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Auge in Auge mit dem weißen Hai

 

Allgemeinmediziner Peter Jaindl verleiht seinen beiden Passionen Tauchen und Fotografieren eine dritte Dimension. Dazu bastelt er selbst an einer Unterwasser-Stereoskopie-Ausrüstung, vernetzt sich international mit anderen „3D-Freaks“ – und hätte gerne zehn Leben.

Ursula Scholz

Wäre es nach seiner fürsorglichen Mutter gegangen, hätte Peter Jaindl nicht Tauchen gelernt. Ein bisschen Schnorcheln im gemeinsamen Kroatien-Urlaub, ja. Aber bitte nicht mehr. Sohn Peter, der als Kind schon wie gebannt die Fernsehserie „Geheimnisse des Meeres“ von Alan Landsburg und Jacques-Yves Cousteau verfolgte, wollte aber höher hinaus – besser gesagt: tiefer hinunter. Sein erster informeller Tauchunterricht resultierte aus einer zufälligen Begegnung mit einem urlaubenden Bundesheer-Soldaten im damaligen Jugoslawien. „Er hat mir beim Schnorcheln zugeschaut und dann gesagt: ,Bua, so wird des nix.’“, erzählt Jaindl. „Und dann hat er mir die ersten Grundlagen der Atemtechnik beigebracht. Damit sind 90 Prozent der Anstrengung gleich weggefallen.“

Den zweiten – diesmal offiziellen – Tauchunterricht hat sich Jaindl buchstäblich vom Mund abgespart. „Ich habe heimlich mein Jausengeld zusammengespart, bis ich mir einen Zweitages-Tauchkurs leisten konnte. Der hat damals 350 Schilling gekostet und wurde im neu eröffneten Eggenberger-Bad abgehalten. Da habe ich dann die wichtigsten technischen Grundlagen gelernt.“

Gepflegte Familientradition

Für seine Passion, das Tauchen, hat sich Jaindl über die mütterlichen Wünsche hinweggesetzt. Bei seiner Berufswahl hingegen folgte er einer Familientradition: Schon sein Großvater und Vater haben als Hausärzte praktiziert. In der weiteren Verwandtschaft gibt es auch Ärztinnen und Ärzte anderer Fachrichtungen, aber Peter Jaindl wollte in die Allgemeinmedizin: „Ein Fach war mir zu begrenzt. In der Allgemeinmedizin bist du einfach mit allem konfrontiert.“ Wie zur Zeit mit Covid-19 …

Als Medizinstudent widmete sich Jaindl dann verstärkt dem Tauchen und machte im Hallstättersee sein erstes Brevet, also sein erstes Tauchabzeichen. Später sollten weitere folgen. „Es gibt kein uninteressantes Tauchgebiet“, lautet seine Überzeugung. „Selbst in der Mur ist das Strömungstauchen spannend.“ Um den Anblick faszinierender Tiere zu genießen, muss Jaindl auch nicht weit fahren: Im Schwarzl-See bestaunen mittlerweile übermannsgroße Welse die Taucher – oder umgekehrt – und Jaindl hat in diesem heimischen Gewässer schon einmal für einen Magazin-Beitrag Süßwasserkrebse fotografiert.

Hai wie Lokomotive

Denn das Fotografieren ist Jaindls zweite Passion, und die praktiziert er am liebsten in der dritten Dimension: als Stereoskopie. Deshalb schätzt er – neben dem Roten Meer mit seiner Farbenpracht, dem Atlantik mit den großen Raubfischen und den zu betauchenden Höhlen um Eisenerz – besonders den Weißensee. „Oft sieht man in einem Süßwassersee nur einen halben bis einen Meter weit. Im klaren Weißensee ist mehr möglich.“

Apropos Distanz: Auf Armlänge kam Jaindl in Südafrika auch schon ein weißer Hai entgegen. „Da glaubt man, es kommt eine Lokomotive auf einen zu. Immerhin haben wir gemessen, dass ,unser’ Hai fünfeinhalb Meter lang war, länger als mein Wohnzimmer.“ Den Hai fotografierte Jaindl für eine Broschüre und seit der Arbeit daran ist der weiße Hai eine Spezies, die Jaindl nicht locker lässt. Zwar hat er schon beachtliche Fotos des gefürchteten Gesellen gemacht, aber eben nur in zwei Dimensionen. „Den möchte ich auch noch in 3D fotografieren“, nennt er sein taucherisches Fernziel. Dafür muss allerdings erst die Unterwasser-3D-Ausrüstung fertiggestellt werden, an der Jaindl seit Jahren bastelt, wann immer er neben der eigenen Ordination Zeit dafür findet. Ungefähr 80 Kilogramm wird sie wiegen und daher nur mit Flaschenzug zu nutzen sein. Ins Wasser hinein kommt sie ja leicht, aber beim Auftauchen könnte es sonst Probleme geben. Was sein eigenes Equipment von nunmehr fertig erhältlichen 3D-Kameras für den Unterwasserbereich unterscheidet, ist (neben dem Preis) die Möglichkeit, die Stereobasis zu verstellen und damit den Abbildungsmaßstab zu vari­ieren. Worauf er durchaus stolz ist.

