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AERZTE Steiermark 04/2022

 

Impfkommunikation: Die Kraft des Wortes

Im Webinar zum Thema Impfkommunikation wurde das Reizwort „Pflicht“ in seiner Wirkung seziert, der Mythos des Informationsmangels bei Ungeimpften entlarvt und das Rezept für ein leicht verdauliches Fakten-Sandwich verraten.

„Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“ Soweit Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus. Über das Impfen zu schweigen ist in Zeiten einer Pandemie keine Option. Wie klar hingegen die Rede über die Wichtigkeit der Durchimpfung einer Gesellschaft unter diesen Bedingungen sein kann oder darf, ist schon schwieriger zu beantworten. Ein Webinar der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie in Kooperation mit der Akademie der Ärzte hat die derzeit gültigen Erkenntnisse über gelungene Impfkommunikation aus Theorie und Praxis gebündelt.


Angst nehmen

Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, untermauerte ihre Aussagen zur Kraft der Worte mit Umfrageergebnissen aus der COSMO-Studie. So reiche schon das Wort „Pflicht“, um Ärger und Widerstand zu evozieren. Mehr als die Hälfte der befragten Ungeimpften gab an, sogar gegen eine Beratungspflicht (eher) vorzugehen (bei einer Impfpflicht sind es 76 %). Der Ärger über eine Pflicht, so Betsch, lasse sich allerdings durch „abpuffernde Begleitkommunikation“ abschwächen.
Von ärztlicher Seite sei eine explizite Impfempfehlung durchaus relevant und da viele Impfgegner*innen große Angst vor möglichen Nebenwirkungen haben, sei ein wichtiger Gesprächsansatz, Angst zu nehmen. Und selbst wenn das kontraintuitiv erscheine, möge der individuelle Nutzen der Impfung betont werden, „weil pro­sozial Eingestellte in überwiegendem Maß ohnehin bereits geimpft sind“.

Als Gesprächstechnik habe sich das Motivational Interviewing als wirksam erwiesen. Wichtig sei es, in der Kommunikation an positive Werte anzuknüpfen – beispielsweise: „Ich will, dass mein Kind gesund bleibt.“ Zur Richtigstellung von Falschinformationen empfiehlt Betsch das Fakten-Sandwich, bei dem zuerst die richtigen Informationen kommuniziert, dann die Fake News widerlegt und dann nochmals die richtigen Informationen betont werden. Das Richtige müsse jedenfalls häufiger genannt werden als das Falsche.


Emotionen und Techno-Babble

Wie mit Impf-Unwilligen und Impf-Verunsicherten zu kommunizieren und dabei gegen Fake News aufzutreten sei, referierte die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig. Sie ortet zwei Gründe, sich nicht impfen zu lassen: Angst vor der Impfung und Verharmlosung der Krankheit. Die Angst würde durch anekdotische Beweisführung geschürt, in der Korrelation und Kausalität verwechselt würden: Da sei von Todesfällen und Fehlgeburten die Rede, die jemandem widerfahren seien, den der Verbreiter der Nachricht persönlich kenne etc.

Zur Strategie der Verharmlosung zähle das Narrativ, die Pandemie existiere nur, weil so viel getestet werde, COVID-19 sei harmlos wie ein Schnupfen, es gebe bloß Gruppen, die an einer Krise interessiert seien. Menschen, die daran glauben, kommunizieren wiederum hauptsächlich mit ähnlich Gesinnten, wodurch sich ihre Einstellungen noch verstärken.

Gegen die anekdotische Beweisführung rät Brodnig, selbst Statistik und Fälle zu verknüpfen, weil sich Einzelfälle sonst durch ihre Emotionalität oft gegen nackte Fakten durchsetzen – egal wie falsch sie sind.

Neben der Anekdote zähle auch Techno-Babble zu den argumentativen Tricks der Impfgegner. Medizinische Fachbegriffe und scheinbar wissenschaftliche Kenntnisse werden in die Argumentation so eingeflochten, dass sie Nichtmediziner*innen nicht sofort als Nonsens erscheinen. Beispiele dafür seien die Verunreinigung der Impfstoffe mit Graphenoxid oder der Mythos, das Teststäbchen für den Abstrich verletze die Blut-Hirn-Schranke.

Wer Falsches widerlege, möge sich nicht darin verzetteln, sondern „die richtige Information in die Auslage stellen“, so Brodnig. Nach wie vor habe die Stimme der Ärzt*innen Gewicht. Sie mögen die Impfung explizit empfehlen, aber auch damit rechnen, dass Umdenken Zeit erfordert und so kommunizieren, dass Gesprächspartner*innen nie das Gesicht verlieren. „Rhetorisch abrüsten“, empfiehlt Brodnig, auch bei ganz verhärteten Positionen. Durch Nachfragen mögen leichte Zweifel an den Fake News geschürt werden. Am wichtigsten bleibe es, die Vertrauensbasis zu erhalten. Ein erfolgversprechender Ansatz sei es auch, herauszufinden, welchen Personen und Medien Impfskeptiker*nnen noch vertrauen, um über diesen Weg Impfaufklärung betreiben zu können.


