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AERZTE Steiermark 10/2021

 

„Eine Summe von Zufällen“

Die derzeit jüngste steirische Allgemeinmedizinerin mit Kassenvertrag, Beatrice Rehberger, ordiniert seit knapp zwei Jahren gemeinsam mit ihrer Kollegin Eva Windisch in einer Voitsberger Gruppenpraxis. Mit der Gründung einer Einzelpraxis, meint sie, hätte sie vermutlich länger gewartet.

Ursula Scholz

„Hausarzt war bei mir zunächst überhaupt nicht am Schirm“, erzählt Beatrice Rehberger. Sie ist mit 31 Jahren aktuell die jüngste steirische Allgemeinmedizinerin mit eigener Kassenpraxis. „Eigentlich hatte ich vor, Zahnärztin zu werden und habe im ersten Studienabschnitt auch beides parallel studiert.“ Danach fokussierte sie sich auf die Humanmedizin. „Dass ich heute in der eigenen Praxis und gerade in Voitsberg arbeite, resultiert aus einer Summe von Zufällen.“

Die Oberösterreicherin zog nach der Matura zum Studium nach Graz und absolvierte gerade ihren letzten Teil des Turnus an der Inneren Medizin in Bruck an der Mur, als sie sich das Bein brach und außer Gefecht gesetzt war. Kurz davor war sie auf Urlaub gewesen, weshalb sie die Sechstelregelung für maximale Fehlzeiten nicht einhalten konnte. „Mir hat nur ein einziges Monat auf einer Internen Abteilung gefehlt, das ich dann in Voitsberg absolviert habe.“


Ärztin in zwei Welten

Im Anschluss an den Turnus testete Rehberger das Arztdasein in zwei Welten: Zu 50 Prozent verblieb sie als Stationsärztin an der Abteilung für Innere Medizin am LKH Weststeiermark, Standort Voitsberg. Die übrigen 50 Prozent verbrachte sie als Vertretungsärztin in verschiedenen steirischen Ordinationen sowie als Betreuungsärztin von Langstrecken-Radrennen. Auf der Ambulanz im LKH Voitsberg lernte sie ihre heutige Praxiskollegin Eva Windisch kennen, die mit einer Ordinationsgründung liebäugelte, aber keine Einzelkämpferin sein wollte. So entstand die Idee der Gruppenpraxis, die im Dezember 2019 eröffnet wurde.

„Mit der Gründung einer Einzelpraxis hätte ich vermutlich länger gewartet“, bekennt Rehberger. „Ich bin ein großer Fan der Gruppenpraxis. Fast alles spricht dafür.“ Die Aufgaben rund um die Ordination, von Einkäufen über Buchhaltung bis zur Problemlösung mit dem Internet-Provider, ließen sich gut auf zwei aufteilen, wobei jeder seine fixe Zuständigkeit habe. „Es macht einerseits Spaß miteinander, andererseits kann man auch unangenehme oder belastende Erlebnisse besprechen und muss schwierige Entscheidungen nicht allein treffen.“ Natürlich erfordert das gemeinsame Unternehmen Ordination auch Kompromisse. „Es ist wie in einer Beziehung – man muss sich arrangieren. Aber wir kommen nicht nur persönlich gut miteinander aus, sondern sind uns auch in medizinischen Belangen ähnlich.“ Da sich die beiden Ärztinnen den Kassenvertrag teilen, sind sie abwechselnd vor Ort und betreuen alternierend dieselben Patient*innen.


Viel ärztlicher Rat

Als enorm hilfreich hat Rehberger ihre Erfahrungen aus der Zeit als Vertretungsärztin empfunden: „Ich kannte verschiedene Ordinationen und somit auch unterschiedliche Strukturen und Lösungsansätze. Die Ärztinnen und Ärzte, deren Vertretung ich zuvor war, haben mir in der Phase der Praxisgründung mit ihren Tipps sehr geholfen.“ Auch der Obmann der Sektion Allgemeinmedizin in der steirischen Ärztekammer, Alexander Moussa, habe sie unterstützt.

Die beiden jungen Ärztinnen hatten zwar den Kassenvertrag eines Arztes übernommen, nicht aber seine Räumlichkeiten. Sie zogen stattdessen in das Ärztezentrum am Voitsberger Hauptplatz ein. Weniger reibungslos als die Praxiseinrichtung lief die Vertragserrichtung für die OG, für die sie mehrere Juristen kontaktieren mussten. Auch zur Einschulung durch die Krankenkassa wurden sie versehentlich nicht eingeladen, weshalb sie den ersten Teil versäumt haben. Aber sie ließen sich durch keinerlei Hürden beirren. Lediglich im unternehmerischen Bereich hätte sich Rehberger retrospektiv mehr Unterstützung gewünscht.

Einige Umstände erwiesen sich sogar als besonders günstig: Als im Nachbarort ein Arzt in Pension ging, konnten die beiden Ärztinnen Teile seines Mobiliars übernehmen. Und über Umwege fanden letztlich zwei seiner früheren Mitarbeiterinnen in die neu gegründete Ordination – somit hat sich schnell ein eingespieltes Team gebildet.


Nie zu jung gefühlt

Neben der halben Kassenstelle betreut Rehberger Pflegeheime, erstellt Gutachten für Behinderten-Parkausweise, fungiert als Arbeitsmedizinerin – und als Epidemie-Ärztin. „Ich bin wirklich gut ausgelastet. Für Freizeit und Sport bleibt da im Moment nur wenig übrig.“ Und das, obwohl Rehberger nicht nur als Ärztin Radrennfahrer*innen betreut hat, sondern auch selbst gerne sportlich aktiv ist.

Zu jung oder zu unerfahren für den Job in der eigenen Ordination habe sie sich noch nie gefühlt, sagt Rehberger. Schon in Zeiten der Praxisvertretung habe sie nie davor zurückgescheut, Kolleg*innen im Spital um Rat zu fragen. „Jeder hat sein Spezialgebiet. Es ist viel gefährlicher zu glauben, man wüsste alles, als einmal nachzufragen.“


Schwieriger Start, beachtliche Entwicklung

Der Zeitpunkt für den Praxisstart der beiden Allgemeinmedizinerinnen hätte kaum ungünstiger sein können. Ohne fixen Patientenstamm, aber mit viel Enthusiasmus starteten die beiden ihr Projekt – und dann kam schon COVID-19. „Wir hatten zwar immer geöffnet, haben per Skype und am Telefon Patienten betreut, aber wir waren schon ein bisschen nervös, weil doch wenige gekommen sind.“ Mittlerweile hat sich die Tendenz umgekehrt: Es werden schon fast zu viele. Rehberger würde sich daher wünschen, dass alle Kassenstellen besetzt wären. „Nicht dass ich die Patienten nicht gerne betreue, auch wenn sie von weiter her kommen – aber für kranke Menschen ist ein weit entfernter Hausarzt nicht ideal.“

Zwei Ansätze hält Rehberger für wichtig, um mehr junge Ärztinnen und Ärzte zur Allgemeinmedizin zu motivieren: „Es sollte viel flexiblere Modelle der Zusammenarbeit geben und weniger starre Vorgaben für den Kassenvertrag.“

Zweiter wesentlicher Faktor sei der bereits erfolgte Ausbau der Lehrpraxis, durch die mehr Junge auf die Idee einer eigenen Praxisgründung kämen. Rehberger und ihre Kollegin haben schon den erforderlichen Kurs absolviert, um selbst Lehrpraktikant*innen aufnehmen zu können. Ihnen fehlen nur noch Praxisjahre.

 

Fotos: beigestellt, Die Abbilderei




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