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Palliativversorgung: Halbe Würde

Für ein „Sterben in Würde“ ist jeder. Aber die strukturellen Voraussetzungen in Österreich sind – noch – mangelhaft. Experten errechnen einen Investitionsbedarf von rund 210 Millionen, um die Palliativ- und Hospizinfrastruktur in Österreich dem Bedarf anzupassen.

„Der Fortschritt der Medizin gestattet es neuerdings, viele bisher unheilbare oder tödliche Krankheiten zu heilen; die Verbesserung medizinischer Methoden und die Entwicklung von Wiederbelebungsmaßnahmen ermöglichen es, ein Menschenleben zu verlängern, den Zeitpunkt des Todes hinauszuzögern. In der Folge wird jedoch die Lebensqualität der Sterbenden oft vernachlässigt und Einsamkeit und Leiden von Patienten, aber auch von deren Familienangehörigen und Pflegepersonen ignoriert.“ So heißt es in einem Papier der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Dem Ministerrat empfiehlt das Gremium, „die Mitgliedsstaaten des Europarates dazu anzuhalten, die Würde von Todkranken oder Sterbenden in jeder Hinsicht zu achten und zu schützen“.

Konkrete Maßnahmen seien unter anderem die Sicherstellung, dass Palliativpflege in allen Mitgliedsstaaten als gesetzlich garantierter Anspruch todkranker oder sterbender Menschen anerkannt ist; die Sicherstellung gleichen Zugangs zu angemessener Palliativpflege für alle todkranken und sterbenden Personen, die Bereitstellung ambulanter Hospizteams und -netzwerke, um zu gewährleisten, dass Palliativpflege zu Hause in Anspruch genommen werden kann, wann immer ambulante Pflege des Sterbenden oder Todkranken durchführbar scheint sowie die Sicherstellung, dass in der Palliativpflege spezialisierte Abteilungen und Hospizstationen, aus denen sich Palliativpflege und -medizin als integraler Bestandteil jeder medizinischen Behandlung entwickeln können, zumindest in allen größeren Spitälern eingerichtet werden.“

Das war 1999 – noch vor der Euro-Einführung.

 

Große Lücken

Heute, 16 Jahre später, ist der geforderte Status in Öster¬reich noch längst nicht erreicht, wie eine Bedarfserhebung von Hospiz Österreich (siehe Grafik) aus dem Dezember 2014 zeigt. Demnach fehlen zur Bedarfsdeckung für 2020 noch 129 Palliativbetten, 192 stationäre Hospizbetten, 6 Tageshospize, 81 Palliativkonsiliardienste, 18 Mobile Palliativteams bzw. rund 103 Vollzeitkräfte und 138 Hospizteams.

Niederösterreich und die Steiermark liegen mit 67 bzw. 57 Einrichtungen an der Spitze, Oberösterreich hat 40, Wien nur 25. Süffisant klingende Bemerkung im Papier des Hospiz-Dachverbandes, dessen Präsidentin die ehemalige steirische  Landeshauptfrau Waltraud Klasnic ist: „Anzumerken ist, dass die schon bestehenden Einrichtungen derzeit nicht vollständig mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Die von GÖG/ÖBIG und BMG definierten Strukturqualitätskriterien werden derzeit nicht in allen Einrichtungen vollständig erfüllt (insbesondere hinsichtlich Personalausstattung).“ Von Hospiz Österreich errechneter Investitionsbedarf, um die Lücken zu schließen: rund 210 Millionen Euro.

 

Ausbau vorantreiben

Aber es gibt Hoffnung. Die Mitte vorigen Jahres geschaffene parlamentarische Enquete-Kommission unter dem Vorsitz der VP-Abgeordneten Getrude Aubauer legte Anfang März 2015 dem Nationalrat ihren Abschlussbericht mit 51 Empfehlungen vor, den dieser einstimmig zur Kenntnis nahm.

In diesem Bericht wird nicht schöngefärbt, die Parlamentarier zeigen sich durchaus selbstkritisch: „Österreichweit ist die Hospiz- und Palliativversorgung gesamthaft erst zu ca. 50 % gedeckt …“ heißt es da. Und: „16 Jahre nach den Empfehlungen des Europarates zum Schutz der Menschenwürde und der Würde der Todkranken und Sterbenden, 14 Jahre nach der parlamentarischen Enquete „Solidarität mit unseren Sterbenden – Aspekte einer humanen Sterbebegleitung in Österreich“ im Allparteienkonsens, 22 Jahre nach der Gründung des Dachverbandes Hospiz Österreich und 11 Jahre nach der Bedarfsfeststellung zur Hospiz- und Palliativversorgung durch das österreichische Bundesinstitut für Gesundheit besteht ein dringendes und konkretes Erfordernis, die Versorgung für alle Österreicherinnen und Österreicher in der Zukunft tatsächlich sicherzustellen und im Rahmen eines Hospiz- und Palliative Care Stufenplans bis 2020 unmittelbare Maßnahmen zu setzen.“ Kompetenzfragen und Finanzierungsstrukturen dürften kein Hindernis sein, um tatsächlich den Ausbau von Hospiz und Palliative Care 2015 bis 2020 voranzutreiben.

 

Mehrheit für Sterbehilfe

Das Thema Tötung auf Verlangen („aktive Sterbehilfe“) wurde durchaus kontroversiell diskutiert, wie aus dem Abschlussbericht hervorgeht: „Das Meinungsspektrum (…) reichte von einer Staatszielbestimmung zur Gewährleistung der geltenden Rechtslage, bis hin zur Diskussion über Fragen zur Suizidbeihilfe bzw. Suizidprävention.“ Aber:  „50) Einvernehmen besteht dahingehend, Hospiz- und Palliativversorgung nachhaltig abzusichern und die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht rechtlich weiter zu entwickeln.“

Von Ärztinnen und Ärzten wird die gesetzliche Verankerung des Tötens auf Verlangen (siehe dazu auch AERZTE Steiermark 3/2015) überwiegend abgelehnt. Aber die Meinung in der österreichischen Bevölkerung ist differenziert, wie auch eine jüngst veröffentlichte Umfrage der Medizinischen Universität Graz (Prof. Willibald Stronegger und Prof. Wolfgang Freidl, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie) zeigt. Laut dieser Studie (befragt wurden 1.000 Österreicherinnen und Österreicher) befürworten 62 Prozent die „aktive Sterbehilfe“. Personen, die sich selbst als „liberal“ bezeichnen sind dabei eher für „aktive Sterbehilfe“ als jene, die nach eigener Auskunft „konservativ“ sind.

Fazit der Studienautoren: „Besonders die mit einer liberalen Weltsicht verbundene Betonung der Freiheit und Selbstverantwortung des Einzelnen – wie sie in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung gewann – dürfte für die zunehmende Akzeptanz eine entscheidende Rolle spielen. Die Betonung eines ‚autonomen Subjekts‘, das unabhängig von der jeweiligen Lebenssituation frei für sich das Richtige wählen kann, ist aber eine wirklichkeitsfremde Idealisierung, die gerade auf Schwerkranke kaum zutrifft. In Zeiten knapper Ressourcen könnte eine Legalisierung letztlich dazu führen, dass nur Wohlhabenden die freie Wahl zwischen kostenintensiver Palliativmedizin und Sterbehilfe offensteht.“

 


Grafik: Stand 2013, Quelle Hospiz Österreich

Symbolbild 1
 



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