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Regional verwurzelt, musikalisch beflügelt

Ernst Huber ist daheim – in der Allgemeinmedizin, im Gesäuse und in der Musik.

U. Jungmeier-Scholz

„Man ist, was man tut“, lautet das Credo von Ernst Huber. Was er tut? Er arbeitet als Landarzt in Weißenbach an der Enns. Fährt kilometerweit zu entlegenen Höfen auf Hausbesuch, macht ganz klassisch Nachtdienste im Radl mit den umliegenden KollegInnen und versorgt bei Bedarf auch die Musiker des St. Gallener Festivals medizinisch. Er selbst singt und spielt Gitarre bei der Gruppe Broadlahn, die „eigenständige alpine Ethno-Musik“ (©Huber) kreiert. Aber er musiziert nicht ausschließlich mit Broadlahn. Seine „Spielgefährten“ reichen von seinem ehemaligen Famulanten, der als fertiger Arzt zusätzlich Tontechnik studiert, bis hin zum Schafe züchtenden Kunstuniprofessor für Blockflöte.
Wer nun meint, Hubers Interessen würden sich auf Musik und Medizin beschränken, der irrt: „Wenn mir jemand mit zehn Jahren gesagt hätte, dass ich kein Skirennläufer werden würde, hätte mich das am Boden zerstört.“ Skifahren nimmt nach wie vor eine wichtige Rolle in seinem Leben ein. Liegt kein Schnee, steigt er aufs Rad.
 

Höhenflüge und Abfahrten

Waren einst die Ski-Abfahrten Hubers Passion, beschäftigten ihn nach der Matura am Musisch-pädagogischen Realgymnaisum in Graz bevorzugt die Höhenflüge des Denkens. Und so inskribierte er Philosophie – neben Medizin. Er steht eben immer auf zwei Füßen. Mindestens. Das Medizin-Studium hat er 1988 beendet, den großen Fragen des Seins widmet er sich nach wie vor in seiner Freizeit. „Ich lese gerne wissenschaftstheoretische Werke“, erzählt Huber. Selbst die Zeitung hat einen fixen, wenn auch etwas ungewöhnlichen Platz in seinem Leben: „Oft stehe ich um drei in der Früh auf, lese die Zeitung und lege mich dann wieder hin, bevor um sechs endgültig der Tag beginnt.“
Unter seiner Vorgängerin und zeitweiligen Arbeitgeberin, der Weißenbacher Landärztin Dr. Ilse Reibmayr, hätte es ein so „spätes“ Aufstehen nicht gegeben. „Da haben wir um fünf in der Früh angefangen – und ich bin zuvor noch mit dem Rad hingefahren.“
Reibmayr war nicht nur jene Ärztin, bei der Huber als Famulus erste Ordinations-Erfahrungen gemacht hat und bei der er nach dem Turnus zwei Jahre lang angestellt war, bevor er die Ordi selbst übernommen hat. Sie war auch seine Hausärztin. Und wohl auch ein Vorbild. „Letztlich bin ich deshalb weder Philosoph noch Profimusiker, sondern Arzt geworden, weil ich ein Gefühl von sozialer Verpflichtung gespürt habe und etwas Helfendes machen wollte – und zwar hier in dieser Gegend“, erklärt Huber.


Der Heimat verbunden

Die zahlreichen schillernden Mosaiksteine von Hubers Persönlichkeit, der übrigens auch einmal Bauer werden wollte, ergeben aus der Distanz betrachtet trotz ihrer Buntheit ein klares Gesamtbild: Ernst Huber ist tief in seiner Heimat verwurzelt. Hier, und nur hier, will er Arzt sein. Die Musik der Region beflügelt ihn, Neues daraus zu machen, hier sind die Berge für seine Ski-Leidenschaft. In Kleinsölk steht noch der Bauernhof seiner Vorfahren, mittlerweile bewirtschaftet vom Sohn seines Cousins. In der Nähe des Heimathofes steht nicht nur Hubers Almhütte; da gibt es auch jene Berghänge, von denen die breiten Lawinen abgehen, nach denen seine Band letztlich benannt wurde. Als die Urform der Gruppe Broadlahn 1982 gegründet wurde, hieß sie zwar noch „Four in One“, auch „Allerleirauh“ stand zur Diskussion. „In dieser ersten Phase mussten wir unsere Stilrichtung erst finden, haben alles Mögliche gespielt, von mittelalterlichen Liedern bis hin zu Beatles-Songs. Daher haben wir auch noch mit dem Namen experimentiert“, so der Band-Mitbegründer. Bei Broadlahn ist es geblieben, wo heute ein Arzt, ein Psychologe, zwei Lehrer und drei Profimusiker die Stammbesetzung bilden. Eine Zeitlang hat auch Huber damit geliebäugelt, die Musik mit Broadlahn zu seinem Brotberuf zu machen – noch bevor er seine eigene Praxis hatte. Selbst heute würde er „liebend gerne“ die Arztpraxis mit einem zweiten Arzt gemeinsam führen, um mehr Zeit für die Musik zu gewinnen. „Aber die derzeit erlaubten Modelle für ärztliche Zusammenarbeit sind einfach zu unflexibel!“


