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AERZTE Steiermark 03/2023

 

„Es geht mit mir“

Vorsorgemediziner Bernd Haditsch schreibt nicht nur (für) Wanderbücher, sondern verschreibt das Wandern auch seinen Patient:innen als Arzneimittel. Und nicht zuletzt sich selbst eine tägliche Ration davon.

Ursula Scholz

„Von allen Seiten und zu jeder Jahreszeit“ den Hochschwab zu besteigen zählt für Bernd Haditsch zu den größten Freuden des Lebens. Da derartige Unternehmungen für einen Vollzeit-Arzt nicht alltäglich machbar sind, absolviert er sein Gehpensum unter der Woche von seiner Haustür in der Ragnitz weg.

„Bewegung, also auch Wandern ist das wichtigste Arzneimittel des 21. Jahrhunderts“, ist der Internist, der im Gesundheitszentrum Graz der ÖGK als ärztlicher Leiter der Vorsorgeuntersuchungsstelle arbeitet, überzeugt. Daneben ist er noch in seiner Wahlarztordination „TravelMedCenter“ als Reise- und Expeditionsmediziner tätig. Und als (Mit-)Autor von Wanderbüchern.

Das Faible für den Hochschwab hat er geerbt: Haditschs Mutter, eine Sportlehrerin, war dem „Schwåbn“ auch schon sehr zugeneigt. Ihr älterer Bruder Fritz meisterte ebendort schwierigste Klettereien und faszinierte schon den kleinen Buben mit seinen Abenteuergeschichten. Bernd Haditschs älterer Bruder hingegen war der erste Arzt in der Familie, aber nicht ausschlaggebend für die Berufswahl des Jüngeren, der sich noch am Inskriptionsschalter unsicher war, ob Medizin wirklich der passende Beruf ist. Mittlerweile ist er sich sicher.

Abseits des Messzwanges

Neben der sanften Bewegung machen auch die Naturerlebnisse und vielfältigen Sinneseindrücke vom Gluckern des Baches bis zum Terpenduft der Nadelhölzer das Wandern für Bernd Haditsch zu einer heilenden Tätigkeit. „Die Gebirge sind stumme Meister“, zitiert er Johann Wolfgang von Goethe. Und Haditsch zitiert wirklich gerne. Am liebsten verweist er zu diversen Themen auf sein Vorbild, den berühmten Psychiater Viktor Frankl, der ein ebenso begeisterter Bergsteiger war. Dessen „Lebensberg“ war die Rax.

Für Bernd Haditsch, der schon seinerzeit in schulischen und universitären Belangen, aber auch später als Marathonläufer und Triathlet immer nach Bestleistungen gestrebt hat und strebt, beinhaltet das Wandern einen weiteren Vorteil: Es spielt sich abseits des Leistungsdenkens ab und entzieht sich weitgehend der Messbarkeit. „Es gibt nur einen Rivalen beim Bergsteigen oder Klettern: Man nimmt es mit sich selbst auf“, um Viktor Frankl zu zitieren ...

Mit der Atmung gehen

„Es geht mit mir“, beschreibt Haditsch sein nahezu meditatives Gehen, bei dem er sich im Gleichklang mit seiner Atmung rhythmisiert. Die Orientierung am Atem geschah rein intuitiv, meint er rückblickend. Als er dann vor vier Jahren mit Yoga begonnen hat, wurde ihm bewusst, dass er nach diesem Prinzip schon sehr lange lebt.

„Im Gehen spiegelt sich auch meine aktuelle Tagesverfassung wider“, betont er. Diese verändert sich dann im besten Fall entlang der Strecke im Sinne zunehmender Entspannung. Ist Haditsch alleine unterwegs, tendiert er aber auch beim Gehen zu Mammutprojekten: So absolvierte er zum Beispiel die „steirische Überschreitung“ vom Eisenerzer Reichenstein bis zum Admonter Reichenstein in 12 Stunden, nur mit kleinen Trinkpausen.

Tochterzeit am Kilimandscharo

Haditsch hat aber auch ein Buch über das Wandern mit Kindern geschrieben – und da muss man sich von den Mammutprojekten vorerst einmal verabschieden. „Wenn man mit Kindern wandert, geben sie den Takt vor“, lautet seine Devise. Brauchen sie eine Pause, finden die Kuhherde interessant oder wollen am Bach spielen, dann haben diese Bedürfnisse und Interessen Vorrang. „Hütten und Gipfelkreuze sind nur für Erwachsene echte Ziele.“ Neben dem Ermöglichen von Naturerlebnissen unterhält er wandernde Kinder mit Geschichten zum Berg und Sagen zur Gegend als Motivationsanreiz.

