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In vino sanitas

Der Internist als Weinbauer? Martin Georg Millauer und Andreas Kapper sehen in ihrer Arbeit im Weingarten einen Ausgleich zur ärztlichen Tätigkeit. Während seiner Entstehung schenkt ihnen der Wein ein Stück seelischer Gesundheit – nach vollendeter Arbeit belohnt er sie mit Genuss.

U. Jungmeier-Scholz

Der Weg zum eigenen Wein verlief bei den beiden Internisten und Hobbyweinbauern Martin Georg Millauer und Andreas Kapper über ganz verschiedene Routen: Während Kapper vor knapp zehn Jahren einen bestehenden Weingarten im Südburgenland – samt strohgedecktem Kellerstöckl – gekauft hat, mehr zufällig nach rund 30 Jahren Schnapsbrennen, startete das Projekt von Millauer buchstäblich auf der grünen Wiese. „Vor meinem Haus in der Nähe von Stainz erstreckt sich ein relativ steiler Hang, der recht mühsam zu mähen war. Eines Tages zu Ostern kam mir die Idee, einen Weingarten daraus zu machen.“ Dass seine österliche Assoziation nicht in Richtung Schafherde ging, die das Mähen lautlos und weitgehend emissionsfrei erledigt hätte, mag wohl daran liegen, dass ein Weingarten letztlich doch mehr Genuss verspricht …

Uhudler und Infektiologie

Gepflanzt wird, was schmeckt. Im Kapper´schen Weingarten sind das zu einem großen Teil autochthone Uhudler-Trauben wie Ripatella, Noah und Othello. Klassische Sorten, um daraus Uhudler, aber auch den entsprechenden Frizzante zu keltern. Daneben baut Kapper Rheinriesling an, den er vor allem im Sommer genießt, und für die kälteren Tage auch Blaufränkisch. „Der Geschmack ändert sich je nach Saison“, erzählt der Nebenerwerbsweinbauer. Im Hauptberuf ist er Internist mit Spezialgebiet Infektiologie, „einer der letzten HIV-Therapeuten der ersten Generation“. Als Arzt in Ausbildung an der IV. Med in Graz erlebte er Ende der 1980er-Jahre die erste Konfrontation mit dem HI-Virus und vertiefte sich umgehend in die Materie. „Für Neues war ich immer schon empfänglich“, resümiert er heute. Nun ist er als Oberarzt im LKH Graz Süd-West am Standort West tätig, wo die Grazer Infektiologie angesiedelt ist. Daneben betreibt er eine Wahlarztpraxis und ist als Obmann der Steirischen AIDS-Hilfe auch dort medizinisch tätig. Viel Freizeit bleibt ihm nicht. Aber die gehört zu einem großen Teil dem Wein. „Als HIV-Therapeut bin ich auf der ganzen Welt herumgekommen. Jetzt genieße ich oft einfach die Ruhe im Südburgenland, wo mein Weingarten auf dem letzten Hügel vor der ungarischen Tiefebene liegt und einen unglaublichen Blick in die Weite dieser Landschaft bietet.“

Sauvignon Blanc und Kardiologie

Anders als Kapper, dessen Rebstöcke teilweise schon länger in Heiligenbrunn wurzeln als er, hatte Millauer für seinen „mill.hill“ (© Ehefrau Barbara Millauer) freie Sortenwahl. „Gleich nach meiner österlichen Idee habe ich mich mit dem Top-Winzer Hannes Harkamp getroffen, er hat meinen Hügel mit fachmännischem Blick inspiziert und mich dann beim Anlegen des Weingartens beraten“, erzählt Millauer, der seine edlen Tropfen ausschließlich in Bio-Qualität herstellt. Zwei Sorten baut er nun an: Sauvignon Blanc – seinen Lieblingswein, der praktischerweise auch ziemlich robust ist – und den seltenen Muskateller Rosé. Letzterer erzählt in einer feinen Note vom ursprünglichen Charakter jenes Hügels, auf dem er gedeiht. „Der Hang war eine wilde Kräuterwiese, um nicht das Wort Unkraut zu benutzen. Deshalb prägen den Muskateller noch immer viele Gewürznoten.“
Im Jahr 2011 erfolgte die Jungfernlese des mill.hill-Weines – unter tatkräftiger Hilfe des gesamten Ordinationspersonals, das bei der Ernte Hand angelegt hat und ihm auch sonst zur Hand geht. Millauer betreibt nach Zeiten im LKH Judenburg, bei den Barmherzigen Brüdern und im Militärspital seit 1998 eine internistische Wahlarztordination in Stainz. Für den Standort hat er sich – gemeinsam mit seiner Frau – aus Liebe zur Gegend entschieden. Millauer war immer schon an der Kardiologie interessiert, bietet in seiner Praxis aber auch alles rund um gastrointestinale Beschwerden an. „In unserer Gegend wird viel selbst Produziertes gegessen – vom Schweinsbrüstl über Verhackert bis zum Schilcher –, das zeigt sich eben auch an den Erkrankungen, die die Menschen in meine Praxis führen“, erzählt der Vollblut-Internist.

