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AERZTE Steiermark 07-08/2023

 

Öffentliche Med Unis liefern COVID-Daten für den Diskurs

Vertreter:innen der drei öffentlichen Medizinischen Universitäten Österreichs haben eine Studie aus einer ersten Tranche an Hospitalisierungs- und Outcome-Daten der COVID-19-Pandemie publiziert, als Grundlage für einen möglichen Diskurs. Weitere Datenanalysen sollen folgen.

„Wir wollten eine nachvollziehbare Datenlage schaffen“, erklärt der Hauptautor der Studie Nationwide analysis of hospital admissions and outcomes of patients with SARS-CoV-2 infection in Austria 2020 and 2021, Paul Zajic von der Grazer Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin.

Initiiert und ohne äußere finanzielle Mittel realisiert wurde die in scientific reports veröffentlichte Studie von einer Handvoll Intensivmediziern:innen und Epidemiolog:innen, die schon vor der Pandemie laufend ihr Wissen miteinander geteilt haben. Sie arbeiten für die drei öffentlichen Medizinischen Universitäten Österreichs in Wien, Graz und Innsbruck; ihre retrospektive Datenbearbeitung und -analyse basiert auf den von der Gesundheit Österreich GesmbH (GÖG) zur Verfügung gestellten Zahlen und fokussiert sich auf die Hospitalisierungszahlen, Aufnahmen in IMCUs und ICUs sowie deren zeitliche wie regionale Verteilung.

„Es handelt sich dabei vorwiegend um administrative Daten; medizinische Informationen liegen lediglich bei Aufnahme in eine Intensivstation vor“, erläutert Zajic. Hier wurde bei der Aufnahme der Simplified Acute Physiology Score (SAPS 3) festgestellt und danach täglich die Einordnung nach dem Simplified Therapeutic Intervention Scoring System (TISS 28) vorgenommen.

Aufgrund der Verzögerung, mit der Daten rückblickend wissenschaftlich aufbereitet und publiziert werden können, liegt derzeit nur eine Analyse für die ersten beiden Jahre der Pandemie vor; aber auch die Zahlen der Omikron-Wellen sollen letztlich analysiert und noch heuer veröffentlicht werden.

Mehr Männer

In die anonyme Datensammlung eingeschlossen wurden jene 68.193 Patient:innen, die im Betrachtungszeitraum vom 1. Jänner 2020 bis 31. Dezember 2021 mit einer COVID-Infektion hospitalisiert wurden (ICD-10-Diagnosen U04.9, U07.1 und U07.2).

Österreich wird in der Studie in vier Regionen unterteilt: Nord (Salzburg, Oberösterreich), Ost (Wien, Niederösterreich, Burgenland), Süd (Steiermark, Kärnten) und West (Tirol, Vorarlberg). Jede/r Patient:in wird in der Region gezählt, in der es zur Erstaufnahme ins Spital gekommen ist.

Rund 60 Prozent der hospitalisierten Personen waren 65 Jahre alt oder älter – bei einem Bevölkerungsanteil von 19,2 Prozent. Von den hospitalisierten Infizierten waren 52,6 Prozent Männer, unter den auf die ICU aufgenommenen sogar 64,8 Prozent (IMCU 62,7 Prozent). „Diese Geschlechterdifferenz ist kein österreichisches Phänomen, sondern wurde weltweit beobachtet“, erklärt Zajic. „Die Ursache ist noch nicht bekannt, es gibt jedoch einige Postulate: von der unterschiedlichen Ausprägung von Enzymen bis zu ungleich verteilten Vorerkrankungen, insbesondere Adipositas.“

Alter & Geschlecht

Nicht nur das Geschlecht spielte bei der Wahrscheinlichkeit, in ein Krankenhaus (und in eine ICU) aufgenommen zu werden, eine Rolle, sondern auch das Alter. Die meisten intensivmedizinischen Betreuungen gab es in der Altersspanne zwischen 55 und 74 Jahren.

In jüngeren Jahren waren die Krankheitsverläufe mehrheitlich weniger dramatisch; mit zunehmendem Alter sank die Wahrscheinlichkeit einer ICU-Aufnahme aus anderen Gründen: „Of note, there has been no formal policy allowing or disallowing for age-based patient selection in Austria in the concerned time period“, so die Studie. De facto wurden die Betten jedoch hauptsächlich an Jüngere mit besserer Prognose vergeben. „Der Sinn unserer Datenaufarbeitung liegt darin, einen gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen, auf den im besten Fall eine bewusste Entscheidung folgt, wie in Hinkunft mit derartigen Situationen umgegangen werden soll“, so Zajic.

Die Entscheidung über eine Aufnahme auf die Intensivstation wurde üblicherweise in Anlehnung an ein Expertenstatement der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin ÖGARI getroffen. Eine gesetzliche Vorgabe oder Rechtsprechung dazu (wie in Deutschland) gab es in Österreich nicht; letztlich handelte es sich stets um einen individuell auf den/die Patient:in abgestimmten Beschluss.

Region & Welle

Entscheidend für die Wahrscheinlichkeit einer intensivmedizinischen Betreuung waren auch die Region der Erstaufnahme und der Zeitpunkt der Aufnahme (gegliedert wurde der Betrachtungszeitraum in vier Halbjahre). Die Patientenverteilung über die Regionen entsprach in etwa den Bevölkerungsanteilen, variierte jedoch über die Zeit. War anfangs die Westregion etwas überrepräsentiert, verlagerte sich der Schwerpunkt später auf die Ostregion.

Insgesamt lag die Mortalität in der Gruppe der hospitalisierten COVID-19-Patient:innen bei 17,3 Prozent, wobei von den an einer ICU aufgenommenen 36,7 Prozent starben (36 Prozent in den IMCUs). Das Risiko, im Spital zu sterben, war in der Ostregion am höchsten.

Eine Konzentration auf Wien ergebe sich, so Zajic, nicht unbedingt aufgrund der Verlagerung Schwerkranker in ein hochspezialisiertes Zentrum, weil eben die Region der Erstaufnahme zählt – und weil zudem gar nicht so viele Patient:innen verlagert wurden. „Soweit ich das überblicke, wurde aus Graz nur ein einziger Patient zur Lungentransplantation nach Wien überstellt“, berichtet Zajic. Innerhalb der Steiermark gab es hingegen schon Transfers nach Graz.

Nichtlineare Entwicklung

Zwischen Lebensalter und Sterbewahrscheinlichkeit während des Krankenhausaufenthaltes bestand eine nahezu lineare Verbindung.

Ein weiterer Risikofaktor ergab sich aus dem männlichen Geschlecht (Odds Ratio 1,67). Die Sterblichkeitsrate unter den Intensivpatient:innen variierte während der ersten drei Halbjahre des Betrachtungszeitraums kaum und lag im vierten Halbjahr (während der Delta-Welle) signifikant höher. Die zunehmenden Behandlungsmöglichkeiten führten also nicht linear zu einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit.

Die Folgeanalyse, wie sich die Situation während der Omikron-Wellen entwickelt hat, kann daher mit Spannung erwartet werden.

 

Foto: Meduni Graz, Shutterstock




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