Zumindest bei seiner älteren Tochter – Haditsch ist Vater dreier Kinder – muss die Weitergabe der Begeisterung funktioniert haben: Ihr hat er zur Matura eine Tour auf den Kilimandscharo geschenkt. Da geht man nicht eben mal dem Vater zuliebe mit, selbst wenn man die exklusive Vater-Tochter-Zeit zu schätzen weiß.

Auch öffentlich ausgeschriebene Papa-Kind-Wanderungen hat Haditsch schon organisiert und dabei mit Vergnügen die Verhaltensveränderung vor allem bei den Vätern beobachtet. Diese Wanderungen zählen zu seinen Highlights am Berg, neben Hochschwab-Übernachtungen, Weitwandern durch Korsika und Steilwand-Abfahrten auf Schitouren durch die Rote Rinne an der Ostseite des Eisenerzer Reichensteins oder vom Gamskögel über die Prinzessinnenrinne. Gerne erinnert er sich auch an seine Nepal-Expedition, bei der er im Rahmen des alpinmedizinischen Projektes Silberpyramide 2002 Forschung „auf höchstem Niveau“ in beiderlei Sinn des Wortes betreiben konnte.

Zwei, drei Ideen …

Haditsch hat aber auch für Erwachsene über das Wandern geschrieben, nämlich den medizinischen Teil von Christian Hlades „Das große Buch vom Wandern“, das 2019 veröffentlicht wurde. Der Gründer von Weltweitwandern gibt darin Tipps für Wanderungen vom Hochschwab bis zum Himalaya – und ebenso so vielfältig sind auch die Sehnsüchte von Haditsch, wenn es um zukünftige Bergtouren geht: „Ich würde gerne einmal Ladakh sehen und über die Pyrenäen weitwandern. Ich kenne auch Südamerika noch gar nicht und eine Wanderung über die Kordilleren wäre spannend.“ Auch der chinesische Eisriese Mustagh Ata im Ostteil des Pamir-Gebirges würde ihn reizen. Oder den sechsthöchsten Berg der Erde, den Cho oyu, zu meistern, dessen Erstbesteigung durch den Wiener Geologen Herbert Tichy ihn fasziniert. „Ich habe schon noch zwei, drei Ideen …“

Konkrete Pläne für große Expeditionen schmiedet Haditsch derzeit aus familiären Gründen keine. „Für sechs- bis achtwöchige Touren – und so lange braucht man für einen derartigen Berg und um auch die Umgebung zu erkunden – habe ich im Moment keine Zeit. Meinen Urlaub möchte ich ja mit meiner Familie verbringen und solange die Kinder noch so jung sind, reichen uns auch die steirischen Berge.“

Aufräumen im Kopf

Die kathartische Wirkung des Gehens spielt sich zu einem wesentlichen Teil ohnehin im Kopf ab. „Beim Wandern räume ich meinen Schreibtisch im Kopf auf“, wie es Haditsch nennt. Auch die Wegzeiten von und zur Arbeit, die er mit dem Fahrrad zurücklegt, dienen einem ähnlichen Zweck. Am Ziel angekommen, geht er gerne demonstrativ mit dem Radhelm durch´s Wartezimmer, um zu zeigen, dass auch der leitende Arzt mit dem Fahrrad kommt. „Ich sehe mich schon auch als Vorbild im Bereich der Gesundheitsvorsorge“, erklärt er, der sich in Ermangelung eines Curriculums für Vorsorgemedizin seine Expertise aus den Bereichen Umweltmedizin, Genetik, Ernährungsmedizin, Global (Public) Health, Behavioral Medicine und Lifestyle Medicine selbst zusammengesucht hat.

Seine Rolle als Vorbild legt er jedoch ganz ohne Zeigefinger an: „Ich bin kein Heiliger, ich bin bei den Leuten“, betont er und gesteht: „Meine erste Gesundenuntersuchung hat grottenschlechte Ergebnisse gebracht.“ Die hinzunehmen er nicht bereit war und die er letztlich mit einem durchdachten Bewegungs- und Ernährungsprogramm wieder auf Vordermann gebracht hat. „Nimm dir ein Ziel vor, erreiche dieses und du kommst als neuer Mensch zurück“, zitiert er abermals Viktor Frankl …

 

Fotos: Opernfoto Hausleitner, beigestellt




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