nach der politischen Bezirks- bzw. Gemeindestruktur.

Beginnen wir mit der quantitativen Bedeutung dieser Cluster: In den 3 Hochimpfclustern leben in Summe 26,5 Prozent der relevanten Population. In den beiden Niedrigimpfclustern 25,9 Prozent. Am höchsten ist die Impfbeteiligung (MMR, 2. Teilimpfung, Geburtenjahrgänge 2013 bis 2015) im Südoststeiermark-Cluster: Sie beträgt 87,5 Prozent. Kaum niedriger ist sie in der östlichen Obersteiermark mit 87,3 Prozent. Die Weststeiermark fällt mit 83,6 Prozent etwas ab.

Nur bei 73,5 Prozent liegt sie in der westlichen Obersteiermark, etwas höher mit 75,2 Prozent ist sie im Niedrigimpfcluster in der Oststeiermark. Der Unterschied zwischen dem Cluster mit der höchsten und der niedrigsten Impfbeteiligung beträgt also 14 Prozentpunkte. Dieser erhebliche Unterschied zeigt schon, dass die zentral gesteuerte umfassende und zielgerichtete Information nicht alles erklärt. Denn die ist überall in der Steiermark gleich. Es müssen zusätzlich lokale bzw. regionale Faktoren eine Rolle spielen.

Aber was sind diese Faktoren? Eine denkbare Erklärung wäre das Alter der Eltern. Die genaue Analyse zeigt allerdings keine allzu großen Unterschiede. Eine zweite denkbare Erklärung wäre das Alter der Impflinge. Aber auch das unterscheidet sich in Regionen mit hoher und niedriger Impfbeteiligung nicht allzu sehr. Einige mögliche Erklärungen sind nur bedingt messbar, etwa der Bildungsgrad der Eltern. Bekannt ist aus der Impfdatenbank heraus nur ein allfällig vorhandener akademischer Titel. Ist es der Urbanitätsgrad? Auch bleibt die Studie vorsichtig. Denn auch in Grazer Bezirken ist die Impfquote nicht immer gut.

Eine ernsthafte Erklärung ist die Verfügbarkeit von impfenden KinderfachärztInnen. Auch sie hat ihre Lücken, denn in Graz ist die Impfbeteiligung auch in „privilegierten“ Bezirken teilweise unterdurchschnittlich. Ein Erklärungsmuster in Richtung der Relevanz einer hinlänglichen Anzahl von KinderfachärztInnen liefert aber die westliche Obersteiermark, wo es wenige gibt. Dort ist auch die Impfquote niedriger als in der östlichen Obersteiermark. Und: In der westlichen Obersteiermark ist die Impfquote vor allem im Vorschulalter niedrig, also in dem Alter, in dem es keine behördlichen Impfungen gibt. Bei den Schulimpfungen ist die Beteiligung dort teils sogar überdurchschnittlich.

Im Wechselbad des öffentlichen Impfwesens

Im Jahr 2006 gab es mehr als 43.000 behördliche Schulimpfungen, im Jahr 2011 waren es nur knapp 3.300. Eine gute Erklärung liefert ein „Aufklärungspflicht-Urteil“, das in einigen Bezirken das behördliche Impfen vorübergehend völlig zum Erliegen brachte. Bereits im Jahr darauf gab es wieder fast 19.000 behördliche Impfungen. Bei um die 20.000 behördliche Impfungen hat es sich seither eingependelt. Zwischen 2007 und 2010 waren es vor allem Impfplanänderungen in Richtung Vorschulalter, die zu einer Reduktion der behördlichen Impfungen geführt hatten.

Wichtige Kinderärzte

In manchen Regionen hängt die Impfbeteiligung an wenigen Ärztinnen und Ärzten, die bis zu fast 40 Prozent der Kinder impfen. Darin unterscheiden sich Niedrig- und Hochimpfcluster nicht. Liegt es also an der Verfügbarkeit von (Kinderfach-)ÄrztInnen? Dazu die Studie: „Einige Indikatoren weisen darauf hin, dass eine allgemeine Schlussfolgerung nicht so einfach möglich ist. Die Daten einiger Problemregionen weisen zwar in diese Richtung (Problemregion westliche Obersteiermark bei MMR und 6-fach), andererseits sind in der Problemregion Oststeiermark einige Male auch Graz und Graz-Umgebung inkludiert, deren Versorgung wohl nicht signifikant schlechter ist als die anderer Regionen oder Städte der Steiermark.“

„Impfende FachärztInnen für Kinder- und Jugendheilkunde sind ganz wichtig für den Impferfolg“, weiß aber der Obmann der Fachgruppe Kinder- und Jugendheilkunde in der Ärztekammer Steiermark, Hans Jürgen Dornbusch. Ähnlich sieht es auch Styriamed.net-Referent Christoph Schweighofer, der als Allgemeinmediziner in Kapfenberg seine Praxis in einem der drei „Hochimpfcluster“ hat: „Unsere Kinderärzte sind sehr dahinter“, weiß er.

Die Unterschiede in der Versorgung sind jedenfalls signifikant. In Graz kommen auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner 7,8 Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde, gemeinsam mit Graz-Umgebung sind es 7,4. In der gesamten Steiermark ohne Graz sind es nur 3,9, also die Hälfte der Landeshauptstadt. Nur: Auch in Teilen von Graz ist die Impfbeteiligung, wie beschrieben, unter dem Steiermark-Schnitt.

Und auch andere Erklärungen, die einem rasch einfallen, halten dem Reality-Check nur sehr bedingt
stand. So haben die Grazer Bezirke Geidorf und Gries praktisch die gleiche (unterdurchschnittliche) MMR-Impfbeteiligung. In anderen Punkten unterscheiden sich die beiden Bezirke aber stark. Sei es die Wirtschaftskraft der Bewohnerinnen und Bewohner, die Infrastruktur, die wahrgenommene Lebensqualität, das Durchschnittsalter, der Ausländeranteil … Eine besonders hohe MMR-Impfquote haben dagegen die Grazer Bezirke Straßgang und Wetzelsdorf.

Michael Adomeit, Obmann der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin , hält die Untersuchung für enorm wichtig: „Endlich können wir detaillierte Aussagen zur Impfbeteiligung in der gesamten Steiermark machen – und sehen ganz deutlich die Unterschiede. Die nächsten Schritte müssen eine fundierte Ursachenforschung und lokal gezielte Stützungsmaßnahmen sein.“

Die Untersuchung zusammenfassend: „Es empfiehlt sich, die Studie als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zu Fragen der Impfquoten und ihrer regionalen Verteilung zu nehmen. Sie hält dazu noch Detaildaten zu Gemeinden, Lokation und Kennwerten impfender ÄrztInnen bereit, die dabei hilfreich sein könnten.“

AERZTE Steiermark 07-08/2019
 

Fotos: AdobeStock, Symbol

Grafiken: WAVM/Conclusio




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