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AERZTE Steiermark 02/2023

 

Der Österreichische Impftag ist tot – es lebe der Österreichische Impfkongress!

Zum letzten Mal hat der Österreichische Impftag in dieser Form stattgefunden: Die Themen rund ums Impfen haben so an Bedeutung gewonnen, dass mit 2024 der eineinhalbtägige „Österreichische Impfkongress“ eingeführt wird.

Der 26. und 27. April 2024 können im Kalender bereits farbig markiert werden; es handelt sich dabei um das Datum des ersten Österreichischen Impfkongresses, der in Zukunft immer zeitlich mit der Europäischen Impfwoche koordiniert werden soll. Der heurige letzte Österreichische Impftag, in bereits bewährter hybrider Form, weckte das Interesse von mehr als 1.200 Personen, wovon rund 250 vor Ort anwesend waren. In seiner Begrüßung hielt Gesundheitsminister Johannes Rauch fest, dass seine persönliche Anwesenheit durchaus als politisches Statement verstanden werden dürfe. Impfen steht im Fokus.

Das heurige Motto The good, the bad & the ugly – Neues aus der Vakzinologie sorgte für durchaus spannende Interpretationen dessen, was „ugly“ war und ist: von einzelnen Impfstoffpreisen bis hin zur Existenz von Long COVID (einer Bezeichnung, bei der es auf Dauer nicht bleiben werde, wie Lungenreha-Experte Ralf Zwick in den einleitenden Worten zu seinem Vortrag prognostizierte).

Was die Impfung (nicht) kann

„Der Schutz vor einer Infektion vergeht schnell, der Schutz vor einer schweren Erkrankung bleibt“, betonte Ulrike Protzer, Virologin an der TU München, in ihrem Vortrag mit dem Titel COVID-Impfstoffe: Was können sie (nicht). Durch Impfungen ließe sich eine Infektion mit einer der Omikron-Varianten leider nur zu 50 Prozent verhindern. Den maximalen Schutz biete die Hybridimmunität, also eine Kombination aus (möglichst drei) Impfungen und einer Infektion. Ein reiner Schutz durch Infektion sei der Hybridimmunität unterlegen, denn es brauche durchaus „andersartige Booster“. Gegen die derzeit fortschreitende XBB-Variante wirke der angepasste Impfstoff zumindest besser als der ursprüngliche, die neue Variante von Omikron binde jedoch gleich dreimal so gut an die Zellrezeptoren. XBB sei durch die bisherigen monoklonalen Antikörper nicht zu bekämpfen. Eine vierte Impfung empfiehlt Protzer für Ältere und Vorerkrankte; für Kinder nur bei sehr hoher Exposition. Protzer berichtete von Patient:innen, die schon eine dritte Durchbruchsinfektion verzeichnet haben. Noch gebe es keine Studie zu den Ursachen für eine derartige Empfänglichkeit; eine Möglichkeit wäre ein genetisches Defizit auf der Interferonebene.

Nach vorne schauen!

Robert Böhm, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Wien, gab die Devise aus, in der Impfkommunikation nach vorne zu schauen und insbesondere Virtual Reality und Artificial Intelligence in der Impfkommunikation zu implementieren. „Die schwierigen Zeiten in der Impfkommunikation liegen noch vor uns“, warnte Böhm. „Auch in Bezug auf andere Impfungen.“ Die Erfahrungen, die die Menschen mit dem Thema Impfung in der Pandemie gemacht haben, würden die künftige Impfkommunikation erschweren.

Zwei Routen der Impfkommunikation stünden zur Verfügung: Entweder bestehe großes Vertrauen in die kommunizierenden Personen oder man müsse ein tiefgreifendes Sachverständnis für die Vorteile einer Impfung schaffen. Auch bei Nicht-COVID-Impfungen habe ein Vertrauensverlust stattgefunden und in den Einstellungen zu Impfungen sei eine Polarisierung zu verzeichnen. Große Impfkampagnen erreichten immer weniger Menschen, daher sei die Impfkommunikation in Hinkunft zu personalisieren.

