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Vernetzung ist eine Riesenchance

In der steirischen Plattform Gesundheitswirtschaft soll durch den Blick über den Tellerrand aus einzelnen Initiativen Größeres entstehen. Ein Gespräch mit dem Initiator und Wirtschaftskammer-Vizepräsidenten Andreas Herz.

Martin Novak

Gesundheitswirtschaft ist ja keine ganz neue Idee. Auf österreichischer Ebene hat die Wirtschaftskammer 2012 eine Plattform gegründet …
Herz: Das stimmt, aber sie ist anders aufgestellt. Das ist eine Plattform in der Wirtschaftskammer. Das war aber nie meine Idee. Eine Plattform in der Kammer ist relativ einfach, bei unserer Plattform sind aber wirklich die Stakeholder dabei. Nur das ist aus meiner Sicht sinnvoll.

In AERZTE Steiermark ist 2012 ein Kommentar erschienen, in dem darauf hingewiesen wurde, dass andere Länder das Potenzial von Gesundheitswirtschaft und Medizintourismus schon längst nutzen, international gesehen sind wir also eher spät dran …
Herz: International betrachtet sind wir hintennach …

Wie können wir aufholen?
Herz: Letztes Jahr war ich beim Europäischen Gesundheitskongress in München, dort sind Projekte präsentiert worden. Dort ist auch eine solche Wirtschaftsplattform mit sämtlichen Stakeholdern präsentiert worden. Ich habe mir gedacht, dass wir so etwas in Österreich und der Steiermark auch brauchen könnten. Daraus ist die Idee entstanden, diese Plattform zu gründen. Jetzt geht es darum klarzumachen, was wir alle wissen: dass der Gesundheitsmarkt nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch eine Zukunftschance ist – für alle Bereiche. Sich auf höchster Ebene zu vernetzten und Projekte voranzutreiben bzw. auch nur sichtbar zu machen – es gibt ja in der Steiermark schon ganz tolle Initiativen –, das ist das ursprüngliche Anliegen.

Kostenfaktor und Zukunftschance – wie bringt man diese beiden Pole unter einen Hut?
Herz: Es geht mir nicht darum alles wegzubekommen, was Kosten verursacht …

Kosten verursacht ja alles, es geht eher darum, wer es bezahlt …
Herz: Ich habe ja selbst lange gegen Krebs gekämpft und durfte bzw. musste unser System bis in die Tiefe kennenlernen. Und ich schätze es auch sehr. Ich glaube, wir brauchen eine Weiterentwicklung, damit wir dieses gute System unseren Menschen weiter zur Verfügung stellen können. Da bedarf es einer riesigen Weiterentwicklung hin zu einem modernen System. Da muss man zum Beispiel schauen, welche Chancen in der Digitalisierung liegen, welche Chancen insgesamt in der Entwicklung liegen, die wir gerade erleben. Dass dadurch wahrscheinlich Kosten wegfallen werden, ist meines Erachtens selbsterklärend. Man muss aber vorsichtig sein: Es wird durch die neuen Möglichkeiten in der Medizin – der Fortschritt ist ja rasant – nicht billiger werden. Gute Medizin wird immer Geld kosten. Die Frage ist, ob wir sie uns in Zukunft noch leisten können, wenn wir das System so belassen, wie es jetzt ist. Das glaube ich nicht. Ich war bei der steirischen Delegationsreise nach China dabei. Wenn man sieht, wie in China, vor allem in Hong Kong, das Gesundheitswesen aufgestellt ist, muss man froh sein, dass man in Österreich lebt. Sobald man dort chronisch krank wird, hat man ein Problem. Aber sensationell ist die Prävention. Im präventiven Bereich endlich Geld in die Hand zu nehmen und die Prävention zu fördern, dem Menschen die Eigenverantwortung zurückzugeben, das ist mir ganz wichtig. Jeder Einzelne ist für seine Gesundheit mitverantwortlich. Wir haben zu einem Stück weit immer so getan, als ob für die Gesundheit nur der Arzt zuständig wäre. Ich sage: Er bzw. sie ist als Fachmann und Fachfrau zuständig, aber als Mensch bin ich mitverantwortlich. Da können wir von anderen Ländern viel lernen.

