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AERZTE Steiermark 09/2021

 

Ärztliche und künstliche Intelligenz im Einklang

Bei den Grazer Fortbildungstagen wird der Medical-Imaging-Experte Georg Langs darüber referieren, wie ärztliche Expertise und Künstliche Intelligenz optimal abgestimmt werden können. Ärzt*innen ermuntert er sogar zu einer kritischen Einstellung zur KI.

Fürchten sich Ärzt*innen überhaupt davor, von Künstlicher Intelligenz abgelöst zu werden, wie es der Titel der Morgenvorlesung – bewusst provokant – nahe legt? „Meiner Erfahrung nach fürchten sie sich nicht“, antwortet Georg Langs, Mathematiker, Informatiker und Professor für Machine Learning in Medical Imaging an der Medizinischen Universität Wien. „In meinen Gesprächen mit Ärztinnen und Ärzten begegne ich eher Neugier und kritischem Hinterfragen. Und bei Umfragen auf Radiologen-Kongressen zeigt sich schon, dass die meisten Künstliche Intelligenz längst als das sehen, was sie ist, nämlich ein Werkzeug. Dass der Status quo der Radiologie in ein paar Jahren einfach automatisiert ablaufen würde und dafür keine Ärzte benötigt würden, glaubt kaum jemand mehr.“

Die grundlegende Skepsis gegenüber KI, so Langs, stamme aus einer Zeit, in der man sich vorgestellt habe, die Rechner würden einen „Wust von Daten“ gefüttert bekommen und dann ein Ergebnis ausspucken, das in keiner Weise nachvollziehbar sei, aber als Grundlage für die Therapie-Entscheidung herangezogen würde. „Die Künstliche Intelligenz wird in der Medizin immer nur ein Werkzeug bleiben“, ist Langs überzeugt. „Und die Empirik wird zeigen, wo ihre Grenze liegt.“


Transparenz der Abläufe

Heute würden Ärztinnen und Ärzte Vorbehalte sehr differenziert äußern – was sie einfordern, forderten sie zu Recht, so Langs: volle Transparenz der Abläufe und Erklärbarkeit der Ergebnisse, aber auch, dass die durch KI gewonnenen Erkenntnisse einen unmittelbaren Nutzen bringen müssen. Denn wozu mühsam eine Information generieren, wenn sie nicht hilft, eine Krankheit zu verstehen oder ein konkretes klinisches Problem zu lösen? In der Diagnostik, so Langs, habe sich die umfassende  und oft interdisziplinäre Verknüpfung von Beobachtungen, Bilddaten oder Laborwerten durchgesetzt. Dadurch müssten zahlreiche Werte zueinander in Bezug gesetzt werden. Die KI unterstütze diesen integrativen Ansatz lediglich – eben als ein Instrument, das Zeit spart und die Diagnostik verbessert. Programmierende Techniker*innen und anwendende Ärzt*innen stünden dabei in ständigem Dialog: „Lernprozesse über die optimale Nutzung der KI finden auf beiden Seiten statt.“


Interdisziplinär denken

Nicht zuletzt deshalb weiß Langs die Interdisziplinarität der Arbeitsgruppe in seinem Computional Imaging Research Lab (CIR), das er seit 2011 leitet, zu schätzen. Das CIR ist als Abteilung der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Med Uni Wien organisiert und kooperiert etwa mit dem Computer Vision Lab an der TU Wien und dem Institut für maschinelles Sehen und Darstellen an der TU Graz oder international mit dem Computer Science and Artificial Intelligence Lab am MIT. Ärzt*innen, Mathematiker*innen und Informatiker*innen stehen hier in ständigem Dialog.  „Zu uns kommen auch Diplomanden und Dissertanten von der Radiologie über die Psychologie bis hin zur Informatik. Durch den täglichen Austausch – gerade den informellen beim Kaffeetrinken und nebeneinander vor einem Ergebnis Sitzen – entstehen die besten Ideen.“ In seinem Labor suchen aber auch Ärzt*innen ganz anderer Fachrichtungen den Anschluss an die KI.


