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AERZTE Steiermark 04/2023

Krankenhausküche mit Ansprüchen

Ein Krankenhaus ist kein Restaurant. Trotzdem hat es ein belgisches Spital in den Gault Millau geschafft. Auch die Küchenchefs in den steirischen Spitälern sind bemüht, die Patient:innen im Rahmen ihrer Möglichkeiten kulinarisch zu verwöhnen.

„Eine Haube im Gault Millau ist aber wohl eher unwahrscheinlich.“ Mit diesem Satz endete vor genau zehn Jahren ein Artikel über Krankenhauskost in der Tiroler Tageszeitung. Ein Jahrzehnt später lässt eine Reuters-Meldung aufhorchen: Das Spital az groeningen im belgischen Kortrijk wird mit seinem Patientenessen erstmals im Gault Millau gelistet. Ohne Haube und in einer anderen Kategorie als klassische Restaurants, aber immerhin: Der Anspruch, selbst Diätkost aus der Großküche zu veredeln, ist erfreulich.

Ein gutes Jahr lang dauerte der Auditprozess, mit Verkostungen zu acht Testzeitpunkten. 16 Gerichte inklusive ihrer Diätvarianten wurden bewertet; „Getestet & goedgekoerd“ (geprüft und angenommen), wie es heißt. Die Bewertungskriterien reichten von Geschmack und Aroma über Textur, Konsistenz, Geschmackskomposition, Serviertemperatur, Regionalität und Saisonalität bis hin zur Präsentation der Speisen und der Übereinstimmung von Beschreibung auf der Speisekarte und Realität auf dem Teller. Selbst die Patient:innen wurden in die Audits mit einbezogen.

 

Cook & Chill als fester Rahmen

Auch in der Steiermark versuchen ambitionierte Spitalsköche ihre Kompositionen stetig zu verbessern. Küchenmeister Thomas Sommer, seit drei Jahren Küchenchef am LKH-Universitätsklinikum Graz, kommt von den Sheraton-Hotels und hat Küchenberatung für Hauben- und Sterneköche gemacht. In seiner neuen Aufgabe in Graz lernte er gleich einmal die Hygienevorschriften für Krankenhausessen kennen: Warme Speisen müssen vor dem Servieren auf über 70 Grad erhitzt worden sein und dürfen nie unter 55 Grad abkühlen (außer in der schnellen Kühlung des Cook & Chill-Verfahrens). Und zumindest die Patientenmenüs müssen am Klinikum mittels Cook & Chill zubereitet werden. Das bedeutet Kochen und Kühlen auf unter vier Grad am Vortag, am nächsten Tag Anrichten auf dem Teller, Ausliefern durch das Logistikteam und „Regenerieren“ in den speziellen Wagen auf der Station. Damit gibt der Küchenchef die sensible Garzeit aus der Hand. Denn wie lange das Essen warmgehalten wird, liegt nicht mehr in seinem Einflussbereich – und richtet sich oft nach den Terminen der Patient:innen. Bei rund 4.000 Essensportionen täglich steht die Effektivität des Verfahrens im Vordergrund.

„Je mehr die Küche in eine Fabrik umgewandelt wird, desto mehr leidet die Qualität“, gibt Hermann Toplak, Endokrinologe und Leiter des ÖÄK-Diplomlehrganges für Ernährungsmedizin, zu bedenken.

 

Herausforderung angenommen

Effektivität beim Kochen großer Mengen – und die entsprechenden wirtschaftlichen Vorgaben – sieht Küchenchef Sommer durchaus als Herausforderung. Eine, der er sich gerne stellt. Ein paar Änderungen hat er schon umgesetzt: Diese beginnen beim Frühstück, zu dem seit Kurzem gewärmtes Gebäck serviert wird, und führen über selbst komponierte Gewürzmischungen – sein Stolz ist ein magenschonender Curry – bis hin zum punktgenauen Regenerieren: „Als ich zum ersten Mal Käsespätzle im Cook & Chill-Verfahren zubereitet habe, waren sie am Ende innen kalt und außen trocken. Nach einer Testphase hatte ich eine glorreiche Idee …“

123 Mitarbeiter:innen der Küche und rund 25 Diätassistent:innen arbeiten mit Sommer zusammen. Ein- bis zweimal pro Monat reserviert er, der mittlerweile vorwiegend administrative und vernetzende Aufgaben innehat, einen Tag für das Kochen neuer Gerichte. Im Anschluss stellt er sich dem professionellen Urteil seines Teams.

Grundsätzlich fertigt Sommer mit seinen Mitarbeiter:innen möglichst viel selbst, Convenience in höheren Stufen ist verpönt. Im Bereich der Diätküche will er sich diesbezüglich noch verbessern: Allergenarme Fertigsuppen möchte er in Hinkunft durch selbst gekochte ersetzen und sein besonderes Augenmerk gilt der Breikost für Patient:innen mit Dysphagie: „Die Herausforderung dabei liegt in der Farbe und der Form. Wir wollen nicht einfach einen Schöpfer Brei auf den Teller klatschen.“ Das Essen, so Sommer, soll ja neben den Besuchen das erfreuliche Gegengewicht zur Krankheit und den fordernden Therapien sein.