Zwei Lesarten von Spätfolgen

Molekularbiologe und Mitglied der Science Busters Martin Moder sprach über „Verwirrungen rund ums Impfen“ (bezogen auch auf Non-COVID-Impfungen), beginnend beim Terminus Totimpfstoff. Eigentlich seien ja alle bisher zugelassenen COVID-Impfstoffe Totimpfstoffe, weil sie keine vermehrungsfähigen Viren enthalten. Die Bezeichnung werde aber nur für Novavax verwendet. Erstaunlicherweise hätten Totimpfstoffe plötzlich ein positives Image bei Impfskeptiker*innen, obwohl sie gerade diese bisher wegen der Adjuvantien kritisiert hätten.

Verwirrungen über den Wahrheitsgehalt von Online-Beiträgen entstünden durch die Reihung bei Google-Suchen: So erscheine bei der Eingabe von „Impfung und Autismus“ in die Suchmaschine auch 22 Jahre nach Veröffentlichung der Wakefield-Studie diese noch immer als erstes Finding (oder Texte darüber); wissenschaftliche Arbeiten, die den Zusammenhang fundiert widerlegen, würden erst danach genannt. Auch das Unfruchtbarkeitsgerücht in Bezug auf (nicht nur COVID-19-)Impfungen sei eine derartige negative Erfolgsstory.

Ein Einordnungsproblem ergebe sich in Bezug auf die befürchteten Langzeitfolgen von Impfungen. Denn die Nebenwirkungen seien bei allen bisherigen Impfstoffen innerhalb von zwei Monaten nach Gabe des Vakzins aufgetreten; diese könne jedoch Jahre nach der Zulassung des Impfstoffes erfolgen und deshalb als Spätfolge missinterpretiert werden (beispielsweise die Narkolepsie-Fälle nach Pandemrix). Bei mittlerweile über zehn Milliarden verabreichten COVID-19-Impfstoffdosen hingegen seien rasch auch äußerst seltene Nebenwirkungen bekannt geworden.


Gefühlt top informiert

Aus der betrieblichen Praxis berichteten Thomas Wochele, Ärztlicher Leiter der Caritas Erzdiözese Wien, und Eva Höltl, Arbeitsmedizinerin und Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank.

Wochele warnt vor dem Ansatz, man müsse Impfskeptiker*innen und -gegner*innen lediglich mit Wissen über die Impfung versorgen, um sie zu überzeugen: „Die fühlen sich top informiert.“ Sie nutzen bloß andere Medien als die Geimpften, um sich zu orientieren. Häufig beziehen sie ihre Informationen aus dem Internet, wo „Fake News oft im Gewand wissenschaftlicher Artikel“ auftreten, und via Social Media. Viele Impfskeptiker*innen vertrauen weder Expert*innen noch staatlichen Institutionen und halten ihre eigenen Informationsquellen für eindeutig seriöser. Die Erfahrungen der Caritas Wien beim Versuch, die Mitarbeiter*innen-Impfquote durch ein verpflichtendes Impfberatungsgespräch zu heben, waren ernüchternd: Nur fünf Prozent der 573 zum Aufklärungsgespräch Eingeladenen haben sich im Rahmen dessen impfen lassen. Im folgenden unverbindlichen Telefoninterview hingegen bedankten sich manche sogar dafür, dass ihnen jemand zugehört hatte. „Für ein Gespräch ohne Impfdruck sind also einige noch offen“, resümiert Wochele. Ein wesentlicher Faktor sei das Vertrauen, das man sich langfristig erarbeiten müsse.
Hilfreich wären vielleicht Gespräche mit jemandem, der gar nicht impfen darf, beispielsweise mit Psycholog*innen. Dann sei klar, dass das Gespräch nicht dazu missbraucht würde, gleich eine Impfung zu verabreichen.


Kontinuierlich aufklären

Arbeitsmedizinerin Eva Höltl berichtete von der Impfaufklärung der Erste Bank, wobei sie den Arbeitsplatz als „größtes Setting zur Vermittlung von Health Literacy und Vaccine Literacy“ bezeichnete. Schon im Jänner 2021 wurde im Bereich der Erste Bank per Videobotschaft der Boden für die Impfkampagne bereitet: mit Infovideos zum Wirkprinzip der mRNA-Impfung, aber auch zum Thema Nebenwirkung und Impfreaktion. „Wir haben darin auch klar kommuniziert, was wir noch nicht wissen.“ Engmaschig wurden die Mitarbeiter*innen über Inzidenzen im Haus ebenso auf dem Laufenden gehalten wie über die unternehmensinternen Strategien, die Arbeitsplätze möglichst sicher zu gestalten. Dezidiert ausgesprochen wurde auch, wie wichtig eine individuelle Impfentscheidung für das gesamte Unternehmen ist. Ein spezielles Augenmerk wurde auf die Aufklärung der Lehrlinge gelegt.

Höltl regte an, die Kommunikation über das Impfen – auch gegen andere Krankheiten – solle kontinuierlich erfolgen und „nicht nur, wenn man genau zu diesem Zeitpunkt will, dass sich jemand impfen lässt“.

 

Foto:  Adobe Stock

Symbolbild 1
 



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