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St … Start für ELGA

ELGA geht in den Echtbetrieb, aber noch lange nicht voll: Alle steirischen Landeskrankenhäuser und fünf Abteilungen des Krankenhauses Hietzing in Wien machen den Anfang. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sollen erst 2017 folgen.

Der Start für die Elektronische Gesundheitsakte ELGA verlief stotternd. Ursprünglich war er ja in den Krankenhäusern für den Jahresbeginn 2015 vorgesehen – tatsächlich wird aber erst jetzt begonnen, und das schrittweise. Den größten Brocken übernimmt dabei die Steiermark mit allen Landeskrankenhäusern einschließlich des LKH-Universitätsklinikums Graz, des Krankenhauses der Elisabethinen und des Marienkrankenhauses Vorau, des GGZ sowie des NTK (Kapfenberg). Die Barmherzigen Brüder, die mit den anderen Ordenskrankenhäusern und nicht mit der KAGes kooperieren, sowie die AUVA-Spitäler sollen im nächsten Jahr folgen.
Damit ist die KAGes sozusagen Vorreiter, gleichzeitig gestartet wird nur in Wien, dort allerdings schaumgebremst – mit bescheidenen fünf Abteilungen des Krankenhauses Hietzing. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte können ab Mitte 2016 und müssen ab Mitte 2017 teilnehmen, nach derzeitigem Fahrplan gleichzeitig auch die Privatspitäler; Zahnärztinnen und Zahnärzte folgen 2022.
Was wird sich bei den ersten ELGA-Teilnehmern ändern? Auf den ersten Blick nicht viel. Da ja ELGA rückwirkend keine Daten übernimmt, ist der große „Aktenschrank“ vorerst leer. Es ist, um einen zur Jahreszeit passenden Vergleich zu bemühen, gleichsam ein Bockbieranstich, bei dem das Fass – noch – leer ist.
Mit jedem Behandlungsfall ab dem 9. Dezember füllt sich ELGA aber. Aufgenommen werden ärztliche und pflegerische Entlassungsbriefe mit relevanten Labor- und Radiologieinformationen sowie ambulante Labor- und Radiologiebefunde, im nächsten Schritt dann auch Medikationsdaten.
Diese Aufnahme erfolgt sozusagen automatisch über das Krankenhausinformationssystem OpenMedocs. Um zukünftig auch Fremddaten einsehen zu können, gibt es in OpenMedocs auch einen „ELGA-Button“ (siehe Abbildung).


ELGA – nein, danke!

Jede Patientin, jeder Patient kann aber die Nichtaufnahme eines Krankenhausaufenthalts bzw. einer ambulanten Leistung verfügen. Darüber informieren Aushänge. Dieser „situative Widerspruch“ muss im Krankenhaus dokumentiert werden.
Das heißt, es ist in OpenMedocs zu erfassen, eine Patientenerklärung muss ausgedruckt und von der betreffenden Person unterzeichnet werden. Und sie muss in der „Papier“-Krankengeschichte archiviert werden.
In vier Fällen müssen Patientinnen und Patienten laut interner KAGes-Richtlinie aktiv – nicht nur über den Aushang, sondern auch mündlich – über ihr Opt-out-Recht informiert werden: bei HIV-Infektionen, psychischen Erkrankungen als Hauptdiagnose, heiklen genetischen Analysen (die auch im Gentechnikgesetz geschützt sind) sowie Schwangerschaftsabbrüchen. Laut ELGA-Richtlinie der KAGes kann diese aktive Information so lauten: „Sie haben das Recht, diesen Aufenthalt/Besuch nicht in ELGA speichern zu lassen. Dann sind jedoch diese Daten für Ihren Hausarzt oder andere weiterbehandelnde Ärzte nicht sichtbar. Das könnte für Sie auch negative Folgen haben.“ Ob die Beschränkung auf diese vier konkreten Fälle in Zukunft reichen wird, bleibt aber ungewiss. Laut Gesundheitstelematikgesetz sind sie „insbesondere“ aufgelistet, das kann also bedeuten, dass noch weitere hinzukommen. Ob es so sein wird, hängt wohl von der künftigen Judikatur ab.
Keine schriftlichen Empfehlungen gibt es auch für den Fall, dass eine Patientin oder ein Patient nicht entscheidungsfähig ist und ein „Bevollmächtigter“ bzw. Sachwalter heranzuziehen ist. Der muss ja nicht unbedingt unmittelbar zur Verfügung stehen, vor allem dann, wenn es kein Angehöriger ist, sondern eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechtsanwalt, die oder der viele Menschen „besachwaltert“. Eine Gruppe, die das besonders betrifft, sind demente Patientinnen und Patienten.
 

