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Hartinger-Klein: „Das würde ich“

Beate Hartinger-Klein zieht Bilanz als Sozial- und Gesundheitsministerin. Die Sozialversicherungsreform sieht sie als Fundament einer Gesundheitsreform.

Martin Novak

AERZTE Steiermark : Abseits der allgemeinen Politik, hat sich durch Ihre Tätigkeit als Ministerin Ihr Bild der Gesundheitspolitik verändert?

Beate Hartinger-Klein : Nein. Ich kenne das System ja nicht nur als Politikerin, sondern auch aus meiner Tätigkeit in der Sozialversicherung und natürlich aus der praktischen Erfahrung im Krankenhausmanagement der KAGes. Dadurch hat sich nichts verändert. Im Gegenteil: Die Erfahrung aus diesen Tätigkeiten war mein Vorteil. Ich konnte die Situation deswegen deutlich besser analysieren und Strategien erarbeiten.

Was waren die großen Projekte, die Ihnen in diesen 18 Monaten gelungen sind?

Das größte war natürlich die Sozialversicherungsreform. Die sehe ich als Fundament für eine Gesundheitsreform. Das heißt, wenn ich effiziente Strukturen schaffe, kann ich eine Leistungsharmonisierung im niedergelassenen Bereich zustande bringen – in Abstimmung mit den Primärversorgungszentren. Dadurch kann ich auch im stationären Bereich etwas bewegen. Das sind die Vorteile, die ich durch diese Reform sehe. Froh bin ich auch, dass die Lehrpraxis-Finanzierung und die Anstellung von Ärzten bei Ärzten verwirklicht werden konnten.

Um was tut es Ihnen leid?

Um die Novelle des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, die zwar final vorliegt, die wir aber nicht mehr in Begutachtung bringen konnten. Mir wären auch das Apothekergesetz und das Arzneimittelgesetz wichtig gewesen. Darum tut es mir leid.

Zwei Gebietskrankenkassen – Steiermark und Kärnten – prognostizieren ein deutlich positives Ergebnis für 2019. Sonderversicherungsträger (SVA, BVA, VAEB) rechnen mit roten Zahlen. Bringt ein österreichweiter Dachverband also tatsächlich eine höhere Effizienz?

Ja, absolut. Das hat ja auch die Effizienz-Studie der London School of Economics so analysiert. Demnach können pro Jahr 200 bis 300 Millionen Euro eingespart werden. Das ist ein Potenzial, das den Versicherten zur Verfügung gestellt werden muss, statt damit ineffiziente Strukturen zu finanzieren.

Sie haben das Thema Leistungsharmonisierung angesprochen. Bei den Heilbehelfen fand die schon statt. Das hat aber nicht für alle Vorteile gebracht. Warum soll das bei den ärztlichen Leistungen anders sein?

Mein Ansatz war immer: Zuerst müssen die medizinischen Leistungen, die Ärzte erbringen, analysiert werden. Die sind sehr uneinheitlich. Nicht alle bekommen, was notwendig ist. Aus meiner Sicht ist der Kassenarzt zu stärken. Derzeit müssen Kassenärzte auf Quantität setzen, um entsprechende Umsätze zu erreichen. Mir wäre es ein großes Anliegen gewesen, dass sie auf Qualität setzen können – ich hoffe, dass das auch so verwirklicht wird. Wichtig wären etwa die Senkung der Wartezeiten und mehr Zeit für das ärztliche Gespräch. Also, dass Ärzte so arbeiten können, wie sie es aufgrund ihrer Ausbildung gelernt haben.

Bräuchte man dafür nicht mehr Ärzte?

Nein, es gibt ja genug Ärzte.

Aber mehr Ärzte im Kassensystem …?

Ja, man braucht mehr Ärzte im Kassensystem. Viele sind ja Wahlärzte, weil sie sich das Kassensystem nicht antun wollen.

Die emotionale öffentliche Debatte um die Reform ist sehr stark von der Zahl der Funktionäre und Dienstautos geprägt gewesen. War das nicht eher eine Ablenkung vom eigentlichen Thema, die der Sache eher geschadet als genützt hat?

Das war politische Agitation, die nicht von mir gekommen ist und die ich auch ablehne. Natürlich geht es auch um Strukturen. Wenn ich die Organisation verkleinere, spare ich bei den Funktionären. Das wichtige Ziel ist es, die Effizienz aufzusetzen und die medizinischen Leistungen zu harmonisieren.

