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AERZTE Steiermark 06/2023

 

Was brauchen alte Patientinnen und Patienten?

Wichtig ist die Sicht auf den ganzen Menschen, nicht nur die auf ein bestimmtes Symptom. Das sagen die Fachleute.

Ein alter Mensch stürzt. Und landet auf der Unfallchirurgie. Wo die Folgen des Sturzes exzellent behandelt werden. Bald kann er wieder nach Hause entlassen werden. Das einzige Problem: Den Ursachen des Sturzes (schlechte Orientierung, Schwindel, allgemeine Schwäche …) wurde nicht auf den Grund gegangen, sie wurden daher auch nicht behoben. Der alte Mensch wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder stürzen. Wieder werden die Sturz-Folgen exzellent behandelt werden. Und wieder, und wieder … ohne Selbstmanagement und ohne den gesamten Menschen zu sehen, ein Teufelskreis.

Regina Roller-Wirnsberger, Past-Präsidentin der Österreichischen Gemeinschaft für Geriatrie und Gerontologie und Professorin für Geriatrie und kompetenzbasierte Curriculumsentwicklung sowie Leiterin der Forschungseinheit für Altersmedizin und lebenslange Gesundheit an der Medizinischen Universität Graz sieht in der Geriatrie, die eben diesen Blick auf den gesamten (alten) Menschen hat, einen wichtigen Beitrag. Ihre Kritik: Österreich sei zu „diagnoseorientiert“.

Sind Fachärztinnen und Fachärzte für Geriatrie (die es als Ausbildungsfach in Österreich nicht mehr gibt) der richtige Weg? Manches spricht dafür. Jedenfalls sei die Geriatrie so wie in einigen osteuropäischen Ländern und weiten Teilen Deutschlands auch in Österreich „unterentwickelt“. Während sie in anderen boomt: Laut Roller-Wirnsberger ist die Geriatrie das am stärksten wachsende internistische Fach in Großbritannien.

Die geringe Bedeutung in Österreich erstaunt. Sind doch 65+Jährige eine stark wachsende Bevölkerungsgruppe. Am 1. Jänner 1970 waren laut Statistik Austria 14 Prozent der österreichischen Bevölkerung 65 Jahre und älter. Am 1. Jänner 2022 waren das 18,7 Prozent. Oder in realen Zahlen: Aus 1,391 Millionen über-65-Jährigen am Stichtag 1.1.1970 wurden bis zum 1.1.2022 fast 2,595 Millionen Personen diesen Alters. Betrachtet man die 75+Jährigen wuchs die Anzahl gar von gar von 347.350 auf 849.672 – das ist weit mehr als eine Verdoppelung.

Eine wichtige Rolle in der Erstbetreuung dieser „Alten“ kommt den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin als „Hausärztinnen“ und „Hausärzten“ zu. Dort ortet Bildungsexpertin Roller-Wirnsberger „einen extrem hohen Bedarf an Geriatrie“.

(Nicht nur) für Hausärztinnen und Hausärzte (das Angebot richtet sich auch an alle Fachärztinnen und -ärzte, speziell die für Innere Medizin) gibt es das Geriatrie-Diplom der ÖÄK.

Lehrgänge dazu bieten die Akademie der Ärzte und die Ärztekammer Steiermark (siehe Kasten) an. Das Curriculum ist breit. Es umfasst Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologie und Symptomatologie von Erkrankungen und Behinderungen des höheren Lebensalters, spezielle Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in den geriatrisch relevanten diagnostischen Verfahren, konkret in der geriatrischen Therapie von körperlichen und seelischen Erkrankungen im biologisch fortgeschrittenen Alter, in der Behandlung der Stuhl- und Urininkontinenz, in den pharmakodynamischen Besonderheiten und der Dosierung von Arzneimitteln sowie der Medikamenteninteraktion bei Mehrfachverordnungen, in altersadäquater Ernährung und Diätetik sowie physio- und ergotherapeutischen, logopädischen Maßnahmen und der prothetischen Versorgung, aber auch in Reintegration zur Bewältigung der Alltagsprobleme sowie der Sozialmedizin, insbesondere der Nutzung sozialer Einrichtungen.

Fachärztinnen und -ärzte im Krankenhaus haben die Möglichkeit der Spezialisierung. Als „Quellfachgebiet“ werden (neben der Allgemeinmedizin) auch Innere Medizin mit allen Bereichen, Orthopädie und Psychiatrie/Neurologie definiert. Die aufwändige Ausbildung dauert 27 Monate.

In Deutschland ist die Zusatzausbildung nicht unumstritten. „Der hausärztliche Allgemeinmediziner ist aufgrund seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit bereits qualifiziert für die medizinische Versorgung älterer Menschen“, sagte Dieter Geis, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, im Jahr 2017. Die Versorgung älterer und hochbetagter Patienten sei „längst Alltag in unseren hausärztlichen Praxen“, so der süddeutsche Verbandsvorsitzende. Ähnliche Kritik kam auch aus Hausärzteverbänden anderer deutscher Bundesländer. Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) sah es anders und hielt den Ruf nach einer/einem Fachärztin/Facharzt für Geriatrie aufrecht.

 

Projekte in Österreich gibt es zwar, sie kommen aber nur schwer in die Gänge:

GEKO, ein Betreuungsprojekt in der Weststeiermark (LKH) und Graz (GGZ) wurde vor der Corona-Pandemie zur Unterstützung der Hausärztinnen und -ärzte in Pflegeheimen gestartet, erreichte aber nicht die erwartete Flughöhe. Das MOBIREM-Konzept zur ärztlichen Unterstützung bei geriatrischen Patientinnen und Patienten daheim kann zwar mit guten Zahlen aufwarten, ist aber „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ (Roller-Wirnsberger).

Peter Mrak, Geriatriereferent in der Ärztekammer Steiermark und selbst erfahrener Geriater, der die Akutgeriatrie zuerst am mittlerweile ehemaligen LKH-Standort Hörgas mit aufgebaut und dann am LKH-Standort Voitsberg neu geschaffen hat, sagt dazu: „Die klinische Geriatrie muss für die Wahl des Behandlungspfades von älteren Patienten fest verankert sein.“

 

Geriatrie-Diplom in Graz

Am 22. September startet der Diplomlehrgang „Geriatrie“ in Graz.

Der gesamte Kurs geht in 8 Modulen bis 2024.

Die gesamte Lehrgangsgebühr beträgt 3.200 Euro.

Der erfolgreiche Abschluss berechtigt dazu, um die ÖÄK-Diplome Geriatrie und Palliativmedizin anzusuchen.

Nähere Informationen und Anmeldung

 

Fotos: Adobe Stock (5), Schiffer

 




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