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Pässe sammeln

... ohne Sammelpass. Ein steirisches Ärzte-Quartett radelt seit gut drei Jahrzehnten über diverse (Alpen-)Pässe, nach akribisch vorbereiteten Routen, einer im Windschatten des jeweils anderen. Ein Vertrauensbeweis, der Männerfreundschaft neu definiert.

U. Jungmeier-Scholz

Der Weg ist das Ziel – der Planung. Wenn MartinEckhardt, ChristophFaschinger, Michael Kern (alle drei Fachärzte für Augenheilkunde) und der Herzchirurg Heinrich Mächler eine ihrer speziellen Radtouren starten, wählen sie sehr sorgfältig vorbereitete Routen: Von Triumphbogen zu Triumphbogen (in Barcelona beziehungsweise Rom), entlang der Côte d´Azur immer an der meeresnahesten Straße oder durch Genua ausschließlich auf Einbahnen. Auch wenn die Gruppe dann plötzlich vor einer Stiege steht.

Selbst die Labung erfolgt nach strengen Regeln: „Wir trinken unseren Kaffee immer im Café Duomo“, erzählt Faschinger, der hauptberuflich als stellvertretender Vorstand der Grazer Universitätsaugenklinik arbeitet. Nebenberuflich verantwortet er die Tourenplanung und legt den anderen mit seinem schier unerschöpflichen Vorrat an Energie die Latte ziemlich hoch. Was diese jedoch zu schätzen wissen.

Quartett komplett

Zusammengefunden hat das Quartett nach und nach; „Kristallisationskeime“ waren Faschinger und Mächler. „Wir haben beide den Führungskräftekurs in Schladming besucht und ich habe unvorsichtigerweise erwähnt, dass ich auch Radrennen fahre“, erzählt Mächler. „Da hat Christoph vorgeschlagen, gleich auf den nächsten Berg zu radeln.“ Gesagt, getan. Die anderen beiden kannte Faschinger aufgrund ihrer Ausbildung an derselben Augenklinik schon länger. Auch sie radeln seit Jahrzehnten und machten schließlich das Quartett komplett. Eckhardt und Faschinger haben zudem gemeinsam die Hilfsorganisation für Graue-Star-Operationen „ Sehen ohne Grenzen“ gegründet, für die Michael Kern ebenfalls ehrenamtlich operiert.

„Begonnen hat unsere Radfreundschaft mit gemeinsamen Mountainbike-Ausfahrten“, berichtet Eckhardt. Er ist der Trendsetter der vier Biker – jedenfalls was die Ausstattung betrifft. Denn er war der erste in der Gruppe, der sich ein Rennrad gekauft hat. „Er wollte eigentlich nur einen neuen Schlauch für sein Mountainbike kaufen und hat gleich ein ganzes Rennrad genommen“, unkt Radlerkollege Faschinger. Letztlich sind auch die drei anderen umgestiegen. Aktuell hat Eckhardt ein Gravel Bike bestellt; abzuwarten bleibt, ob er auch damit die Avantgarde bilden wird. Womit er sich lediglich halb durchgesetzt hat, war der Umstieg auf das Motorrad – als schonende Variante nach einem Bandscheibenvorfall: Beim Motorradfahren leistet ihm nur Mächler Gesellschaft.

Vier Arten von Ehrgeiz

Gesundheitsbedingt sanftere Strecken zu befahren, kommt (noch) nicht in Frage. Und E-Bikes bezeichnen sie als „letzte Stufe“. Wobei mitschwingt: „vor dem Grab“. Ganz so abwegig wäre die technische Aufrüstung nicht, da die agilen Rund-um-die-Sechziger auf ihren Fahrten „Pässe sammeln“, wobei grundsätzlich jeder nur einmal befahren wird, allenfalls ein zweites Mal von der anderen Seite. Dabei füllen sie keinen Sammelpass, sondern suchen sich einfach attraktive Strecken – mit bevorzugt weniger bekannten und selten befahrenen Pässen.

Der höchste war der Col de la Bonette, Grenzpass zwischen den französischen Départements Alpes maritimes und Alpes-de-Haute-Provence. Schön, aber nicht ganz so unbekannt: das Stilfser Joch in Südtirol. Kern, seit Kurzem Medizinalrad – nein, doch -rat – nennt den Passo di Giau nahe Cortina d´Ampezzo als Favoriten und Eckhardt fällt sofort der Monte Zoncolan im Friaul ein – als „selten und gemein – besser: selten gemein“. „Wer größer ist und mehr Gewicht hat, tut sich bei den Steigungen schwerer“, trösten ihn die anderen. Und fügen hinzu: „Die Leichteren kämpfen dafür in der Ebene bei Gegenwind.“