Ein Projekt, das nicht stattgefunden hat, war die Abgrenzung wissenschaftlich gesicherter von unwissenschaftlichen Methoden im Ärztegesetz. Warum ist das nicht gelungen?

Das war ein sehr kritisches Thema. Ich bin der Meinung, dass Ärzte die Methoden anwenden können sollen, für die sie ausgebildet wurden. Deswegen haben wir das Thema letztendlich herausgenommen. Wobei die Abgrenzung von der Kurpfuscherei ganz wichtig ist, aber da sind wir in Österreich rechtlich gottseidank ja schon bessergestellt als beispielsweise Deutschland.

Ein anderes sensibles Thema ist das Impfen. Nach den Masernausbrüchen der letzten Zeit gibt es verstärkt den Wunsch nach einer Impfpflicht, in welcher Form auch immer. Sie haben sich immer explizit dagegen ausgesprochen. Warum?

Erstens ist die Anzahl der Erkrankungen noch lange nicht so groß wie zum Beispiel 2015. Und damals gab es auch keine Diskussion um die Impfpflicht. Der zweite Punkt ist: Ich habe mit vielen Wissenschaftern gesprochen, auch mit Experten der Unicef. Demnach erreichen wir mit der Impfpflicht keine höhere Durchimpfungsrate. Das deckt sich auch mit den Empfehlungen der Bioethik-Kommission . Natürlich muss man bei den Gesundheitsberufen ganz besonders auf den Impfschutz schauen. Aber da wird ja darauf geachtet, dass neu eingestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Spitalsträgern eine Titer-Bestimmung haben.

Das ist aber nicht generell so?

Das stimmt. Aber bereits im Regierungsprogramm war das ‚Forcieren von Impfungen vor allem für Mitarbeiter im Gesundheitsbereich‘ gefordert. Es war auch ein Brief an die Ärztekammer in Vorbereitung, in dem diese aufgefordert wird, bei den niedergelassenen Ärzten, aber auch den Ordinationsmitarbeitern auch auf den Impfschutz zu achten. Ärzte haben Vorbildfunktion. Wenn Ärzte Eltern überzeugen, werden diese ihre Kinder auch impfen lassen. Aber das kostet Zeit und das ist das Problem. Mehr Aufklärung und Motivation ist das Ziel. Bei der ersten Impfung haben wir eine hohe Durchimpfungsrate, wir müssen also bei der zweiten ansetzen.

Ein anderes Thema ist die Nichtraucherregelung in der Gastronomie, die aufgehoben wurde. Ich hatte den Eindruck, diese Aufhebung war Ihnen kein besonderes Anliegen …

Das ist natürlich richtig. Ich habe immer gesagt, dass ich damit keine Freude habe. Auf der anderen Seite gibt es die Selbstbestimmung. Soweit es möglich war, habe ich Schutzmaßnahmen umgesetzt, etwa für Lehrlinge. Mehr war zu diesem Zeitpunkt nicht drinnen.

Der positive Nebeneffekt der Debatte war, dass es kaum mehr Lokale gibt, in denen geraucht werden darf – kann man das so sagen?

Ja, absolut. Das ist ja beim Impfen auch so. Durch die mediale Debatte ist das Bewusstsein stark gestiegen.

Ein Thema, das jetzt in der Steiermark, aber auch in Tirol sehr heftig debattiert wurde, ist die Zusammenlegung von Krankenhäusern bzw. von Abteilungen. Wie soll man da in Österreich weitertun?

Das Thema kenne ich schon seit vielen Jahren. Die Strukturen, davon bin ich überzeugt, müssen verändert werden. Die Frage ist nur, wo was gemacht wird. Da muss gesamtheitlich gedacht werden. Ich war ja auch im Aufsichtsrat der oberösterreichischen Spitalsgesellschaft Gespag, da gab es diese Diskussion ebenfalls. Man muss immer auch den niedergelassenen Bereich mitbedenken. Deswegen ist mir die Sozialversicherungsreform so wichtig. Wenn es die als Fundament gibt, kann darauf aufbauend die gesamte Gesundheitsreform stattfinden, damit auch die Schnittstellen zwischen niedergelassenem und stationärem Bereich zu Nahtstellen werden.

Würden Sie abseits aller allgemeinen politischen Debatten ein Sozial- und Gesundheitsministerium in dieser Form wieder leiten wollen?

Es kommt auf die Rahmenbedingungen, die Partner und das Regierungsprogramm an. Aber ja, das würde ich.

 

AERZTE Steiermark 06/2019

Foto: Gespag




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