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„Wer zielt, schießt hintennach“

Inge Wagner pendelt zwischen ihrem Alltag als Stationsärztin der Ortho-Trauma-Klinik und den Wochenenden als Sportschützin. Obwohl sie sich erst seit ihrem 43. Lebensjahr dem Schießen widmet, hat sie es bis zur Nummer sechs der Weltrangliste geschafft.

U. Jungmeier-Scholz

An ihrem Gehörschutz werdet Ihr sie erkennen: Auf der Kapsel von Inge Wagners Ohrenschützern prangt eine sitzende blinde Ente, die eine Form wehrloser Passivität symbolisiert, die die Trägerin dieser Schutzvorrichtung konterkariert. Denn Wagner ist hochaktive Sportschützin und hat es damit in der Disziplin „ universal trench “ auf der Weltrangliste der Damen bis zur Nummer sechs gebracht.

Nahezu den gesamten Urlaub investiert sie in Trainings und Bewerbe; am liebsten schießt sie in Lonato am Gardasee. Allerdings nicht nur, weil der dortige Schießstand Weltklasseniveau hat. „Auch, weil das Umfeld so italienisch ist.“

In ihrem Alltag kümmert sie sich als Stationsärztin auf der Grazer Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie auf Station 1 um 42 Patientinnen und Patienten, achtet im Auftrag der einzelnen Ärzteteams auf Besonderheiten in deren Heilungsverlauf und unterstützt das Patientenmanagement.

Emotion als Motivation

Während sie der Traum vom Arztberuf von Kindesbeinen begleitet, begann sie erst mit 42 Jahren zu schießen. In beiden Fällen waren starke Emotionen mit im Spiel: „Ich habe schon als Volksschülerin – auf der Fahrt zur Schule – meiner Mutter erklärt: Ich werde Kinderärztin“, erzählt Wagner. „Ausschlaggebend war die Begegnung mit unserem Schularzt beim Impfen, wo wir Kinder von einer Helferin festgehalten wurden, während uns die Nadel hineingerammt wurde. Ich wollte es ganz anders machen.“

Dass sie im Endeffekt statt auf der Pädiatrie auf der Orthopädie landen würde, war Resultat vieler Einzelentscheidungen. „Letztlich waren mir die Kinder diagnostisch zu schwierig, da sie sich noch nicht so präzise artikulieren können. Und ich habe es gerne klar.“ Aus der angestrebten Fachrichtung HNO wurde auch nichts, weil die Erfahrungen bei Assistenzeinsätzen im OP zu Tage gebracht haben, dass die Ärztin auf irgendeine Substanz überempfindlich reagiert. „Nach einer halben Stunde im OP hat es im Hals gekratzt und ich musste dauernd husten.“ Chirurgische Fächer fielen damit allesamt als potentielle Spezialisierung weg.

Am längsten dabei

Im Anschluss an mehrere Turnusmodule in Judenburg, wo sie gerne gearbeitet hat, aber nach der Verbundbildung mit Knittelfeld nicht mehr bleiben wollte, landete die gebürtige Grazerin am Klinikum ihrer Heimatstadt: zunächst auf der Klinik für Blutgruppenserologie, dann auf der Abteilung für Herzchirurgie und schließlich auf der Orthopädie, wo gerade eine Stationsärztin gesucht wurde.

Seit gut 18 Jahren ist sie nun dort tätig – seit Anfang 2017 auf der gemeinsamen Klinik von Orthopädie und Traumatologie – und somit die am längsten dienende Ärztin dieser Organisationseinheit. Klinikvorstand Andreas Leithner kam erst vier Monate nach der heute 55-Jährigen ins Team – als junger Assistenzarzt.

Ihre Rolle auf der Station beschreibt Wagner selbstironisch als „Stationsdrachen“, um dann doch noch mit „Stationskoordinatorin“ einen sanfteren Begriff nachzureichen. „Früher war ich z´widerer“, erklärt sie auf gut Steirisch. Dann sei sie für ihren Geschmack eine Zeitlang zu lieb und nett gewesen, um ihre Durchsetzungskraft voll entfalten zu können; mittlerweile habe sie ein gutes Mittelmaß gefunden.

Begeisterung entfacht

Aber zurück zur zweiten emotionalen Entscheidung, nämlich jener, Sportschützin zu werden. „Zum Schießen bin ich durch meinen Lebensgefährten gekommen, der schon als kleiner Bub mit seinem Vater jagen war.“ Zuschauen allein ist aber nichts für Inge Wagner; sie will selbst Hand anlegen. Und so startete sie kurzerhand mit der zu langen Flinte ihres Freundes die ersten Versuche.

