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AERZTE Steiermark 07-08/2017

Das tut weh

Weniger Spitalsbetten, weniger Allgemeinmedizin, mehr Menschen. Der steirische Gesundheitsplan 2025 verspricht eine bessere Gesundheitsversorgung, ist aber tatsächlich ein Schrumpfprogramm.

Martin Novak

Vorerst ist kein neuer RSG geplant. Der bestehende ist ja auf das Jahr 2020 ausgelegt. So sieht man die Lage in Kärnten.

Anders in der Steiermark: Hier wurde der Regionale Strukturplan 2025 präsentiert und veröffentlicht, noch bevor der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG ) beschlossen war. Und der RSG Steiermark wurde nach offizieller Diktion auch in der Landeszielsteuerungskommission „beschlossen“, obwohl noch rechtliche Grundlagen dafür fehlen.

Soweit, so seltsam. Da dieser RSG aber politische – wenn auch nicht rechtliche – Realität ist, muss er genau betrachtet werden.

Augenfällig sind die geplanten Veränderungen im Spitalsbereich. Es geht um Betten und um Standorte: Ausgehend von 6.792 vollstationären und Tagesklinik-Betten als Ist-Stand 2014 ist bis 2025 eine Reduktion um 811 Betten vorgesehen. Wobei die Reduktion um 950 vollstationäre Betten durch eine Steigerung um 139 Tagesklinik-Betten statistisch etwas gemildert wird.

Im extramuralen Bereich gilt insgesamt gesehen das Prinzip Stagnation: Aus 614 §2-Kassenstellen im Jahr 2014 sollen bis 2025 522 Einzelplanstellungen und 30 Primärversorgungseinheiten mit durchschnittlich rund 3 Ärzten werden. 522 plus rund 90 Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner also, was etwa 612 ergibt. „Primärversorgungseinrichtungen sind keineswegs als additive Struktur zu verstehen“, heißt es klar im RSG.

Etwas schwieriger ist der Vergleich bei den Fachärztinnen und -ärzten, weil Wahlärztinnen und Wahlärzte zwar 2014 als „Standardversorgungseinheiten“ (SVE) ausgewiesen sind, aber nicht 2025. Grosso modo heißt es also auch hier: Die Versorgungsquantitäten verändern sich kaum.

Strukturell werden die Spitalsbetten 2025 laut Planung an weniger Standorten stehen.

Im Großraum Graz trifft es in vollem Umfang nur das LKH Hörgas. Dort werden aus 84 stationären Betten 4 Tagesklinik- und ambulante Behandlungsplätze. Das Krankenhaus im klassischen Sinn wird es dann nicht mehr geben.

Im Bezirk Liezen (Versorgungsregion 62) sind das Krankenhaus Schladming sowie das LKH Rottenmann-Bad Aussee betroffen. Sie sollen durch ein Krankenhaus Ennstal ersetzt werden, über dessen Standort an einem noch nicht bekannten Platz rund um Schloss Trautenfels viel spekuliert wird.

Zusammengefasst bedeutet das eine Reduktion der Spitalsbetten für die Steiermark einschließlich Tagesklinik um rund 12 Prozent und der vollstationären Betten um 14 Prozent. Veränderungen durch die Entwicklung der Medizin sind durchaus begründbar. Kürzere Spitalsaufenthalte und größere Einheiten machen strukturelle Veränderungen plausibel. Versorgungsqualität (und auch -quantität) lassen sich nicht nur in Spitalsbetten messen. Oder, wie es Gesundheitslandesrat Christopher Drexler im Landtag sagt: „Das Spitalsbett ist nicht mehr der Urmeter der Versorgung.“

Der Reduktion von Spitalsbetten bei gleichzeitiger Stagnation der Kassenmedizin stehen aber Entwicklungen entgegen, die eine Steigerung des Versorgungsbedarfs erwarten lassen.

Die Zahl der Kassenstellen ist schon seit Längerem annähernd unverändert. Auf eine kassenärztliche Stelle kommen heute rund 100 Patienten mehr als vor einem Jahrzehnt. Und die Bevölkerungszahl wird weiter steigen, um 2,7 Prozent von 2015 bis 2030. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter in den nächsten Jahrzehnten stark – je nach Region um 4 bis 6 Jahre.

Zwischen den regionalen Planungen (bezogen auf die Spitalsbetten und extramurale Versorgung) und den regionalen Bevölkerungsprognosen sollte man einen nachvollziehbaren Zusammenhang erwarten. Aber ist der wirklich erkennbar?

In der Region Graz (Graz und GU) wird die Wohnbevölkerung bis 2030 um knapp 15 Prozent zunehmen. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Spitalsbetten um knapp 12 Prozent und auch die Zahl der allgemeinmedizinischen Stellen in Einzelpraxen und Zentren* um 1,2 Prozent.

In der Region Liezen geht die Zahl der Spitalsbetten um 27 Prozent und die der Allgemeinmedizin-Stellen (immer einschließlich jener in Primärversorgungseinheiten*) um knapp 16 Prozent zurück. Die Bevölkerungszahlen sinken ebenfalls, aber nur um 1,6 Prozent.

In der Östlichen Obersteiermark (Leoben und Bruck-Mürzzuschlag) soll die Bevölkerungszahl stärker, nämlich um knapp 2,7 Prozent, sinken. Die Zahl der Spitalsbetten wird aber laut RSG 2025 weniger stark sinken als in Liezen, nämlich um rund 11 Prozent. Die der Allgemeinmedizin-Planstellen soll sogar um 4 Prozent steigen.

