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48 Stunden

Für Spitalsärztinnen und Spitalsärzte stellen sich angesichts der bevorstehenden Änderung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) viele Fragen. Da die Grundlagen aber noch nicht feststehen, lassen sie sich derzeit nur vorsichtig beantworten. Ein erster Versuch.

Warum muss die Ärztearbeitszeit neu geregelt werden?

Grundlage aller nationalen arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen ist die EU-Richtlinie 2003/88/EG, in der u. a. festgelegt ist, dass die Wochenarbeitszeit in der Regel im Schnitt 48 Stunden nicht überschreiten darf. Ebenso sind Ruhezeiten darin geregelt. Dass Bereitschaftsdienste mit Anwesenheit am Dienstort als Arbeitszeit zu bewerten sind – auch das ist eine Frage, die immer wieder diskutiert wurde – ist das eindeutige Ergebnis ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes  (EuGH).

 

Seit wann gibt es diese Regelung?

Die gültige Regelung stammt aus dem Jahr 2003, es gab auch vorher Richtlinien aus dem Jahr 1993 und 2000. Schlagend werden EU-Richtlinien aber erst durch Umsetzung in nationales Recht. Das wurde in Österreich zwar 2004 versucht, aber mit so vielen Hintertürchen, dass dies von der Europäischen Kommission, wie mittlerweile klar ist, nicht akzeptiert wurde. In den letzten Jahren gab es auch immer wieder politische Diskussionen (2006, 2008), bei denen offenbar die Hoffnung auf eine Novellierung bestand. Diese ist aber nicht erfolgt.

 

Wodurch ist die Frage jetzt aktuell geworden?

Im Februar 2014 hat der zuständige EU-Kommissar László Andor ein Mahnschreiben an den zuständigen österreichischen Sozialminister Rudolf Hundstorfer übermittelt, in dem auf Umsetzung der Richtlinie gedrängt wird. Das hat zu intensiven Verhandlungen in Österreich geführt. Das Ergebnis ist ein neuer Entwurf für das österreichische Krankenanstalten-Arbeitsgesetz, das mit 1. Jänner 2015 in Kraft treten soll.

Was sind die wesentlichen Punkte in dieser Gesetzesnovelle?

Vorweg: Der Entwurf liegt seit Ende Mai vor. Er ist allerdings (noch) nicht einmal in der offiziellen parlamentarischen Begutachtungsphase. Daher kann das Gesetz derzeit nicht abschließend beurteilen werden. Außerdem machen die Ländervertreter immer noch Druck, um die Bestimmungen zu durchlöchern. Aktuelles Beispiel ist etwa ein Antrag des Landes Niederösterreich.


Wesentlich ist aber:

  • Die durchschnittlich erlaubte Wochenarbeitszeit soll von derzeit 60 Stunden bis zum Jahr 2021 auf 48 Stunden reduziert werden.
  • Die höchstzulässige Dienstdauer soll ebenfalls in Etappen von derzeit 32 bzw. 49 Stunden (am Wochenende) auf 25 Stunden reduziert werden.
  • Durch eine so genannte Opt-out-Regelung sind aber längere Arbeitszeiten bis 1. Jänner 2021 möglich, wenn sowohl eine Betriebsvereinbarung, als auch die persönliche Zustimmung der einzelnen Dienstnehmerin/des einzelnen Dienstnehmers vorliegt.

Ausgleichsruhezeiten müssen ab 1. Jänner 2015 ohne Ausnahme unmittelbar an die Arbeitszeit angeschlossen werden und sind immer nach dem Schlüssel Dienstdauer-2 Stunden zu berechnen (Beispiel: Nach einem 49-Stunden-Dienst wäre/ist die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer zukünftig für 47 Stunden in Ruhe zu schicken).

Lässt sich das KA-AZG in dieser Form überhaupt umsetzen?

Die Übergangsregelungen schaffen einen gewissen Gestaltungsraum. Mit entsprechenden organisatorischen Begleitmaßnahmen (die von den spezifischen Gegebenheiten in der jeweiligen Organisationseinheit abhängen) ist eine Umsetzung möglich. Aber natürlich ist es eine Herausforderung.

Hier findet aber derzeit die Entwicklung der entsprechenden Modelle statt. Da das Gesetz aber noch nicht endgültig vom Nationalrat beschlossen ist, können auch noch nicht alle Fragen beantwortet werden.

Aber: In anderen  Bundesländern und einigen Trägern sowie den meisten EU-Ländern ist die Umsetzung der Richtlinie bereits gelungen, auch wenn sie noch nicht österreichisches Recht ist.

Soll ich das Opt-out in Anspruch nehmen?

Drei Punkte sind wichtig: Das Opting-out gilt nur für die Übergangsfrist, Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer können ihre Zustimmung auch immer widerrufen (innerhalb von acht Wochen nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf, wobei es starke Bemühungen gibt, das zu ändern) und es dürfen ihnen keine Nachteile daraus entstehen. Die Zustimmung darf schon gar nicht Bedingung für den Abschluss eines Dienstvertrags sein, bzw. darf sie nicht gemeinsam mit dem Dienstvertrag vorgelegt werden. Es ist aber derzeit verfrüht, das zu entscheiden, weil die Grundlagen noch nicht endgültig geklärt sind.