Wein nur als zweites Standbein

Weinbauer als Hauptberuf kam weder für Millauer noch für Kapper je in Frage. Allerdings … eine Ausbildung zum Sommelier würde Millauer doch reizen – „vielleicht in der Pension“. Er fand seinen Weg zur Humanmedizin über den Umweg der Veterinärmedizin. „Mein Vater war Tierarzt und als ich nach meiner Ausbildung zum Offizier zu studieren begann, wollte ich zunächst in seine Fußstapfen treten.“ Aber so ganz überzeugte ihn die Wahl nicht und sein Freundeskreis war auch in Graz, also wechselte er zur Humanmedizin. „Zu meinem Fach habe ich über die Notarztdienste in Judenburg gefunden, wo 80 bis 90 Prozent der Notfälle internistischer Natur waren. Die Materie hat mich sofort fasziniert“, berichtet Millauer, der auch Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark ist.
Großes Vorbild und ausschlaggebend für die Berufswahl war bei Andreas Kapper seine Tante, eine passionierte Allgemeinmedizinerin. Daher stand sein Berufswunsch bald einmal fest.

Trinken nach Paracelsus

Als Internisten sind Millauer und Kapper mit den negativen Folgen des Alkoholkonsums konfrontiert. Beide orientieren sich diesbezüglich an Paracelsus mit seinem wohl berühmtesten Prinzip „dosis solum venenum facit“. „Ein Glas Rotwein kann sowohl den Appetit als auch die Durchblutung anregen“, hebt Kapper auch den gesundheitlichen Vorteil des Weintrinkens in Maßen hervor.  Während sein Weinberg so viel Ertrag liefert, dass er in einigen Gasthäusern ausgeschenkt wird, liefert der mill.hill pro Jahr nur 60 bis 90 Flaschen, die im Freundeskreis verschenkt und getrunken werden. Und noch immer lebt die Tradition weiter, dass die Lese zusammen mit den Ordinationsmitarbeiterinnen erfolgt. Wie so viele Ressourcen für den Hobby-Anbau in Millauers Praxis zu finden waren: „Ein Patient borgt mir eine kleine Hydraulikpresse, weil in einer normal großen meine Trauben einfach verschwinden würden. Ein anderer hat das Bild für die Etiketten gemalt, das dann mein Sohn am PC bearbeitet hat.“
Am Ende der Weinlese jausnet das Team der Helfenden bei jenem Jungwinzer, der die Millauerschen Trauben vinifiziert. Denn ohne das Know-how eines Erfahrenen gäbe es keinen mill.hill. „Man braucht die richtige Hefe, stets die richtige Temperatur – und beim Biowein entstehen auch mehr Schwebstoffe, die entsprechend herausgefiltert werden müssen“, nennt Millauer die önologischen Herausforderungen.

Danach bin ich ein anderer Mensch

Auch Kapper holte sich Ezzes bei Experten: „Unter meinen Jugendfreunden finden sich die erfahrenen Winzer Schilhan und Polz, die mich beraten haben.“ Trotz fachmännischer Unterstützung braucht es seine Zeit, bis Neowinzern ein Wein gelingt, mit dem sie zufrieden sind. Und so gibt es für Kapper Eigenschaften, die ihm sowohl als Arzt als auch als Weinbauer dienlich sind: „Für beide Tätigkeiten benötigt man eine gewisse Zielstrebigkeit, aber auch die Bereitschaft, sich ständig neues Wissen anzueignen. Nicht zuletzt sind Einsatzbereitschaft und Fleiß vonnöten – in der vollen Ordination wie im Weinberg, wo zu jeder Jahreszeit Arbeit anfällt.“
Millauer sieht die Parallele seiner beiden Einsatzbereiche in der Empathie: „Ich lebe sowohl mit den Weinstöcken als auch mit den Patienten ein Stück weit mit“, betont er. „Ob Eisregen oder Schwärme chinesischer Marienkäfer der Rebe schaden oder Menschen mit Schmerzen und ihren Ängsten zu mir kommen – ich fühle mit.“
Auch wenn die heurigen Wetterkapriolen in beiden Weingärten große Schäden angerichtet haben: Die Arbeit an den Reben verschafft den Ärzten große Befriedigung und lenkt ihre Gedanken aus der Ordination in eine ganz andere Richtung, zum Wohle ihrer seelischen Gesundheit. „Wenn ich zwei, drei Reihen Reben zurückgeschnitten und -gebunden habe, bin ich ein anderer Mensch“, beteuert Millauer.

 

Fotos: beigestellt




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