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Steirische Telemedizin: von Herzinsuffizienz bis Psoriasis

Mürztaler Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz, Diabetes und Hypertonie, die an einem Pilotprojekt teilnehmen, werden zusätzlich telemedizinisch betreut. Auch die steirische Teledermatologie formiert sich.

U. Jungmeier-Scholz

Schock, Verleugnung und Hilflosigkeit – wenn Menschen erfahren, dass sie an einer chronischen Erkrankung leiden, brauchen viele gerade in der ersten Zeit eine engmaschige Betreuung. Im Rahmen eines im April 2017 gestarteten Pilotprojekts wurden daher schon 110 Mürztalerinnen und Mürztaler zusätzlich telemedizinisch betreut; 21 obersteirische ÄrztInnen machen mit.

Im Rahmen des Projekts, das noch bis Ende des Jahres läuft, senden ausgewählte PatientInnen mit den drei Indikationen Herzinsuffizienz (Programm HerzMobil Steiermark – nach dem Tiroler Vorbild), Diabetes (DiabMemory)

sowie Hypertonie (CardioMemory) täglich die vereinbarten Messwerte an ihren Arzt oder ihre Ärztin und bekommen einmal wöchentlich ein Feedback. DiabetikerInnen und HypertonikerInnen wenden sich an ihre niedergelassenen ÄrztInnen; Herzinsuffizienz-PatientInnen an das LKH Hochsteiermark (Standort Bruck). Finanziert wird das Projekt vom Gesundheitsfonds; die Arzthonorare übernimmt die jeweilige Sozialversicherung.

Aufbereitete Daten

Für das technische Projektdesign und die Datenaufbereitung zeichnet die Einheit „ Digital Health Information Systems “ des Austrian Institute of Technology AIT verantwortlich. „Der teilnehmende Arzt erhält hochaggregierte Daten in Diagrammen, die die Verläufe gut sichtbar machen“, erklärt Werner Bogendorfer, Direktor der VAEB, die für ihre Versicherten schon seit 2010 ein Telemonitoring-Programm in Kooperation mit dem AIT anbietet. Die Datenübertragung verläuft automatisch über das Handy an den Server; händisch wird die aktuelle Befindlichkeit eingegeben. „Damit erhalte ich als Arzt nicht nur objektive Werte, sondern auch den subjektiven Parameter des Wohlbefindens“, erläutert der Mürzzuschlager Internist und Diabetes-Experte Alfred Graf-Althon. Er betreut derzeit 18 PatientInnen telemedizinisch und schätzt, dass er für die Feedbacks wöchentlich rund eineinhalb Stunden aufwendet. „Problematisch ist, dass es bei diesem Projekt noch keine klare Regelung gibt, wer den behandelnden Arzt beispielsweise im Urlaub vertritt“, gibt Ärztekammer-Vizepräsident Dietmar Bayer zu bedenken. „Da sitzt dann der Arzt mit dem iPad im Hotelzimmer und gibt die vereinbarten Feedbacks.“

Fülle mit Mehrwert?

Bayer kritisiert auch, dass es bei dem Mürztaler Pilotprojekt lediglich zu einer digitalen Transformation käme, also bisher mündlich erhobene Informationen digital zugänglich gemacht würden. Graf-Althon hingegen schätzt den Gesamtblick auf die Datenfülle: „Sehe ich beispielsweise in mehreren Blutzucker-Tagesprofilen, dass vor allem die morgendlichen Zuckerwerte zu hoch sind, empfehle ich ein früheres und kohlenhydratarmes Abendessen.“

PatientInnen mit Bluthochdruck senden in der Intensivphase mindestens zweimal täglich ihre Vitaldaten wie Blutdruck, Puls, Wohlbefinden, Medikation und ihre zurückgelegten Schritte. Wer aufgrund seiner Herzinsuffizienz in das Projekt HerzMobil aufgenommen wurde, das mittlerweile auch auf Leoben ausgedehnt wurde, erfasst regelmäßig Körpergewicht, Blutdruck, Puls und subjektives Befinden. Abweichungen von den – ärztlich definierten – Zielwerten werden rasch erkannt. Dann wird sofort geklärt, ob die Gewichtszunahme bei einem Herzinsuffizienz-Patienten eine Verschlechterung des Zustands anzeigt oder aus dem Geburtstagsessen am Vortag resultiert.

