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Puzzlesteine für Europas Geschichte

Ob als Arzt für Innere Medizin oder Autor historischer Romane: Antonín Polach interessiert sich in jedem Fall für das, was sich unter der Oberfläche abspielt.

U. Jungmeier-Scholz

„Wenn sie mit Herz ausgeübt wird, erfüllt die Medizin den Menschen“, so das Credo von Antonín Polach, Oberarzt für Innere Medizin im LKH Wagna. Ohne Zweifel erfüllt ihn sein Beruf. Trotzdem bleibt in seinem Leben noch Zeit und Raum für einen weiteren Herzenswunsch, nämlich den, historische Romane zu schreiben.
Seit seinem 14. Lebensjahr fasziniert ihn das, was wir aus der Vergangenheit wissen – und viel mehr natürlich das, was wir noch nicht wissen. „Die europäische Geschichte ist wie ein Puzzle für mich“, erzählt Polach. „Nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit ihr erkenne ich schon das Gesamtbild; aber einzelne Puz­zlestücke fehlen noch. Immer, wenn ich einen dieser Teile entdecke, der sich plötzlich ins Gesamtbild fügt, erfüllt mich das mit einem schönen Gefühl und wenn ich einen besonders schönen Stein finde, schreibe ich darüber, um mein Wissen weiterzugeben.“
Zu Weihnachten wird sein zehntes Buch erscheinen – in tschechischer Sprache, wie die anderen davor. Denn Polach ist ein Beutesteirer; seine Wurzeln liegen in der damaligen Tschechoslowakei. Geboren 1959 in Novy Jicin, im tschechischen Landesteil, studierte er in Olmütz Medizin. Klingt einfach, war es aber nicht. Als Tochter eines Großbauern galt seine Mutter als Klassenfeind und konnte selbst nur über Umwege Bildung erlangen. Auch für den Enkel war seine Herkunft ein schweres politisches Erbe. Trotzdem gelang es ihm, Arzt zu werden und damit – ohne es zu wissen – den eigentlichen Traumberuf seiner Mutter zu ergreifen. Erst vor zehn Jahren hat er von ihrem Berufswunsch erfahren; sie war letztlich Lehrerin für Physik und Mathematik geworden. Von ihrem Drängen hat er nichts bemerkt: „Sie muss mich wohl sehr geschickt gelenkt haben.“ Denn eigentlich wollte Polach Historiker werden; schließlich unterrichtete sein Vater Geschichte. Dass es doch anders gekommen ist, sieht er rückblickend sehr positiv. „Als Historiker wäre ich in irgendeinem Archiv gelandet. Als Mediziner arbeite ich mit lebenden Menschen. Das ist noch viel spannender.“

Diagnostische Leidenschaft

Aber zurück zu den Steinen, die ihm auf dem Weg zum Medizinstudium in den Weg gelegt worden waren. Während seine Mutter in jungen Jahren in der Fabrik arbeiten musste, um als Angehörige der Arbeiterklasse zu gelten und deshalb doch berufsbegleitend maturieren zu dürfen, war die Reifeprüfung in den 1970ern für den Sohn schon problemlos möglich. Auch der Numerus clausus, die Tatsache, dass sich 1300 junge Menschen um nur 250 Studienplätze beworben hatten, stellte für ihn kein unüberwindbares Hindernis dar. Seine Leistungen sprachen für sich. „Aber die ideologische Begutachtung durch die kommunistische Partei, die für einen Studienplatz vonnöten war, hätte ich nie geschafft.“ Verschmitzt lächelnd meint er, gleich wie die Österreicher fänden auch die Tschechen trotz aller Widrigkeiten immer einen Weg, da es dort wie hier gute Menschen gebe. Der Direktor seiner Schule beantragte einfach keine ideo­logische Begutachtung, ein Freund seines Onkels an der Universität „übersah“, dass die Begutachtung nicht erfolgt war und so konnte Polach Medizin studieren. Geschichte wurde sein Hobby. „Was diese beiden Fachrichtungen jedoch verbindet“, resümiert er, „ist die Frage nach dem Warum. Als Arzt gebe ich mich ja auch nicht mit der Beschreibung der Symptome zufrieden, sondern suche nach den Ursachen, um eine adäquate Behandlung zu finden.“ Diese „diagnostische Leidenschaft“, wie er sie nennt, sollten Mediziner wie Historiker seiner Meinung nach unbedingt verspüren.
Sowohl als Arzt als auch als Autor möchte Polach sein Wissen weitergeben. Schon in der Slowakei begleitete er junge Kollegen in den ersten Berufsjahren, heute ist er in Wagna Ausbildungsoberarzt. Wenn er über historische Zusammenhänge schreibt, tut er das explizit, um anderen zu ermöglichen, Geschichte besser zu verstehen und daraus zu lernen. Spaß am Lesen dürfen sie ja trotzdem haben.