In eigener Sache

Besonders sensibel ist die Situation, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im eigenen Haus betroffen sind, sprich, wenn sie zu Patientinnen oder Patienten werden. Auch in der Vergangenheit kam es wiederholt zu disziplinar- und arbeitsrechtlichen Kontroversen wegen unberechtigter Zugriffe auf das interne Krankenhausinformationssystem. Für ELGA gibt es daher eine weitere Richtlinie, die genau solche Fälle betrifft.
Darin heißt es: „Die Berufsgruppen, die Zugang zu den ELGA-Daten haben (ärztliches Personal, diplomiertes Pflegepersonal, Sekretariat/medizinisches Office/Schreibstube, Angehörige der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, Hebammen, Psychologen und Sozialarbeiter) werden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben auf die ELGA-Dokumente der Patienten zugreifen können.“ Die Verwendung von ELGA-Daten durch Dienstgeber und Beschäftiger gemäß Arbeitskräfteüberlassungsgesetz ist gesetzlich verboten. Falls der Dienstgeber bzw. Beschäftiger jedoch gleichzeitig behandelnder ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter ist, sieht das ELGA-Gesetz vor, dass der ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter (GDA) unter bestimmten Voraussetzungen auf die ELGA-Daten der zu behandelnden Mitarbeiter bzw. Beschäftigten zugreifen darf. Eine dieser Bedingungen ist eine vorherige ausdrückliche Information der Mitarbeiter bzw. Beschäftigten über ihre Rechte als ELGA-Teilnehmer. Für diesen Fall ist laut Richtlinie in jedem Haus ein „Verständigungsplan“ zu erstellen.
 

ELGA mit Lücken

Das Widerspruchsrecht ist zwar datenschutzrechtlich wichtig, hat aber auch seine Tücken. Die Folge ist, dass die ELGA Lücken aufweisen kann. Ein situativer Widerspruch im eigenen Haus ist ja noch über OpenMedocs erkennbar, aber nicht jene Lücken, die auf andere Art entstanden sind. Eine Patientin oder ein Patient kann nicht nur während eines Spitalsaufenthalts „situativ“ widersprechen. Sie oder er hat auch die Möglichkeit, über das Internet bestimmte Informationen auszublenden, „partiell“ zu widersprechen. Darum heißt es im an die Patientinnen und Patienten gerichteten Aushang: „Das persönliche Gespräch ist durch nichts ersetzbar. Durch ELGA sind e-Befunde und Medikationsdaten für Sie und Ihre ELGA-GDA, die in Ihrer Behandlung oder Betreuung involviert sind, einseh- und verfügbar. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Sie der Teilnahme an ELGA nicht widersprochen haben …“
Am klarsten ist der Fall, wenn eine Patientin oder ein Patient „generell“ widersprochen und damit festgelegt hat, dass gar keine ELGA-Daten über sie oder ihn gesammelt werden dürfen. Dann wissen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zumindest, dass sie nichts wissen (können).
 