Sachlicher Chatbot

Als neue Möglichkeit vertrauensvoller und personalisierter Impfkommunikation pries Böhm Chatbots, die auch die emotionale Ebene einer Anfrage erkennen. Die Vorteile lägen in der Anonymität der Fragenden, der Neutralität des Chatbots, der keine Eigeninteressen habe, dafür aber zeitlich flexibel sei und seine Antworten dank Emotionserkennung durch Natural Language Processing personalisieren können. Nachteile der Impfkommunikation via Chatbot ortet Böhm in der Sicherstellung lokal spezifischen Kontextwissens (der Chatbot muss sagen können, wann morgen die Impfstraße in Leoben geöffnet hat), in der Technologieaversion der potentiellen Nutzer:innen und darin, dass das Deep Learning des Chatbots quasi in einer Black Box stattfindet und nicht nachvollziehbar ist. In Italien werden Chatbots bereits in der MMR-Impfkommunikation eingesetzt; in Bangladesh konnte auch in den entlegensten Gebieten damit über die COVID-Impfung informiert werden. Unter Einsatz virtueller Realitäten könnten Bedrohungsszenarien durch Infektionsausbreitung persönlich erfahrbar gemacht werden, aber auch Raum und Zeit überwunden werden. In der Avatarrolle seien, sobald man sich mit dem Avatar identifiziere, durch quasi-eigenes Erleben komplexe Vorgänge besser zu verstehen. Die neuen Technologien könnten das Arztgespräch nur ergänzen, nicht aber ersetzen, betonte Böhm. Zudem sei es wichtig, ein geschlossenes System zu schaffen, aus dem sichere Informationen herangezogen werden, und die Qualität der Antworten zu sichern. Denn noch greifen Chatbots auch gerne auf erfundene Quellen zurück …

Sogar nach Zoster impfen

Auch andere Viren bekamen Raum am Österreichischen Impftag: beispielsweise Herpes zoster und RSV. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts der Universität Erlangen, referierte über die Wirksamkeit und optimale Anwendung der Herpes-zoster-Impfstoffe. Der Lebendimpfstoff Zostavax zeige eine schlechtere Wirksamkeit als der Proteinimpfstoff Shingrix. Die Immunität nach Shingrix lässt sich mittlerweile schon über zehn Jahre belegen, wobei ein erstes Absinken nach zwei bis vier Jahren beobachtet wurde, die danach weiterbestehende Immunität jedoch über Jahre stabil bleibt. Mit dem Schutz vor dem Zoster-Ausbruch einhergeht auch ein Schutz vor den schwer therapeutisch in den Griff zu bekommenden postherpetischen Neuralgien.

Shingrix sei jedoch, so Überla, vermutlich aufgrund seines Adjuvans, welches das angeborene Immunsystem stimuliert, sehr reaktogen. Rötungen an der Einstichstelle, Schlappheit, Kopfschmerz und Fieber könnten durchaus bis zu einer Woche lang andauern. Der Impfstoff zeige jedoch eine hervorragende Wirksamkeit, auch bei Älteren und teils auch bei immunsupprimierten Personen. Da Zosterrezidive nicht selten vorkommen, rät Überla, die Impfung auch nach einem Herpes zoster durchzuführen, vor allem bei Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma, COPD, chronischer Herzschwäche, coronaren Herzerkrankungen, Diabetes, Depression und rheumatoider Arthritis.