In einer Hinsicht sind sich alle einig: „Der Michael ist der Zäheste von uns.“ Der Zurückhaltendste vermutlich auch. Beim Radeln läuft er zur Höchstform auf, wenn er schon seit Stunden fährt, die Sonne gnadenlos vom Himmel brennt und es bergauf geht. Auf die Frage, wer der Ehrgeizigste von ihnen sei, antwortet Eckhardt wie aus der Pistole geschossen: „Der Christoph.“ Der Genannte hingegen übt sich in Diplomatie: „Das ist bei uns ganz ausgewogen. Jeder hat eine andere Art von Ehrgeiz.“

Vertrautheit und Vertrauen

Verfolgt man das Gespräch der eingeschworenen Passbezwinger, so versteht man, warum sie behaupten, nie miteinander zu streiten (was sofort von Mächler dementiert wird, der von einer Mediation an einer Straßenkreuzung zu berichten weiß). Aber im Großen und Ganzen sind sie Musterbeispiele für Rücksichtnahme. Und ein Team, das nicht nur auf Vertrautheit, sondern auch auf Vertrauen basiert. Wenn man jeweils im Windschatten des anderen fährt, auf geringstem Abstand, den Blick auf das Hinterrad des Vordermannes gesenkt, muss man ihm vertrauen. Stürzt der Erste, wird es auch für die anderen gefährlich. Oder wenn der Erste unerwartet bremst, um eine Blume zu fotografieren, wie Mächler mit einem Seitenblick auf Faschinger grinsend hinzufügt. „Aber wir sind ja Ärzte und haben ein schnelles Reaktionsvermögen“, lautet dessen Replik. In den gut drei Jahrzehnten mussten sie nur einen einzigen Unfall mit Personenschaden hinnehmen. Zumindest war die schnellstmögliche ärztliche Versorgung gewährleistet. „Heini hat immer zwei Trikots übereinander an, damit er uns mit dem zweiten notfalls den Oberschenkel abbinden kann“, witzelt Faschinger. Ansonsten reden die vier prinzipiell nicht über medizinische Themen; einzige Ausnahme: Vom Herzchirurgen haben sie alles über ihr Herzminutenvolumen gelernt.

Schlaf als Amuse-Gueule

Rückblickend erinnern sich die vier nicht daran, dass es auf ihren Touren jemals geregnet hätte – als verfügten sie über eine besondere Verbindung nach oben. Nicht so direkt erfolgt die abendliche Suche nach einem Restaurant. Oft gehen sie kilometerweit, um den kulinarischen Ansprüchen aller gerecht zu werden: Eckhardt bevorzugt leichte Küche, Faschinger muss keine Austern haben …
An der französisch-spanischen Grenze wurden sie vom Personal eines Nobelrestaurants ignoriert – wegen ihres Sport-Outfits. Gerne erzählen sie von einem Restaurant, in dem alle vier zwischen der Bestellung und dem Erhalt der Speisen eingeschlafen sind. Erst das Klirren der Teller hat sie geweckt. Schließlich fahren sie pro Tag mindestens 200 Kilometer und diese, aufgrund ihrer Passion für Pässe, großteils bergauf. Kommunikatives Geschick erfordert das Einchecken im Hotel: „Als man uns auf Sizilien verboten hat, die Räder mit aufs Zimmer zu nehmen, habe ich gefragt, ob sie es Marco Pantani erlaubt hätten“, erzählt Mächler. Und was die Hoteliers ihrem Radrenn-Nationalhelden zugestanden hätten, haben sich die vier Steirer dann auch herausgenommen.

Individualität bleibt

So gut die vier generell harmonieren, so uneins sind sie beim (für Straßenradler enorm wichtigen) Thema Beinrasur. Um die anderen dazu zu motivieren, haben sich Faschinger und Mächler einmal jeweils nur ein Bein rasiert. „Wir wollten schauen, wann es den anderen auffällt.“ Ihre Erklärungen zu den Vorteilen der Rasur unterstreicht, wie individuell sie trotz ihrer gemeinsamen Reisen geblieben sind: „Grund ist die Optik. Mit Wolle an den Beinen sieht man nicht gut aus“, so Mächler. „Weniger Windwiderstand und der Schweiß kann besser abrinnen“, argumentiert Eckhardt. „Im Falle einer Verletzung funktioniert die Wundheilung besser“, kontert Faschinger. Kern schweigt. Die heurige Tour wird die vier Herren nach Südtirol und in die Schweiz führen. Mehr wissen sie noch nicht – schließlich begeben sie sich vertrauensvoll in Faschingers Hände. Und der nennt ganz trocken die radlerischen Ziele, die sich die Truppe noch vorgenommen hat: „Einfach den Rest der Pässe.“
 

AERZTE Steiermark 05/2019

Fotos: beigestellt




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