Musik erfreut und tröstet

Obwohl die Musik in Hubers Leben eine so große Rolle spielt, wurde sie ihm nicht eigentlich in die Wiege gelegt. „Mein Vater war Gendarm und die Eltern haben Haus gebaut. Da konnten sie nicht einmal regelmäßig fünf Schilling erübrigen, die ich für die gewünschte Klarinettenstunde gebraucht hätte.“
Also experimentierte Huber „mit allen Instrumenten, die ich bekommen konnte“. Er spielte Maultrommel, Mundharmonika, Blockflöte – und Cello, „bis das Instrument auseinanderbrach“ – und auf der Gitarre seines Vaters. Auch da gab es aus finanziellen Gründen keinen Unterricht, Huber blieb Autodidakt bis auf drei, vier Gitarrenstunden, die er in seiner Grazer Zeit genommen hat, um Samba zu lernen. Schwegel und Harmonika komplettieren seine heutige Instrumentensammlung. Nur das Klavier, das er während der Oberstufenzeit in Graz lernen musste, blieb fremd und ungeliebt.
Immer wieder findet er Freude und Trost in der Musik. Wenn er selbst spielt oder wenn er zuhört. Seine musikalischen Vorlieben decken ein breites Spektrum ab: „Ich höre gerne gute Klassik, Free Jazz, Folk, aber auch Funk-Bands – und jedenfalls gute Gitarristen.“ Eine besondere Rolle spielt das Jazz-Quartett Oregon. „Diese Musik höre ich auf längeren Hausbesuchsfahrten.“
Obwohl er es als „Gnade“ empfindet, „helfen zu dürfen“, sieht er auch die andere Seite der Medaille: „Man lässt in diesem Beruf schon viel Substanz.“


Menschliche Resonanz klingt

Oft ist er allein als „kleines Palliativteam“ unterwegs, wenn das echte nicht greifbar ist. Einen 22jährigen Krebskranken beim Sterben zu begleiten ist und bleibt auch nach all den Jahren Berufserfahrung schrecklich. „Aber der Schrecken ist auch nur ein Ende vom Schönen …“, wandelt Huber Rilkes Original aus den Duineser Elegien ab. Selbst wenn ihm so manche Begleitung durch Leiden und Sterben emotional nahe geht – das ist es nicht, was ihn die meiste Kraft kostet. „Wenn ich um die Kostenübernahme für einen Krankentransport streiten muss, weil der Patient zwar gesund genug gewesen wäre, um ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, aber in dieser Gegend einfach keines fährt – das ärgert mich. Oder wenn ich einen akuten Schmerzpatienten nach einem Bandscheibenvorfall nirgendwo unterbringe, weil das nächstgelegene Krankenhaus nur mehr stationär und nach Voranmeldung behandelt. In diesem System tut sich Unglaubliches!“
Was ihn im stressigen Alltag aufrechthält, ist die „Liebe zu dem, was ich tue“ und die menschliche Resonanz, die er in seinem Beruf erfährt. „Diese Resonanz, die ich im Umgang mit den Leuten spüre, hat für mich etwas zutiefst Musikalisches.“ Den richtigen Ton im ärztlichen Gespräch zu finden, macht für Huber auch eine der wichtigsten Grundqualifikationen eines Hausarztes aus. Neben dem möglichst umfassenden Wissen natürlich. „Wir Hausärzte sind schließlich das Zugangstor zum Medizinsystem.“


„Verstehen, was ich tue“

Das knappste Gut in Hubers Leben ist die Zeit. „Oft schlafe ich sehr wenig“, gibt er zu. Nicht gerade der Lebensstil, zu dem er als Arzt raten würde … Zeit fürs Gitarre-Üben bleibt da kaum. „Ich bin kein solider Musiker, sondern eher ein Musikant.“ Konsequent geübt wird nur dann, wenn eine CD-Aufnahme unmittelbar bevorsteht. Fünf Alben hat Broadlahn bereits veröffentlicht, das sechste schwebt gerade im Raum. Ideen gibt es schon, es soll ein Mix aus Live-Highlights und Studioaufnahmen werden. Jener Tontechnik-affine Famulant wird bei einer Nummer mit dabei sein. So wie der Erdäpfelblues. Mehr wird noch nicht verraten.
Nicht nur für die Gitarre, auch für die Familie bleibt wenig Zeit. „Arzt ist kein familienfreundlicher Beruf“, resümiert Huber. Auch wenn er seine Ordination zum Familienbetrieb gemacht hat: Seine Frau führt die Hausapotheke. Die drei Söhne sind mittlerweile 28, 21 und 14 Jahre alt; Enkeltochter Veronika geht gerade ihre ersten Schritte. Die Söhne haben die Liebe zur Musik mitbekommen, wenn auch in ihrem ganz eigenen Stil: sie rappen. Fans der väterlichen Musik müssen sie nicht sein, betont Huber. „Mir ist vor allem wichtig, dass sie verstehen, was ich tue.“ Denn schließlich, so das väterliche Credo, ist der Mensch, was er tut.

„Man lässt in diesem Beruf schon viel Substanz.“
Ernst Huber


Foto: Christoph Huber
Ernst Huber, Landarzt und Musiker mit Leidenschaft. Hier mit Broadlahn beim Spielberg Musikfestival 2015.

Symbolbild 1
 



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