Wo liegen konkret die Chancen der Steiermark?
Herz: Wir haben in der Steiermark tolle Regionen, wo man nie Industrie hinbringen wird, wo das vielleicht gar nicht sinnvoll ist. Wo man aber gute Erholungszentren hinbringen kann. Wir wissen, dass Stress und Burnout zunehmen. Wir haben, glaube ich, eines der besten medizinischen Systeme der Welt, das kann ich auch aus eigener Erfahrung sagen. Warum nutzen wir das nicht und bieten es Menschen aus anderen Ländern an? Wien zum Beispiel macht das schon. Das können wir in der Steiermark genauso. Dafür gehören Rahmenbedingungen verändert, das weiß ich, aber die Idee der Plattform ist es, diese Dinge auch auf dieser Ebene zu diskutieren. Wenn alle Stakeholder drinnensitzen, und das ist ja so, dann muss es möglich sein.

Die Steiermark hat historisch einen exzellenten medizinischen Ruf im Ausland, getragen von einzelnen Personen. Hier scheint es in letzter Zeit stiller geworden zu sein. Warum?
Herz: Es gibt wahrscheinlich von den verschiedenen Vertretern verschiedene Ideen dazu. Man sollte diese Themen aber zumindest diskutieren. Das ist der Zweck dieser Plattform. Da soll man auch ideologische Barrieren hinterfragen, falls es welche gibt. Vielleicht muss man das System neu aufstellen. Wir müssen auch einen anderen Umgang miteinander finden, um uns weiterzuentwickeln. Wir müssen über den Tellerrand ein Stück weit hinausschauen. Eigene Positionen dürfen schon sein, sie müssen aber reflektiert werden. Wenn etwas der gesamten Weiterentwicklung dient, muss man sich anstrengen, dass es auch umgesetzt wird.

Löst die Technik alle unsere Probleme?
Herz: In Shanghai haben wir ein Pflegeheim angeschaut, da kann jemand sämtliche Daten aller Bewohner der Pflegeheime der Umgebung am Computer abrufen. Da bin ich froh, dass wir bei uns leben, weil ich möchte nicht, dass der Staat alle meine Daten besitzt. Das ist ein Extrem. Das andere Extrem ist, dass wir darüber diskutieren, ob auf die e-Card ein Foto draufkommen soll. Oder: Du gehst am Klinikum bei einer Abteilung hinaus, überquerst die Straße und gehst in das nächste Haus hinein. Dort will jemand einen Ultraschall machen. Wenn ich dann sage, da gibt es schon einen, dann haben die ihn nicht. Datenschutz ist wichtig. Wenn wir aber alle Smartphones verwenden – und Menschen bereit sind, einem Konzern in den USA alle Daten zu geben –, dann glaube ich nicht, dass die Menschen nicht auch bereit sind, ihrem Hausarzt, der sie perfekt begleitet, auch alle Informationen zu geben. Warum soll der nicht alles sehen? Man muss den Leuten die Angst nehmen, dass jeder alles sieht. Das kann man heute ganz gut regeln.

Gesundheitswirtschaft ist ein breites Feld, von der Krankenversorgung über die Wellness und den Tourismus über die Produktion bis zur Forschung. Kann die Plattform alle diese Bereiche verzahnen?
Herz: Das glaube ich schon. Die Plattform wird das schaffen. Ich weiß aber auch, dass wir nicht in zwei Monaten ein komplettes System hochfahren können. Aber Sie haben natürlich Recht, die Gesundheitswirtschaft ist ein breites Feld. Da sind auch Bereiche dabei, die wir noch gar nicht dazuzählen. Denken wir zum Beispiel an das „assisted living“, wie ältere Menschen in Zukunft zu Hause wohnen. Da wird viel Technik kommen, das wissen wir jetzt schon. Sie wird von den Menschen auch genutzt und installiert werden, weil sie das Leben erleichtert. Da habe ich dann sogar den Elektriker dabei, der die Technik installiert.

