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Von der Faszination der Präzision

Arbeitsmediziner Gerhard Fuchs verbringt seine Freizeit mit Astrofotografie. Beim Anblick der Weite des Kosmos gewinnt er eine neue Perspektive auf medizinische Details.

U. Jungmeier-Scholz

Arbeitsmedizin und Astrofotografie – was die beiden Passionen von Gerhard Fuchs verbindet, ist nicht nur die Initiale. „Für beides benötigt man Geduld und Beharrlichkeit“, erklärt er.
Die Liebe zur Astronomie und später zur Astrofotografie begleitet Fuchs schon seit dem Beginn seiner Gymnasialzeit, als der Vater seines Schulfreundes den Buben die Sterne näher gebracht hat. Im Hinterkopf verfolgte er, so vermutet Fuchs, auch das Ziel, dem Nachwuchs den Rausch der unendlichen Weite des Kosmos schmackhafter zu machen als jenen nach dem Genuss ethanolhaltiger Zubereitungen. Der Vater des Freundes sorgte für das erste Equipment und fuhr unermüdlich nachts mit den Buben dorthin, wo echte Dunkelheit herrscht. Also in jedem Fall hinaus aus der Lichtverschmutzung des heimatlichen Graz.
Wie so oft im Leben macht jedoch allein das Schauen nicht so richtig zufrieden. So begann Fuchs zu fotografieren. „Das Fotografieren hat meine Faszination für die Astronomie noch einmal gesteigert“, erzählt er. „Denn das Universum zeigt sich in unendlich vielen Farben.“ Allerdings ausschließlich unter Langzeitbelichtung, also nur denjenigen, die die Technik beherrschen und sich, wie schon erwähnt, in Geduld üben. Was den Astrofotografen vor allem interessiert, sind flächige farbige Gebilde am nächtlichen Himmel – von den Sternen angeleuchtete Gase wie etwa der Orionnebel.

Ein Tag – ein Foto

Für Schnellknipser ist dieses Hobby nichts, beträgt doch allein die Belichtungszeit bei Astrofotos schon einmal zehn Stunden. Ganz zu schweigen von der Nachbearbeitung, die ähnlich viel Zeit erfordert.
Eine der Herausforderungen bei langen Belichtungszeiten liegt darin, dem punktförmigen Gebilde so präzise zu folgen, dass das Licht immer am selben Pixel des Spezialchips landet – obwohl sich die Erde währenddessen auf zwei Achsen bewegt. „Die Montierung muss so eingerichtet werden, dass sie jeweils eine Parallele zur Erdachse bildet, von der sie nur wenige Bogensekunden abweichen darf“, erläutert Fuchs. Eine Bogensekunde bezeichnet in der Winkelmessung den 3.600sten Teil eines Grades. Wer sich nicht für Präzision begeistern kann, ist daher in der Astrofotografie fehl am Platz. Die Einrichtung der Montierung verlangt dem Astrofotografen viel mechanisches Geschick ab, dazu kommt das nötige theoretische Wissen zur Hardware, aber auch zur Physik. Nicht zuletzt müssen Astrofotografen für die Nachbearbeitung eines Bildes, das aus bis zu 200 Einzelfotos zusammengerechnet wird, über spezielles Know-how verfügen.
In den Naturwissenschaften hat sich Fuchs immer schon heimisch gefühlt – und sie sind neben den erforderlichen Charaktereigenschaften ein weiteres Bindeglied zwischen Astrofotografie und dem Arztberuf. Als Arbeitsmediziner benötigt er seine Chemiekenntnisse ebenso wie sein physikalisches Verständnis.
Während die Liebe zur Astronomie über Jahre gewachsen ist, erfolgte die Entscheidung für das medizinische Fach bei Fuchs eher zufällig: „Eigentlich wollte ich Internist werden, habe mich aber in Wien zu einem einwöchigen Arbeitsmedizin-Kurs angemeldet.“ Im Kurs lernte Fuchs einen Mitarbeiter der voestalpine kennen, der ihm von der dortigen Arbeitsmedizin erzählte. Außerdem von der damals in Österreich sehr seltenen Möglichkeit, eine komplette Facharztausbildung zum Arbeits- und Betriebsmediziner zu absolvieren. 1994 war das. Fuchs nutzte die Gelegenheit und besuchte das Arbeitsmedizinische Zentrum in Leoben; mehr als zwei Jahrzehnte danach arbeitet er immer noch dort.

Geschichte spricht das Urteil

Mittlerweile leitet Gerhard Fuchs das Arbeitsmedizinische Zentrum der voestalpine, das nicht nur MitarbeiterInnen der voestalpine arbeitsmedizinisch betreut, sondern auch jene von rund 50 weiteren Betrieben, die das komplette arbeitsmedizinische Service dort zukaufen. Dazu kommen jene Unternehmen, die das AMZ punktuell als „Untersuchungsdienstleister“ nutzen, beispielsweise wenn eine Autolackiererei eine Untersuchung auf Xylol benötigt.