Notfälle vermeiden

Für Notfälle ist das Programm nicht gedacht – da ist die Notrufnummer zu wählen. Der Sinn liegt darin, durch konsequentes Monitoring Notfälle zu vermeiden.

Noch sind die drei Behandlungspfade der Mürztaler Telegesundheitsdienste nicht abschließend evaluiert. „Den mündlichen Rückmeldungen der Ärzte entnehmen wir aber, dass vermutlich 30 bis 40 Prozent jener telemedizinisch betreuten Patienten, die an Herzinsuffizienz leiden, durch das Programm ,HerzMobil‘ eine Wiederaufnahme erspart werden konnte. Diese Zahlen entsprechen auch den Erfahrungen mit derartigen Programmen in Deutschland“, sagt Werner Leodolter, Informations- und Prozessmanagement-Verantwortlicher der KAGes.

Was Internist Graf-Althon an DiabMemory schätzt: „Die meisten Patienten gewinnen durch die vielen zusätzlichen Arztkontakte ein Gefühl von Sicherheit.“ Einen Verbesserungswunsch hätte er allerdings noch: die Verknüpfung des Systems mit der Ordinationssoftware – zur Vereinfachung der Dokumentation.

Asynchron kommunizieren

„Ein Vorteil der Telemedizin ist die asynchrone Kommunikation“, erklärt Peter Kastner vom AIT. „Der Arzt bearbeitet die Daten dann, wenn er Zeit dafür hat.“ Auf dieser Basis fußen auch die steirischen Vorstöße teledermatologischer Betreuung: Angeboten werden über die edermConsult, ein Spin-off der Grazer Meduni, sowohl virtuelle Sprechstunden via Internetplattform doctor2patient als auch ein Konsiliardienst für ÄrztInnen des UKH Kalwang. In beiden Fällen wird eine Antwort lediglich innerhalb von zwei Tagen garantiert, dafür kann die Anfrage zeit- und ortsunabhängig gestellt werden. Das bringt Vorteile für verschiedene Patientengruppen, wie Edith Arzberger von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie am Grazer Klinikum aufzählt: Chronisch Kranke müssen nicht so oft während der Arbeitszeit zu Kontrollterminen, langfristige Therapiekontrollen verbrauchen weniger Zeit, in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen lassen sich leichter medizinisch versorgen und postoperative Wundkontrollen erfolgen ohne weite Anreise. Auch Allgemeinmediziner und Fachärztinnen anderer Disziplinen können auf Arzbergers Service zugreifen.

Ein- bis zweimal monatlich erreicht sie zudem eine Anfrage aus dem UKH Kalwang, um eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Über die Homepage der edermConsult wird via https-Verbindung Kontakt aufgenommen – eine möglichst konkrete Frage, auf Basis beigelegter Fotos und Befunde. Arzberger wird dann via SMS darauf aufmerksam gemacht. Patientinnen und Patienten nutzen die virtuelle Sprechstunde gerne, nachdem sie bereits einmal persönlichen Kontakt zur Teledermatologin Arzberger gehabt haben. Bezahlt wird bei Einzelpatienten vorab mittels Kreditkarte oder Paypal.

Organisatorisch in den Kinderschuhen

Viele organisatorische Fragen sind in puncto Telemedizin noch offen. Aus ebendiesem Grund ist auch ein bereits ausgearbeitetes Hausarzt-zu-Hautarzt-Konzept zum Einholen einer second opinion noch nicht angelaufen: Weder gibt es eine stabile Rechtsgrundlage, noch ist die Finanzierung geklärt. Auch die Teledermatologie über doctor2patient ist mit drei bis vier Anfragen pro Monat noch nicht voll etabliert. So lässt sich auch nicht prognostizieren, ob und in welcher Form die Mürztaler telemedizinischen Behandlungspfade in die Regelversorgung übernommen werden. „Aus meiner Sicht liegt die Wahrscheinlichkeit deutlich über 50 Prozent, dass HerzMobil weitergeführt wird“, sagt Leodolter von der KAGes. „Es wird wohl in der Herbstsitzung der Plattform auf Basis der Evaluierungen entschieden werden, ob das Programm weiterläuft“, erklärt die Projektleiterin für alle drei Behandlungspfade, Silke Mayer von der GKK Steiermark. „Technisch wäre es jedenfalls kein Problem, die Programme auf die ganze Steiermark auszudehnen“, heißt es vonseiten der AIT.

 

AERZTE Steiermark Juli-August 2018

 

Fotos: Fotolia

Symbolbild 1
 



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