Wir schauen nicht weit genug?
Herz: Es ist eine Riesenchance, sich zu vernetzen. Es gibt jetzt schon tolle Projekte,  zum Beispiel an den Universitäten – denken Sie an den Humantechnologie-Cluster –, nur sind sie kaum sichtbar. Wir schauen sehr oft nach außen und erkennen gar nicht, dass wir auch gute Institutionen haben. Es ist wichtig, das Thema Gesundheit und Gesundheitswirtschaft an die Oberfläche zu holen und sichtbar zu machen. Das wird die Plattform machen.

Und was wird die Plattform nicht machen?
Herz: Die Plattform übernimmt kein Projekt. Das kann sie gar nicht. Es gibt weder die Mitarbeiter noch das Know-how.
Die Plattform macht Projekte sichtbar. Dann kann ein anderes Mitglied der Plattform sagen, das ist eine gute Geschichte, da möchte ich andocken und mitmachen. Das Projekt bleibt aber natürlich bei dem, der es betreibt. Anders ist es gar nicht möglich.

Stichwort Projekte, Stichwort ältere Menschen: Eines der Projekte, mit dem sich die Plattform befasst, ist ‚Healthier Aging‘, wo die Steiermark als einzige in Österreich eine der 74 zertifizierten Regionen in Europa ist. Das wissen aber nur wenige …
Herz: Das meine ich. Kaum jemand weiß das. Das finde ich schade. Wir als Steiermark sind eine der Vorzeigeregionen in Europa, als einzige in Österreich. Das muss man unseren Leuten doch sagen. Das muss man dem Bürger draußen sagen. Das noch mit der gesamten Wirtschaft zu vernetzen, bis hin zum Konsumenten, das ist zielführend. Das wird durch die Plattform sichtbar: Wie viele einzelne Projekte und gute Initiativen der Stakeholder es gibt, die vernetzt werden sollten, von der Universität bis zum Konsumenten. Nur eine gute Idee zu haben genügt nicht, sie muss auch den Anwender erreichen.

Schauen wir zu sehr immer nur auf einen Punkt und ignorieren wir Auswirkungen in anderen Bereichen? Gesundheitsversorgung ist ein Kostenfaktor, aber auch ein Standortfaktor. Medizinische Betreuung zu Tagesrandzeiten hilft den Arbeitgebern, weil die Mitarbeiter nicht unter Tags weg sind. Die Vermeidung von Krankenstandstagen nutzt auch der Wirtschaft. Jeder sieht aber immer nur betriebswirtschaftlich sein eigenes Konto, nicht den volkswirtschaftlichen und menschlichen Gesamtnutzen. Kann eine Plattform helfen, das zu ändern?
Herz: Das glaube ich, weil die Dinge sichtbar werden. Und weil auch dazukommt, dass man nicht so leicht sagen kann, dafür bin ich nicht zuständig. Das stimmt ja nicht. Am Ende des Tages zahlen wir alle unser Gesundheitswesen. Also sind wir auch alle dafür zuständig uns zu überlegen, wie wir zum Beispiel dem Land behilflich sein könnten, ein System aufzustellen, das auch langfristig finanzierbar ist und für den Patienten und Kunden den Stellenwert hat, den wir brauchen. Aus Unternehmenssicht sage ich: Eine gute Idee ist eine gute Idee, gleich woher sie kommt. Wenn sie uns weiterbringt, sollten wir alles dafür tun, um diese Idee umzusetzen.
Wenn wir versuchen, ideologische Schranken ein Stück zu öffnen, dann können wir viel für die Steiermark erreichen.

 

Foto: Shutterstock, Fischer
Illustration: Conclusio




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