Wirksamkeit prognostizieren

Während sich die KI im Bereich der Diagnostik bereits ihren Platz erobert hat, ist ihr Weg zu individuellen Prognosen von Krankheitsverläufen und Medikamentenwirkung noch ein Stück Zukunftsmusik. Beachtliche Ergebnisse wurden bereits im Bereich der Klassifizierung von Gewebeläsionen erzielt, die die KI in Größe, Form und Textur in Windeseile erfasst und hochpräzise miteinander vergleichen kann. Manchmal sogar, bevor sie mit menschlichem Auge sichtbar sind. In anderen Fällen, wie ein aktuelles Beispiel Grazer Forschung zur lokalen Nähe von Tumor- und Fettzellen bei schwerem Verlauf zeigt, erkennt die Maschine eine gehäufte Koinzidenz, bevor sie die Ärzt*innen bewusst wahrgenommen haben. Denn die Algorithmen finden Spuren in Bildmustern, an die einfach noch kein Mensch gedacht hat. Auch Pharmaunternehmen treten an Langs´ Labor heran. „Sie wenden sich an uns mit der Frage, Bildmarker zur Vorhersage der individuellen Medikamentenwirksamkeit zu finden.“


Ärzt*innen entscheiden

Der wohl bekannteste Anwendungsbereich der KI in der Medizin ist die Erkennung und Klassifizierung von Tumorgewebe. Doch das ist nicht die einzige etablierte Anwendung. „Wir befassen uns schon seit Längerem mit der Beobachtung der Reorganisation des Gehirns bei Gehirntumor- oder Epilepsiepatient*innen oder nach Operationen, aber auch mit Bilddaten zur Lungenfibrose“, erklärt Langs. „Durch den Vergleich der Entwicklung und Veränderung einzelner Lungengewebe-Arten bei Gesunden mit jenen von Erkrankten wollen wir ein Prognose-Tool schaffen, denn im Bereich der Prognostik liegt das vermutlich größte Zukunftsfeld der KI in der Medizin.“ Im besten Fall würden durch die Erkenntnisse der KI auch grundlegende biologische Mechanismen der Krankheiten erfassbar. „Therapieentscheidungen werden aber immer die Ärztinnen und Ärzte treffen“, betont Langs. Dass die KI immer häufiger Teil medizinischer Standardanwendungen werden wird, steht für Langs außer Zweifel: „In der Medizin gibt es eine lange Tradition, bei entsprechender Evidenz auch komplett neue Methoden in die üblichen Behandlungsabläufe zu integrieren.“


In der Pandemie vernetzt

Informatiker*innen, so seine Erfahrung, gingen generell gerne in die Medizin – weil ihre Erkenntnisse dort unmittelbaren Nutzen brächten. Umgekehrt gebe es aber auch immer wieder Ärzt*innen, die selbst programmieren. Langs selbst hat sich im Studium sehr bald auf Mustererkennung fokussiert und schon in seiner Diplomarbeit auf ein medizinisches Thema spezialisiert. Auch in der Pandemie haben sich rasch Netzwerke zwischen Technik und Medizin gebildet, die jene noch nicht interpretierbaren Gesundheitsdaten von COVID-Kranken den Maschinen zum Lernen verfüttert haben, noch lange, bevor es dafür Forschungsgelder gab. „Der Druck war groß, schnell zu lernen, welche Variablen bei COVID-19 Vorhersagekraft haben. Im zweiten Schritt geht es nun darum, die dahinter liegenden Krankheitsmechanismen zu verstehen.“

Beim Machine Learning kommt es auch immer wieder zu Fehlschlüssen, die dann in Validierungsstudien enttarnt werden müssen. „An manchen Kliniken werden beispielsweise die Notfälle der Erstaufnahme zu einem anderen Scanner geschickt als die Patienten der Pulmologie. Die Maschine erkennt dann einen signifikanten Unterschied zwischen den Bildern – aber der Mensch muss sich bei der Validierung bewusst machen, dass der Unterschied vielleicht eine Signatur des Scanners ist und kein Spezifikum im Krankheitsverlauf.“

 

Morgenvorlesung: „Werden Ärztinnen und Ärzte in der Zukunft von künstlicher Intelligenz abgelöst?“

  • 31. Grazer Fortbildungstage, 8. Oktober 2021, 8.00 Uhr bis 8.45 Uhr, Congress Graz

 

Keine spezifische Anmeldung für die Plenarveranstaltungen notwendig, aber die Kongresskarte (EUR 60,–) ist zu lösen.

 

Foto: Adobe Stock




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