(Un-)Sicher

Nach letzten Informationen 2015 dürften bisher rund 230.000 Personen von ihrem generellen Opt-out-Recht Gebrauch gemacht haben. Die ELGA Gesellschaft feiert es als Erfolg, dass die Rate im einstelligen Prozentbereich geblieben ist. Mehr als mit der geglückten ELGA-Propaganda dürfte das allerdings mit der Trägheit und der Opt-out-Regelung zu tun haben, die Menschen, die nicht an ELGA teilnehmen wollen, dazu zwingt, aktiv und unter nicht unbeträchtlichem Aufwand ihren ELGA-Widerspruch zu erklären. Dazu ein Beispiel aus einem anderen Medizin-Bereich: In Österreich sind 99 Prozent Organspender, in Deutschland dagegen nur zwölf Prozent der Bevölkerung. In Österreich gilt auch dafür die Opt-out- bzw. Widerspruchsregelung, in Deutschland müssen die Bürgerinnen und Bürger aktiv zustimmen. Da sich diese Differenz wohl kaum durch den Mentalitätsunterschied erklären lässt, wird es wohl der Unterschied zwischen Opt-in und Opt-out sein. Zumal in Österreich nur rund 350.000 Menschen eine Patientenverfügung besitzen, die man – genau – aktiv und nicht ohne einen gewissen Aufwand anstreben muss.
Das führt zum Thema Datenschutz, einem der stärksten Argumente gegen eine elektronische Gesundheitsakte, nicht nur in Österreich. Dass Datenschutz im Gesundheits- und Medizinbereich ein heißes Thema ist, belegt unter anderem eine KPMG-Studie aus dem Jahr 2015. Demnach sagen vier Fünftel der Gesundheitsorganisationen, dass ihre Informationstechnologie von Cyber-Attacken gefährdet worden sei. Das weiß man auch bei ELGA, Sicherheit nimmt in der Beschreibung der ELGA-Architektur einen großen Bereich ein. Hundertprozentige Sicherheit könne es aber nicht geben, wird gleichzeitig immer wieder betont. „Es ist zwischen voll beabsichtigten Angriffsvektoren und Gelegenheitsangriffen durch unachtsames Fehlverhalten von ELGA-Benutzern zu unterscheiden“, heißt es in der ELGA-Darstellung. Mit zwei Argumenten versucht man Sicherheitsbedenken zu zerstreuen. Erstens: Die Daten würden dezentral gespeichert. Zweitens: Die Datenübermittlung erfolge über speziell gesicherte Netzwerke.
Beides stimmt allerdings nur bedingt: Auch die „eigentlich schützenswerten Daten“ – Gesundheitsdokumente und e-Medikationsdaten – werden (um weitgehend durchgehend zugänglich zu sein) nicht in Arztpraxen, Apotheken etc. abgelegt, sondern für die ELGA-Nutzung in den dafür bestimmten „Document Repositories“ der großen ELGA-Bereiche (einen davon betreibt die KAGes). Und während Ärzte und Gesundheitsdiensteanbieter eher nicht über öffentliche Netze gehen, benutzen die Patientinnen und Patienten („ELGA-Teilnehmer“), aber auch die Ombudsstellen sehr wohl Webbrowser. Der Schutz erfolgt nur über Passwörter.
Damit man sich auch die Größenordnung vorstellen kann: ELGA-Hersteller Siemens rechnet mit 142 Millionen „lesenden Zugriffen“ auf Befunde pro Jahr. Das ist nur die technische Seite. Zumindest 100.000 (auch eine Siemens-Schätzung) unterschiedliche Personen und Organisationen (ohne Patientinnen und Patienten) haben mit unterschiedlichen Befugnissen Zugriff auf ELGA. Die Gesundheitstelematik-Verordnung kennt mehr als 50 unterschiedliche „Rollen“ für Personen und Organisationen – von PhysiotherapeutInnen über OrthopädistInnen bis zum Gesundheitsmanagement und dem Verrechnungsservice. Der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner hat bereits mehrfach „eine Nachschärfung dieser Verordnung“ gefordert, um sicherzustellen, dass die Daten tatsächlich nur für die Behandlung und nicht für andere Zwecke zur Verfügung stehen.
 

Was kostet ELGA?

Deutschland hat ein ähnliches Projekt wie ELGA vor einigen Jahren verworfen, weil die Kosten von mehr als 14 Milliarden Euro zu hoch erschienen. In Österreich gibt es keine übersichtliche Darstellung der Gesamtkosten. Auf Bundesebene, so die Argumentation der Bundesregierung, würde die Saldierung der Kosten der ELGA mit den damit erzielbaren Kostendämpfungspotenzialen (…) zu dem eindeutigen Ergebnis führen, „dass in volkswirtschaftlicher Betrachtung die ökonomische Rationalität für die Einführung der ELGA ohne jeden Zweifel gegeben ist“. Die Rede ist von Investitionen in der Höhe von 130 Millionen Euro. Eine Erklärung dafür, warum das österreichische Projekt um ein Zehntel billiger sein kann als – im Größenvergleich – die deutsche Kalkulation, gibt es nicht. Eine mögliche Erklärung: Eine ganze Reihe von Kosten, etwa die in den Ländern, ist nicht berücksichtigt. Die Kosten für die Praxen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, wo ELGA ab Mitte 2017 fix implementiert wird, können noch gar nicht eingerechnet sein – sie sind ja noch nicht einmal verhandelt.
Spitze Anmerkung des Bundesrechnungshofes: „Der RH weist daher darauf hin, dass eine detailliertere Darstellung als in der Regierungsvorlage zum GTeIG 2012 aufgrund der konkreten Ausgestaltung im Verordnungsentwurf möglich gewesen wäre, weshalb die Erläuterungen zu den finanziellen Auswirkungen (…) nicht den Anforderungen des § 17 BHG 2013 und der hiezu ergangenen Verordnung der Bundesministerin für Finanzen (…) entsprechen.“
 

