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„Das Pendel sollte wieder mehr in die Mitte schwingen“

Sein Studium der Kommunikationswissenschaften absolvierte Intensivmediziner Philipp Metnitz aus Interesse an der Thematik. Die dadurch erworbene Kompetenz in (elektronischer) Kommunikation erwies sich jedoch später als wegweisend für seine ärztliche Karriere.

U. Jungmeier-Scholz

„Eigentlich wollte ich ja von Kindheit an Landarzt werden“, erzählt Philipp Metnitz. Heute leitet er allerdings die größte Abteilung eines steirischen Spitals, nämlich jene für Allgemeine Anästhesiologie, Notfall- und Intensivmedizin am Grazer Klinikum. Mehr als 75 Ärztinnen und Ärzte umfasst sein Team. Für das Landarzt-Dasein sprachen die Affinität des Gartenliebhabers zur Natur und seine Freude daran, im Freien zu sein. Zwar ist Metnitz, Jahrgang 1962, in Wien aufgewachsen; die allerdings überwiegend in der Steiermark und in Kärnten beheimatete Familie hat ihm aber auch ländliche Gegenden vertraut gemacht. „In die Klinikkarriere bin ich dann einfach hineingestolpert.“ Schrittmacher waren der Zufall und seine Computerkenntnisse.

Faszination Intensivmedizin und Technik

Kurz vor Studienende absolvierte Metnitz eine Vorlesung, zu deren Abhaltung kurzfristig ein Intensivmediziner eingesprungen war. Der trockene Humor und die Klarheit, mit der schwierige Themen rund um lebensbedrohliche Erkrankungen vorgebracht wurden, begeisterten ihn. Interessierte erhielten im Anschluss an die Vorlesung eine Führung durch die Intensivstation mit der Gelegenheit, die in der Vorlesung beschriebenen Sachverhalte aus der Nähe zu erleben. „Ich war so fasziniert, dass ich ab diesem Tag dort wissenschaftlich mitgearbeitet habe“, erzählt Metnitz. In Zeiten der Ärzteschwemme konnte Metnitz in diesem Umfeld nicht nur mit seinem Engagement, sondern auch mit seinen Kenntnissen in elektronischer Kommunikation punkten; ein deutlicher Impuls für seine ärztliche Karriere.

Die Welt der Technik hatte ihn schon immer interessiert. Als Metnitz nach dem Zivildienst zu studieren begann, kündigte sich gerade die Revolution der elektronischen Kommunikation an. Zur Erinnerung: Es war jene Zeit, als Personal Computer auf breiter Basis erhältlich wurden und erstmalig Informationsverarbeitung in vielen Bereichen möglich machten. Metnitz kaufte sich bald einen eigenen Computer. „Hauptsächlich, weil ich nicht so gut Maschineschreiben konnte und meine Tippfehler so einfacher ausbessern konnte.“ Auch in der Medizin hielt der Computer Einzug und ermöglichte erstmals die integrative Verarbeitung medizinischer Daten. „Es war eine faszinierende Aufbruchsstimmung“, so Metnitz. Die digitalen Verarbeitungsmöglichkeiten eröffneten eine neue Welt: Erstmals konnten Daten von unterschiedlichen Messgeräten und -orten kombiniert und daraus neue Informationen gewonnen werden. Gerade im Bereich der Intensivmedizin entstanden dadurch ganz neue Technologien und Möglichkeiten. Dennoch, so Metnitz, bedeute Intensivmedizin trotz des vielfältigen Einsatzes von Technik immer, den Patienten in seiner Gesamtheit wahrzunehmen: „Wir Intensivmediziner sind täglich gefordert, unsere Patienten genau und in allen Aspekten anzusehen. Technik kann uns dabei unterstützen, den persönlichen Kontakt und die klinische Untersuchung aber nie ersetzen.“

„Echte Revolution“

Studiert hat Metnitz nicht nur Medizin, sondern parallel dazu Kommunikationswissenschaften und Anthropologie. „Einerseits hatte ich ein originäres Interesse an Kommunikation und andererseits verfolgte ich die Idee einer beruflichen Backup-Lösung. Kommunikation im weitesten Sinne hat mich immer schon interessiert.“ De facto verdiente er sich sein erstes Geld während des Studiums mit seinen IT-Kenntnissen.