Zukunftsmusik RSV-Impfung

Einen Ausblick auf künftig mögliche RSV-Prävention gab Martina Prelog, Pädiaterin und Fachärztin für Immunologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Würzburg – mit durchaus humoristischem Anstrich, wenn sie ihre bunte Darstellung des komplex aufgebauten Virus und seiner Wirkungsweise als „immunologisches Wimmelbild“ bezeichnete. Der hierzulande erfolgte Peak an RSV-Infektionen habe sich schon ein halbes Jahr zuvor durch die australischen Erfahrungen vorausahnen lassen, wobei vor allem Früh- und Neugeborene sowie ältere Menschen durch RS-Viren gefährdet seien. Wer zu Asthma und Allergien neige, erkranke häufiger schwer am Respiratorischen Synzytial-Virus, das humanpathogen zirkuliert. Die Liste an Risikofaktoren sei lang – und die aktuellen Erfahrungen zeigten, dass auch gesunde, reif Geborene mit der Infektion durchaus zu kämpfen haben. Prelog nannte drei Lebensphasen, in denen eine Impfprävention wichtig sein werde: das dritte Trimenon der Schwangerschaft, um einen Nestschutz aufzubauen, die frühe Kindheit und das fortgeschrittene Erwachsenenalter. Einige Impfstoffkandidaten befänden sich bereits in diversen Entwicklungsstadien, von Phase-1-Studien bis knapp vor der Impfstoffzulassung. Weit sei man mit der maternalen Impfung gekommen; eine Kinderimpfung, prognostizierte Prelog, werde es aber voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren geben. Zur passiven Immunisierung stünde seit November 2022 der monoklonale Antikörper Nirsevimab zur Verfügung; er kann als RSV-Prophylaxe beispielsweise bei Frühgeborenen eingesetzt werden.

Identische Nebenwirkungen

Nicht fehlen durfte am Österreichischen Impftag der Vortrag des Epidemiologen Michael Kundi von der Med Uni Wien, der über Nebenwirkungen der COVID-Impfungen sprach.

Die Zulassung von weiteren drei Impfstoffen und die zunehmende Erfahrung mit den Nebenwirkungen hätten, so Kundi, auch im vergangenen Jahr einen Wissenszuwachs gebracht. Kundi nahm Bezug auf Klaus Überlas Bemerkung zur Reaktogenität des Herpes-zoster-Impfstoffs: Diese sei noch gering im Vergleich zur Reaktogenität sämtlicher COVID-Impfstoffe. Die Nebenwirkungsrate liege bei der COVID-Impfung bei rund 90 Prozent und, was bemerkenswert sei: Egal, ob mRNA-Impfung, Vektor- oder Proteinimpfstoff, das Profil an Nebenwirkungen sei stets identisch.

Daraus schließt Kundi, vermutlich verursache das Antigen selbst die Nebenwirkungen. Hätten alle Geimpften in der passiven Surveillance dem BASG ihre Nebenwirkungen gemeldet, wäre das System wohl zusammengebrochen. Die gemeldeten Nebenwirkungen der COVID-Impfungen seien in ihrer Art durchaus mit jenen aus den Zulassungsstudien zu vergleichen; die Häufung der Meldung nach Impfung mit Vaxzevria zeige jedoch einen klaren „Awareness Bias“, einen der Nachteile einer passiven Surveillance. Der Vorteil liege allerdings darin, dass auch sehr seltene Nebenwirkungen, die in den Zulassungsstudien nicht erfasst werden können, damit detektierbar seien. Zur gezielten Untersuchung der registrierten Signale seien jedoch noch Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien vonnöten.

Abgerundet wurde der Österreichische Impftag durch das traditionelle Impfquiz, dessen Fragen mit höchst unterschiedlichen Erfolgsquoten beantwortet wurden.

Ursula Wiedermann-Schmidt als wissenschaftliche Leiterin des Impftages schloss die Veranstaltung mit dem Hinweis auf mindestens drei für das Jahr 2023 geplante Webinare der Arztakademie im Rahmen der Reihe „Fokus Impfen“. Sie verkürzen die Wartezeit bis zum Ersten Österreichischen Impfkongress im April 2024.

 

Foto: Österreichische Akademie der Ärzte|Österreichischer Impftag 2023




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