Dass Fuchs auch nach mehr als 20 Jahren voestalpine im Job nicht langweilig wird, verdankt er nicht nur der Vielfalt der betreuten Branchen, sondern auch den rasanten technischen Entwicklungen im Bereich der Industrie. Mit zunehmender Berufserfahrung, betont er, sei sein Blick für berufsbezogene Erkrankungen geschärft worden, die aufs Erste nicht als solche zu erkennen sind. Vergiftungen beispielsweise. Auch hier helfen ihm jene Präzision und Beharrlichkeit, die ihn als Astrofotografen kennzeichnen. In der westlichen Welt sind täglich 150.000 Standard-Chemikalien in Verwendung, jede Branche weist eigene Spezifika auf. Egal ob in einem Leder oder Kunststoff verarbeitenden Betrieb – ein Mitarbeiter kann durchaus mit Dutzenden verschiedenen Substanzen zu tun haben.
Dazu kommen Belastungen wie Tragen, Heben oder Arbeiten bei extremer Hitze. „Ich sehe immer mehr Berufszusammenhänge bei Erkrankungen.“ Einige Kausalitäten lassen sich bedauerlicherweise erst im Nachhinein beweisen, wie das Beispiel Asbest zeigt. „So spricht oft erst die Geschichte das Endurteil.“ Um der Geschichte jedoch möglichst wenig Macht zu verleihen, geht Fuchs vermuteten Korrelationen zwischen Arbeitsplatz und Erkrankung beharrlich nach. „Entwickeln drei Menschen, die in einer begrenzten Region der Firma arbeiten, eine Krebserkrankung, suche ich ähnliche Arbeitsplätze in anderen Unternehmen, um festzustellen, ob ein Zusammenhang bestehen könnte.“

Unendlichkeit lehrt Bescheidenheit

Auch wenn er als Arbeitsmediziner oft präventiv tätig ist, konsultieren ihn auch PatientInnen, für die er nur mehr wenig tun kann. „Krankheit, Leid und Tod gehören zum Arztberuf, aber das bedeutet nicht, dass man sie einfach wegstecken kann. Da hilft mir die Astrofotografie, die über Stunden meine volle Konzentration erfordert und mich total ablenkt. Manchmal entwickle ich dann einen neuen, zweiten Zugang zur speziellen Situation eines kranken Menschen.“
Fuchs sieht seine Passion als eine Form von Psychohygiene. Sie ist aber auch Bindeglied zu seinem 16jährigen Sohn, bei dem er Interesse wecken konnte – wenn auch noch nicht das entsprechende Ausmaß an Geduld. „Er hilft beim Aufbau, schaut ins Fernrohr, interessiert sich auch für den theoretischen Hintergrund und kann die Faszination für die Unendlichkeit nachvollziehen.“ Wann sonst können Vater und Sohn sich über etwas so Großes unterhalten wie über das Universum …
Diese unendliche Dimension, so Fuchs, lehre ihn auch Bescheidenheit und fördere die Einsicht, selbst nur ein winzig kleiner Baustein im großen Ganzen zu sein. „Was mich schon verblüfft, ist, dass der ganze Kosmos im Vergleich zur EU doch mit einer überschaubaren Anzahl von (Natur-)Gesetzen auskommt“, gibt er scherzhaft zu bedenken.
Schatten in mondloser Nacht
Befriedigung erfährt Fuchs sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Sternwarte. „Es ist spannend, welch tiefgehenden Gespräche zum Thema Leben ich beispielsweise schon auf einer Baustelle geführt habe, aber auch, welche kreativen Ideen selbst kleinere Unternehmen zum Thema Mitarbeitergesundheit entwickeln.“
Dem gegenüber stehen die nächtlichen Erlebnisse beim Blick in den Himmel – oder auf die eigene Hand. Auf der Südhalbkugel ist nämlich das Zentrum der Milchstraße zu sehen, das es schafft, in einer mondlosen Nacht den Schatten der Hand auf einem weißen Blatt Papier sichtbar zu machen. Für Fuchs ein unvergessliches Erlebnis auf einer seiner Namibia-Reisen.
In Namibia befindet sich das Paradies für Hobbyastronomen: „Dort gibt es eigene Astronomie-Farmen, die nicht nur eine Sternwarte vermieten, sondern auch gleich für Unterkunft und Kulinarik sorgen.“
Während die astronomischen Zentren an den besten Standorten der Welt – der chilenischen Atacama-Wüste und Hawaii – nur Profis offenstehen, bieten die namibischen Astronomie-Farmen auch jenen Himmelsforschern eine exzellente Infrastruktur, die daneben einen anderen Beruf ausüben. Zum Beispiel Ärzten.

Fotos: beigestellt

Fototext:
Der Orionnebel ist ein Klassiker am Nordsternhimmel. Gesamtbelichtungszeit ca. 8 h, aufgenommen mit einer gekühlten Astrokamera im südsteirischen Grenzgebiet auf 1000 m Seehöhe.




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