Während seiner Studienzeit revolutionierte die elektronische Kommunikation aber auch den Wissenserwerb in der Medizin. „Mittels MEDline, damals noch auf CD-Roms, konnte man erstmals abseits von Bibliotheken auf die aktuelle Forschungsliteratur der ganzen Welt zugreifen. Das war eine echte Revolution!“ Man erhielt erstmals Zugang zu weltweitem Wissen über seinen Fachbereich – ganz neue Grundlagen für Forschungsprojekte entstanden.

Grundlegend umgestaltet wurde zudem die Dokumentation der ärztlichen Arbeit. „Anfangs haben wir ein Protokollbuch geführt und am Ende des Jahres gerade einmal gewusst, wie viele Patienten an der Station behandelt worden waren. Über das Ergebnis, den Outcome, gab es damals aber eigentlich keine Information.“ Metnitz, mittlerweile in Ausbildung zum Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, gründete eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, um einen Dokumentationsstandard für Intensivmedizin zu formulieren. 1997 wurde dieser ins LKF-System übernommen. Schon im Jahr zuvor hatte er das Österreichische Zentrum für Dokumentation und Qualitätssicherung in der Intensivmedizin ( ASDI) mitbegründet, dessen Obmann er heute noch ist.

Outcomes Research ist auch heute noch ein zentraler Forschungsschwerpunkt seiner aktuellen Tätigkeit an der Medizinischen Universität Graz, er verfügt mittlerweile über eine Patienten-Datenbank mit mehr als 600.000 Aufnahmen.

Als Verfasser der „ Weekend-Effects Study “ über den Outcome von Patienten in Abhängigkeit vom Wochentag der Aufnahme machte er letztes Jahr unvergessliche Erfahrungen mit der Medienwelt. Die reißerische Aufbereitung in manchen Medien hat dem ausgebildeten Kommunikationswissenschafter zu denken gegeben. „In Zukunft werde ich sicher noch vorsichtiger mit Medien umgehen. Schließlich ist es unser Ziel, Patienten mit unserer Arbeit zu helfen, nicht zu verunsichern.“

Fremde Stadt, aberwitziges Tempo

Die Arbeitsweise im Studium der Kommunikationswissenschaften erwies sich als nützlich für seine ärztliche Ausbildung. Immerhin hatte er bereits zwei Jahre vor dem Ende des Medizinstudiums eine Dissertation abgeliefert – in einer mühsamen Phase mit 14-Stunden-Arbeitstagen, in denen er das Schreiben mit den Lerneinheiten für die Pathologie-Prüfung in Einklang bringen musste. Er blieb auch nach Studienende bei seinem Arbeitspensum. Es sollte sich auszahlen: Der Habilitation folgte direkt eine Einladung für eine Gastprofessur in Paris. „Eine mitreißende Stadt mit aberwitzigem Tempo“, so sein Eindruck. Er nutzte die Zeit, um sich noch besser auf europäischer Ebene zu vernetzen und wurde 2009 Generalsekretär der Europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin .

Nach Graz kam er dann im Jahr 2015 zur Übernahme der Abteilung und der Professur. Nach seinen wichtigsten Zielen gefragt, antwortet der verheiratete vierfache Vater: „Ich bin Arzt mit Leib und Seele. Aber daneben bleibt mein wichtigstes Ziel das Lächeln im Gesicht meiner Kinder zu erhalten, bis ins Erwachsenenalter.“

Von Computerspielen hält Metnitz übrigens nicht sehr viel – lediglich ein Gedächtnistrainer ist seinen Kindern zugänglich und wird gerne genutzt. Trotz – oder aufgrund? – seiner umfassenden Medienkompetenz sieht er in der zunehmenden Digitalisierung der Kommunikation und dem Massenphänomen Social Media nicht nur positive Aspekte: „Um am Leben teilhaben zu können, muss heute jeder mit einem Computer umgehen können, ein Konto haben und am besten auch gleich eine Bürgerkarte. Die elektronischen Voraussetzungen werden immer größer und führen unweigerlich zu sozialen Unterschieden. Digitale Medien sollten doch, wie auch medizinische Leistungen, das Leben aller Menschen unterstützen und wo möglich verbessern. Das Pendel sollte aus meiner Sicht wohl wieder mehr in die Mitte schwingen.“

 

Foto: Marija-M. Kanižaj

Symbolbild 1
 



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