Schuhschachtel

Ein praktisches Argument für ELGA (das allerdings jetzt noch unbedeutend ist, weil ja derzeit noch kaum Daten enthalten sind) ist die Verfügbarkeit von Patienteninformationen in übersichtlicher Form. „Der Patient, der seine Befunde in der Schuhschachtel bringt, gehört der Vergangenheit an“, so ein Versprechen.
Die Frage ist aber, ob ELGA (viel) mehr ist als eine elektronische Schuhschachtel mit PDF-Dokumenten. Zwar wurde an der Interoperabilität bis hin zur Maschinenlesbarkeit viel gearbeitet, den höchsten Standard nach den Kriterien der Clinical Document Architecture (CDA 3) sollen aber vorerst nur die pflegerischen Entlassungsbriefe erreichen. 55 unterschiedlichen Rollen ist der Zugang zu ELGA-Daten möglich. Die sensiblen Daten werden zwar nicht an einem Ort, aber in den Speichern von maximal einem Dutzend unterschiedlicher „ELGA-Bereiche“ gespeichert. Zumindest die ELGA-Teilnehmer (Patientinnen und Patienten) greifen über das „normale“ Internet zu.
Auch wenn also alle (möglichen) Vorkehrungen getroffen wurden, gibt es keine absolute Sicherheit. Für die ersten Anwender hat ELGA naturgemäß vorerst keinen Nutzen – schlicht, weil noch keine Daten enthalten sind. Das sollte sich im Lauf der Zeit ändern. Wie hoch der Aufwand der obligatorischen Patientenaufklärung und der Handhabung des „situativen Widerspruchsrechts“ ist, wird sich erst zeigen. Aufgrund der Möglichkeit für die ELGA-Teilnehmer, ihre eigenen Daten erst gar nicht aufnehmen zu lassen oder sie selbstständig auszublenden, gibt es auch keinen Verlass auf die Vollständigkeit. Das Anamnese-Gespräch wird also durch ELGA nicht ersetzt. Was sich auch noch zeigen muss: Ob es gelingt, die Informationen so übersichtlich aufzubereiten, dass es nicht notwendig ist, die Akte komplett „durchzuackern“, um sich ein gutes Bild zu machen.


Datensicherheit

55 unterschiedlichen Rollen ist der Zugang zu ELGA-Daten möglich. Die sensiblen Daten werden zwar nicht an einem Ort, aber in den Speichern von maximal einem Dutzend unterschiedlicher „ELGA-Bereiche“ gespeichert. Zumindest die ELGA-Teilnehmer (Patientinnen und Patienten) greifen über das „normale“ Internet zu.
Auch wenn also alle (möglichen) Vorkehrungen getroffen wurden, gibt es keine absolute Sicherheit.

Nutzen

Für die ersten Anwender hat ELGA naturgemäß vorerst keinen Nutzen – schlicht, weil noch keine Daten enthalten sind. Das sollte sich im Lauf der Zeit ändern. Wie hoch der Aufwand der obligatorischen Patientenaufklärung und der Handhabung des „situativen Widerspruchsrechts“ ist, wird sich erst zeigen. Aufgrund der Möglichkeit für die ELGA-Teilnehmer, ihre eigenen Daten erst gar nicht aufnehmen zu lassen oder sie selbstständig auszublenden, gibt es auch keinen Verlass auf die Vollständigkeit. Das Anam­nese-Gespräch wird also durch ELGA nicht ersetzt. Was sich auch noch zeigen muss: Ob es gelingt, die Informationen so übersichtlich aufzubereiten, dass es nicht notwendig ist, die Akte komplett „durchzu­ackern“, um sich ein gutes Bild zu machen.



Fotocredit: Shutterstock
Grafiken: ELGA GmbH


Die ELGA-Benutzerhierarchie in der Strichfiguren-Variante.

Was die einzelnen „Rollen“ dürfen. WIST heißt übrigens „Widerspruchstelle“ und OBST „Ombudsstelle“.




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