Zufall hilft beim Schreiben

Die Zeit für seine literarische Betätigung war und ist immer knapp, aber manchmal kommt ihm der Zufall zur Hilfe. Während er schon zu Gymnasialzeiten Gedichte verfasste – damals stand er noch nicht so unter Zeitdruck –, dauerte es jahrelang bis zum ersten Roman. „Erst während meines Militärdienstes, als ich abwechselnd in der Ambulanz und zur Absicherung der Flüge eingesetzt wurde, hatte ich die Gelegenheit, mein erstes Buch zu konzipieren.“ Absicherung der Flüge bedeutete, dass für den Fall eines Absturzes immer ein Arzt am Militärflughafen von Kosice anwesend sein musste, der jedoch „Gott sei Dank in meiner Dienstzeit nie gebraucht wurde“. So entstand das Grundgerüst für ‚Der Schatten der Persepolis‘, einen Roman über das Perserreich im sechsten vorchristlichen Jahrhundert. Auch jenes Buch, das demnächst erscheinen wird, verdankt seine Existenz dem Zufall, nämlich einer Knieverletzung Polachs im Vorjahr, die es ihm ermöglichte, zumindest den Handlungsverlauf während des Krankenstandes zu skizzieren. Von diesen Ausnahmezeiten abgesehen ist Polachs literarische Tätigkeit nur durch eine Portion Selbstdisziplin, gemischt mit viel Enthusiasmus, aufrechtzuerhalten. „Die Themen für meine Bücher finde ich beim Reisen“, erzählt er. „Ich stolpere über ein spannendes historisches Detail und recherchiere weiter. Zum Beispiel habe ich bei der Besichtigung von Schloss Ambras in Tirol zufällig von der Liebe zwischen Ferdinand von Tirol und Philippine von Welser erfahren, die einander auf dem tschechischen Schloss Breznice begegnet sind.“  So entstand aus einem einfachen Schlossbesuch des passionierten Reisenden das Buch ‚Ehre deinen Vater, aber liebe deine Frau‘, zu dem ihn das tschechische Fernsehen schon mehrmals interviewt hat. Sogar ein Musical wurde nach der Buchvorlage komponiert und heuer im Sommer uraufgeführt.

Parallele zu Kepler

Damit kein wichtiger Gedanke verloren gehen kann, führt Polach stets sein Diktiergerät mit sich – eigentlich ein typisches Arztutensil –, um auch auf den Autofahrten zwischen Wagna und seinem Wohnort Gössendorf bei Graz Ideen sammeln zu können. Der derzeitige Heimatort Polachs  („Die Heimat trägt man mit, es sind die Menschen, nicht die Häuser“) ist Gössendorf, ein Ort, der auch mit seinem neuen Buch verknüpft ist. Denn im Gössendorfer Schloss Mühlegg lebte der berühmte Astronom Johannes Kepler – bevor er nach Prag an den Hof Rudolfs II. gehen musste, weil er sich weigerte zu konvertieren. In diesem Punkt ist Polachs Schicksal jenem Keplers ähnlich. Auch er musste seine Heimat – die wie bei Kepler eigentlich die Heimat seiner Frau war – verlassen. In Folge seiner politischen Aktivität rund um den politischen Umsturz im November 1989 war das Verlassen der Slowakei nach der Trennung der Tschechoslowakei für den gebürtigen Tschechen schwer zu vermeiden. Zwar unterstützten ihn viele Kollegen, als er seiner Führungsposition enthoben wurde – er war zwei Jahre lang ärztlicher Leiter eines Schwerpunktkrankenhauses gewesen –, doch letztlich ging er im Jahr 1995. Er folgte seiner Frau, die bereits an der Pulmologie im LKH Graz als Ärztin arbeitete. Sie hatte erfahren, dass auf der Stolzalpe ein internistischer Oberarzt gesucht wurde, und so zog Polach ihr nach in die Steiermark. Mittlerweile sind schon drei Familienmitglieder hier als ÄrztInnen tätig – die Tochter absolviert gerade ihren Turnus. Hingegen tritt der Sohn als Schreibender das väterliche Erbe an: Er studierte Publizistik.

Derzeit nur auf Tschechisch

Der Vater schreibt nach der Arbeit, am liebsten mit einer Phase der Gartenarbeit dazwischen, um geistig zu regenerieren. Danach empfindet er das Schreiben als Entspannung und als Weg, den Geist in angenehme Gefilde zu lenken – auch wenn seine Plots durchaus aufregend sind und manchmal in Richtung Krimi tendieren. Da geht es beispielsweise in ,Lang sterbe der König‘ um ein Mordkomplott des Papstes gegen Kaiser Friedrich II., Mitte des 13. Jahrhunderts. Oder in seinem neuesten Werk um die Suche zweier historisch belegter Persönlichkeiten nach dem Rezept für das ewige Leben. Beide lebten zur selben Zeit wie Kepler in Prag und suchten vergeblich nach einem bestimmten Manuskript, das sie dem begehrten Rezept näher bringen sollte. „Dieses Manuskript existiert wirklich, liegt heute in den USA, war aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts nachweislich in Prag“, berichtet Polach. „Entschlüsselt wurde es bis heute nicht.“ Wie die Geschichte ausgeht, verrät der Autor nicht.
Wer dieses Buch von Antonin Polach selbst lesen möchte, muss allerdings zuvor noch Tschechisch lernen, denn es erscheint wie seine anderen Werke vorerst nur in Polachs Muttersprache. Obwohl zwei seiner Romane schon ins Deutsche übersetzt wurden, hat der Autor noch keinen Verlag im deutschsprachigen Raum gefunden und eigentlich mangels Zeit auch nie ernsthaft danach gesucht. Lieber nutzt er die Stunden nach der Arbeit im Krankenhaus zum Schreiben.

 

Fotocredit: beigestellt

Symbolbild 1
 



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