 

Anregungen erwünscht

Ausleben kann sich Küchenchef Sommer bei den frisch gekochten Mahlzeiten für die Mitarbeiter:innen des Klinikums. Auch für sie werden täglich rund 1.500 Essen zubereitet, 600 davon frisch. Cook & Serve, wie es halt immer noch am besten schmeckt. Da kommt auch Gebackenes oder Gegrilltes auf den Speiseplan, es gibt Garnierung, ein Salatbuffet und Desserts zur Auswahl … Sogar Bowls werden in der Mitarbeiter-Lounge im Versorgungszentrum des LKH angeboten – Sommer versucht, das Essen zeitgemäß zu gestalten und nimmt auch Anregungen aus der Mitarbeiterschaft entgegen. Ernährungsmediziner Toplak könnte sich einen Gedankenaustausch vorstellen.

 Zur Höchstform läuft der Küchenchef des Uniklinikums auf, wenn er das Catering für hauseigene Veranstaltungen übernimmt. „Da wäre es dann schön, wenn jemand vom Gault Millau käme …“

 

„Care Catering“

Bei den Barmherzigen Brüdern Graz kocht das Team um Christian Eberl auf. Täglich vier Menüs: Normalkost, leichte Vollkost, etwas Vegetarisches und ein Menü nach den Kriterien der „Grünen Küche“ von Styria vitalis. Auch vielfältiges veganes Essen ist hier durchaus möglich; sogar die Mandelmilch wird selbst erzeugt.

Die rund tausend warmen Essensportionen pro Tag nähren nicht nur die Patient:innen und Mitarbeiter:innen der Barmherzigen Brüder in der Marschallgasse und jene des Standortes der Elisabethinen in Eggenberg, sondern ergehen auch an Schulen, Kindergärten, Altersheime und Flüchtlingsunterkünfte. Frisch gekocht wird für alle und je nach Zielgruppe wird das Essen variiert. „Für die Mitarbeiter gibt es im Speisesaal auch Spezialmenüs, die frisch Operierte nicht vertragen würden: Pizza, frische Burger, aber auch einmal Krautfleckerln oder einen Linseneintopf“, erzählt Küchenchef Eberl, der seit 20 Jahren in Großküchen aufkocht. Vor seinem Wechsel zu den BHB im Jahr 2016 war er Produktionsleiter in der Küche der Albert Schweitzer Klinik. In beiden Funktionen war und ist er Angestellter der Firma Contento Simacek, die in ganz Österreich mehr als 50 Krankenhausküchen betreibt und die – auch für Seniorenheime – spezielles „Care Catering“ anbietet. Eberls Team umfasst inklusive Logistik-Mitarbeiter:innen 43 Personen.

 

Grüne Haube als Ziel

Regionalität und Saisonalität stehen auch bei den Barmherzigen Brüdern ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Kooperation mit Styria vitalis, für deren Grüne Küche zudem ein Mindestanteil an Bioprodukten und Vollwertgetreide zu verwenden ist, hat Eberl schon von seiner Vorgängerin übernommen. Dafür gibt es eine jährliche Überprüfung. Im kommenden Jahr möchte er eine weitere Stufe auf der Zertifizierungsleiter erklimmen und die „Grüne Haube“ erringen. Ob seine Küche auch Chancen hätte, im Gault Millau gelistet zu werden, weiß Küchenchef Eberl nicht. Umso genauer kennt er seine Ansprüche an das Essen, für das er verantwortlich ist: Da wird der Strudelteig selbst gezogen, jede Cremesuppe aus Frischgemüse hergestellt und für das Auge ansprechend garniert.

Die speziellen Herausforderungen einer Krankenhausküche sieht Eberl neben den Hygienestandards auch im Speisenangebot für Menschen mit Unverträglichkeiten und in speziellen gesundheitlichen Situationen. „Wir haben einen eigenen Speisenkatalog für die präoperative Phase und den Kostaufbau nach einem Eingriff“, erläutert Eberl. Auch er tüftelt an der Breikost, testet verschiedene frische Mousses und ist sogar dabei, ein eigenes Brot für diese Patientengruppe zu entwickeln.

 

98,2 Prozent Zufriedenheit

„Wichtig ist, dass man mit Liebe, Leib und Seele kocht“, lautet sein Credo. Die Patient:innen geben ihm Recht: In der letzten Quartalsumfrage bei den Barmherzigen Brüdern konnte die Küche mit 98,2 Prozent Zufriedenheit punkten. „Und immer wieder schickt jemand ein Brieferl an die Küche, um das Essen zu loben. Das ist dann Balsam für die Seele.“

 

Fotos: Eberl/BHB, Marija Kanizaj_LKH-Universitätsklinikum Graz




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