Was sind die finanziellen Auswirkungen?

Die finanziellen  Auswirkungen müssen im Zusammenhang mit den laufenden Dienstrechts- und Gehaltsverhandlungen gesehen werden. Ohne signifikante Verbesserung der Grundeinkommen werden KAGes und MUG noch größere Probleme bei der Suche nach Dienstnehmern bekommen. Es gibt also keinen Grund, sich vor den finanziellen Auswirkungen zu fürchten.

Derzeit werden bereits unterschiedliche Modelle gerechnet, KAGes und Ärztekammer arbeiten hier eng zusammen.

Ein spezielles Thema ist Teilzeitarbeit, hier ist das Arbeitszeit-Limit bald erreicht?

Diese Fragestellung gibt es bereits jetzt, auch ohne Novelle. Aber, um die Attraktivität für Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer zu verbessern, müssen hier entsprechende Lösungen geschaffen werden. Das ist auch der KAGes bewusst.

Wie sieht es mit der persönlichen Haftung aus, wenn die Opt-out-Regelung gewählt und vorerst länger als 48 Wochenstunden gearbeitet wird?

Eindeutige Antwort: Wenn eine Ärztin/ein Arzt im Rahmen der gültigen rechtlichen Bestimmungen die Opt-out-Variante wählt, muss der Gesetzgeber dafür Vorsorge treffen, dass die Arbeitnehmer keine haftungsrechtlichen Konsequenzen treffen. Sollte das nicht unmissverständlich gelingen, wird die Ärztekammer darüber informieren und dringend raten, sich gegen das Opt-out zu entscheiden.

Warum gibt es noch keine konkreteren und detaillierten Informationen?

Das KA-AZG liegt noch nicht endgültig vor, das Attraktivierungsprojekt sowie die Dienstrechts- und Gehaltsverhandlungen sind im Laufen. Strukturelle Fragen sind ebenfalls in Diskussion. Das heißt, es gibt in vier Bereichen, die ineinander wirken noch keine endgültigen Grundlagen. Erst wenn diese vorliegen, kann es konkrete Antworten geben. Das bietet natürlich Raum für Spekulationen und Gerüchte. Es sind aber eben nur Spekulationen.

Was ist die Position der Ärztekammer?

Die Ärztekammer will (und ist sich dabei in vielen Bereichen mit der KAGes einig) ein attraktives „Lebensmodell Ärztin/Arzt“. Die Bausteine dafür sind die Arbeits- und Lebensqualität, die Ausbildungsqualität für die Jungen, ein faires und im Vergleich zu anderen Bundesländern und auch Nachbarstaaten – speziell Deutschland und Schweiz – wettbewerbsfähiges Einkommen sowie die Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse (Familiengründung, Arbeitsbedingungen im Alter etc.).

Eine klare Notwendigkeit ist es, die Ergebnisse des Attraktivierungsprojekts zwischen KAGes und Ärztekammer zeitgleich mit dem neuen KA-AZG einzuführen.

 

Lebensmodell Arzt

Unsere Politiker und Spitalsträger können aus Fehlern lernen. Oder sie wiederholen. Mit allen Konsequenzen. Die Fakten liegen auf dem Tisch.

Von Martin Wehrschütz
Das „Arbeitszeitgesetz neu“ liegt als Entwurf auf dem Tisch. Ob es ein großer Wurf oder ein Fehlschlag wird, hängt aber vom Kampf der Lobbyisten ab, der hinter den Türen und teils auch ganz öffentlich tobt. Da gibt es Länder und Spitalsträger von Bregenz bis Eisenstadt, das Sozialministerium, die Europäische Kommission …

Jetzt also bereits gesichert zu sagen, wie das Gesetz ausschauen wird, ist unmöglich. Zu vieles ist noch unsicher. Aber eines nicht: Es muss ein tragfähiges Lebensmodell für Ärztinnen und Ärzte im Spital geben. Sonst werden den Spitälern die Ärzte ausgehen. Gezählte 101 Ärztinnen und Ärzte haben sich bereits im letzten Jahr für die Alternative Wahlarztpraxis entschieden, im ersten Halbjahr 2014 waren es bereits 54. Als Ärztinnen und Ärzte  sind wir dazu berufen, unseren Patientinnen und Patienten Hoffnung zu geben. Das können wir nur, wenn wir selbst Hoffnung haben.

Die Verhandlungen und Gespräche laufen. Wenn sie erfolgreich sein sollen, wird das Überwindung kosten – von Barrieren und Barrieren in der Geldtasche. Keine einfache Übung: Aber wenn sie nicht gelingt, werden viele Steirerinnen und Steirer zum „englischen Patienten“ der letzten Jahrzehnte werden: Der ist auf den Kontinent geflüchtet, weil er im eigenen Land keine angemessene Versorgung mehr bekommen hat. England hat aus diesen Fehlern zu lernen begonnen. Österreich und die Steiermark können das auch. Wir müssen sie nicht wiederholen.

Vizepräsident Martin Wehrschütz ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.

Symbolbild 1
 



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