Je nach Region (siehe Tabelle) sollen zwischen 152 und 506 Menschen auf ein Spitalsbett kommen und 1.607 bis 2.875 Menschen auf eine Allgemeinmedizin-Stelle, die als Einzelpraxis oder als Teil einer Primärversorgungseinheit ausgewiesen sein kann. Auch wenn die Grenzen zwischen den Versorgungsregionen überwindbar sind, ist die Größe der Unterschiede doch verblüffend.

Bezogen auf die gesamte Steiermark kommt es aber jedenfalls zu einer Schrumpfung des öffentlich finanzierten Angebots.

Im fachärztlichen Bereich sind nur geringfügige Verschiebungen geplant. Aber offensichtlich sollen Fachärzte dazu dienen, jene Regionen zu beruhigen, die ihre Spitäler laut Planung verlieren werden, indem aus den Krankenhäusern mit Betten „Facharztzentren“ werden, die Harald Gaugg, der ehemalige Gesundheitsfonds-Geschäftsführer und Mastermind der aktuellen Planung, als „Spitäler ohne Betten“ bezeichnet hatte.

Spitäler ohne Betten

Im RSG heißt es dazu: „In den Facharztzentren, die in diesem RSG-St 2025 standortspezifisch mit unterschiedlichem Fächerspektrum ausgewiesen sind (Hörgas, Rottenmann), kann es je nach Standort sinnvoll sein, niedergelassene Fachärzte und Fachärztinnen mit §2-Kassenvertrag aus der näheren Umgebung zur freiwilligen Übersiedelung der Ordination unter Beibehaltung des Vertrags zur gemeinsamen Nutzung der Infrastruktur und zur Bündelung des Fachangebots in das Facharztzentrum einzuladen. In Bad Aussee soll ein Facharztzentrum eingerichtet werden, indem Fachärztinnen und Fachärzte der Region mit bestehenden §2-Kassenverträgen eingeladen werden sollen, ein solches, idealerweise unter Nutzung der bestehenden baulichen Struktur des derzeitigen Krankenhauses unter Beibehaltung der bestehenden Verträge zu bilden.“

Im RSG, so wie er Mitte Juni präsentiert wurde, wird von einer „Stärkung der Primärversorgung“ gesprochen. Außer, dass rund 90 allgemeinmedizinische Kassenplanstellen als „Standardversorgungseinheiten“ (SVE; diesen Begriff gibt es tatsächlich) von Einzelplanstellen in Zentren verlagert werden sollen, ändert sich aber nichts. Proponenten der Konzeption argumentieren mit der höheren Effizienz, die durch die Zusammenarbeit entsteht. Wie sie entstehen soll, wenn bereits jetzt Kassenärztinnen und -ärzte hocheffizient arbeiten, verraten sie aber nicht.

Ein weiteres Argument ist, dass nichtärztliche Gesundheitsberufe Aufgaben übernehmen sollen, die bisher Ärztinnen und Ärzte ausgeübt haben. Tatsächliche Zahlen, wie viele „Gemeindeschwestern“ o. Ä. an die Stelle von Ärztinnen und Ärzten treten könnten, gibt es aber auch nicht. Aber die Debatte über den Pflegenotstand.

Andere therapeutische Gesundheitsberufe werden nicht nur durch den Mangel an Zusammenarbeit gehemmt, sondern durch kassenmedizinische Kontingente – hier gibt es keine Diskussion über eine Lockerung. Bei den ersten Primärversorgungseinheiten hat der Gesundheitsfonds mit größeren Pauschalzahlungen die Finanzierung dieser Leistungen gewährleistet. Dass er das für 30 Zentren tun wird, ist aber nicht wahrscheinlich, weil es schlicht am Geld fehlt.

In einem Kommentar in der Kleinen Zeitung hatte der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner das Dilemma aufgezeigt: „Mehr ambulant, weniger Spital. Das erklärte Ziel der steirischen Gesundheitsreform stimmt schon. Auch dass die Krankenhauslandschaft verdichtet wird und es weniger Standorte geben soll, ist stimmig. Für die Patientinnen und Patienten genauso wie für die Ärztinnen und Ärzte. Aber: Wenn mehr als 800 Spitalsbetten wegfallen, dann muss der extramurale Bereich stärker werden. Zumal schon seit mehr als einem Jahrzehnt die Bevölkerungszahl wächst, die Zahl der Kassenarztstellen aber gleich bleibt. Genau das ist aber nicht der Fall. Rund 990 Kassenvertragsärztinnen und -ärzte – großteils in Einzelpraxen, teils auch in Gruppenpraxen bzw. Gesundheitszentren – sollen in 10, 15 Jahren nicht nur mehr, sondern im Schnitt auch weit ältere Steirerinnen und Steirer betreuen. Das geht sich nicht aus. Das kann die Politik als Sparprogramm verkaufen, aber nicht als mehr Nähe und bessere Qualität.“

Pragmatischer Hoffnungsschimmer: Während die Sozialversicherungsmedizin schrumpft, steigen die Wahlarztzahlen und die Zahlen anderer Wahltherapeutinnen und -therapeuten. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen bereit, sich das privat zu leisten, was ihnen das Sozialversicherungssystem nicht mehr bietet – wenn sie können. Politikerinnen und Politiker prangern diesen Effekt gerne als Zwei-Klassenmedizin an …

*Ärztezahlen in Primärversorgungseinheiten werden in der Planung nicht detailliert ausgewiesen. Es wird aber laut Planung mit durchschnittlich 3 Stellen pro Primärversorgungseinheit kalkuliert.

Foto: Shutterstock, KAGes, Freisinger




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