Der Funke der Begeisterung ist sofort übergesprungen, aber sie musste sich eine eigene, passgenauere Flinte kaufen, die sie nach nur drei Jahren letztlich durch eine individuell gefertigte Wettbewerbsflinte ersetzte. Die Waffe hat ihr Glück gebracht: Allein im vergangenen Jahr gewann sie bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften einmal Gold und einmal Silber; beim internationalen Grand Prix der Sportschützen gelang ihr wie im Jahr zuvor der dritte Platz. Drei Jahre lang hielt sie Platz 6 in der Weltrangliste, derzeit ist es „nur“ Platz 7.

Ihre Stärke liegt im „universal trench“, jenem Bewerb, der auch FU (fosse universelle, zu Deutsch in etwa: Vielseitigkeitsgraben) genannt wird. Dabei sind in einem Bunker mittig im Bereich von drei Metern fünf Wurfmaschinen aufgebaut; in 15 Metern Abstand dazu steht eine Rotte von sechs Schützinnen oder Schützen, wobei diese so rotieren, dass jeder von jedem Stand aus einmal schießt. Die Maschine gibt die Wurfscheiben, die früher noch Tontauben heißen durften, nach einem bestimmten Schema ab. Jeder schießt also gerechtigkeitshalber dieselben Kombinationen von Höhe, Weite und Winkel, nur nicht in derselben Reihenfolge. „Ein Schema enthält immer eine von links, eine von halblinks, eine aus der Mitte, eine halbrechte und eine rechte Wurfscheibe“, erklärt Wagner. „Am Anfang wird man überrascht; am Schluss der Serie kann man sich dann ausrechnen, welche noch fehlt.“

Ob sie mit ihrem Lebensgefährten beim Schießen in Konkurrenz tritt? „Nein. Er schießt sowieso besser“, gibt Wagner unumwunden zu. Schließlich war er schon des Öfteren Staatsmeister und ist ihr erfahrungsmäßig um eine Flintenlänge voraus.

Früher auch Sprungreiterin

Bevor sie zur Sportschützin wurde, hat sich Wagner jahrelang intensiv dem Sprungreiten gewidmet, bis sie ihr geliebtes Pferd mit 20 Jahren in den Ruhestand schicken musste. Der Übergang vom einen zum anderen Hobby erfolgte recht harmonisch: Je weniger sie geritten ist, desto mehr hat sie geschossen. Auf der Jagd war sie allerdings nur drei Mal in ihrem Leben: zweimal ohne Erfolg und einmal hat sie einen Fasan getroffen. „Ich schieße sicher nichts wegen der Trophäe“, erklärt sie im Brustton der Überzeugung. „Nur zum Essen.“

Was sie am Schießen fasziniert, kann sie aufs Erste gar nicht benennen. Erst nach einer Nachdenkpause spricht sie über die Kopf-Körper-Koordination und das ganz spezielle Timing beim Schrot-Schießen: „Wer da zielt, schießt hintennach. Man muss die Taube aufnehmen, verfolgen und dann im Überholen schießen.“ Wann sie abdrücken muss, ist ihr mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen; bewusstes Nachdenken ist nicht mehr erforderlich. Ganz genau passen muss auch der Abstand über die Laufschiene „und mit drei Pullis übereinander geht das nicht“.

Aus diesem Grund wird auch nur in der wärmeren Jahreszeit trainiert und bei Bewerben geschossen – in der vorschriftsmäßigen Schießweste.

Zwei Parallelen

Auf die Frage hin, welche Parallelen sie zwischen Medizin und Schießsport sehe, fällt Wagner sofort „die nötige Geduld“ ein – und sie seufzt tief dazu, bevor sie ihre persönlichen Geduldsproben präzisiert: „Bei großen Bewerben sind zwischen den einzelnen Serien Wartezeiten bis zu zweieinhalb Stunden üblich, da ist es schwierig, die Konzentration zu halten. Dafür brauche ich ebenso viel Geduld wie manchmal bei den Patienten.“

Darüber hinaus setzt sie sich im Sport wie in der Medizin dasselbe persönliche Ziel, nämlich: immer besser zu werden.

AERZTE Steiermark 02/2019


Fotos: beigestellt




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