Flexibilität ist ihm nicht nur bei der adaptierbaren Stereobasis wichtig; er lässt sich generell nicht gerne einschränken. Den Käfig beispielsweise, in dem sich Jaindl bei seiner ersten Begegnung dem weißen Hai näherte, empfand er als lästig. Aber nicht nur wegen der Einengung, sondern auch, weil er im Wasser so ruckelt und beim Fotografieren stört. Dabei kommt es gerade in der Tierfotografie auf den ganz richtigen Moment an. „Der Hai ist so scheu, dass ihn schon die Luftblasen der Taucher irritieren. Da heißt es Luft anhalten, bis man fast blau wird – und dann schnell abdrücken.“ Alle, die jetzt neidisch auf Tauchen in Südafrika sind, tröstet Jaindl: „Wir sind mit unserem ,Hausmeer’ mehr als gesegnet. Die Adria ist so spannend, schon allein, weil es da Jahreszeiten gibt. Da ändern die Seegraswiesen ihre Farbe … Zehn Leben reichen nicht, um beim Tauchen alles Sehenswerte zu entdecken“, erklärt der 61-Jährige.

Tüftler-Vorbild Otto

Fotografiert hat Jaindl immer schon gerne – und nach seinen Reisen vor einem „kleinen bis mittelgroßen“ Publikum Diavorträge gehalten. Denn auch über Wasser sucht er das Abenteuer. Unter anderem absolvierte er Mitte der 1990er-Jahre einen Teil seines Turnus in Uganda. Zur 3D-Fotografie ist er eher zufällig über einen Cousin gekommen und hat sich dann aus der Schweiz Fachliteratur zukommen lassen, als es bei uns noch keine Bücher darüber gab. Er hat mit Prismengläsern experimentiert oder zwei Bilder in derselben Position gemacht, wobei er die Kamera zuerst stabil in Brusthöhe gehalten hat, aber einmal beim Abdrücken den linken und beim anderen Mal den rechten Fuß belastet hat, um so den natürlichen Unterschied zwischen den Bildausschnitten der beiden Augen zu imitieren.

Eines seiner Vorbilder ist der mittlerweile verstorbene Leipziger Heinz Otto , Gründer der „Raumbildfreunde“ und Pionier der 3D-Fotografie, der sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs seine erste „doppeläugige“ Kamera gebaut hat. „Der war ein Tüftler. Und seine Ausrüstung musste er sich komplett selbst basteln, nicht nur die Kamera. Auch die Flossen hat er aus alten Autoreifen ausgeschnitten.“

Zu Heinz Ottos Zeiten war das Fotografieren unter Wasser noch extrem mühsam. Da musste man die Kamera aufziehen, im wasserdichten Gehäuse verstauen und konnte beim darauffolgenden Tauchgang nur ein einziges Foto schießen, bevor man wieder auftauchen musste, um den Apparat neu aufzuziehen.

Üben im Schwimmbecken

So viel Sorgfalt, wie damals bei der Wahl des Bildausschnittes und der Blende an den Tag gelegt werden musste, wendet heute niemand mehr auf. Da werden die besten digitalen Aufnahmen ausgesucht und zu einem Bild mit optimaler Belichtung aller Bild­ebenen zusammengerechnet. „Am Ende entsteht ein Einheitsbrei der Belichtung und kein natürlicher Eindruck“, kritisiert Jaindl. Er hat auch schon zu analogen Zeiten unter Wasser fotografiert. Vor seinen Tauchgängen im Roten Meer hat er am Grunde eines Schwimmbeckens stundenlang trainiert und eine Belichtungstabelle erstellt. Da verwundert es nicht, wenn er „Geduld“ als jene Eigenschaft bezeichnet, die er sowohl als Arzt als auch als Meister der Unterwasser-3D-Fotografie am dringendsten benötigt.

Auch bei seiner jüngsten Leidenschaft, dem Erstellen von Hologrammen, ist sie hilfreich. „Ich hab schon mein Phlegma entwickelt“, betont er. Das nützt ihm – egal ob er gerade jemandem einen Facharztbefund „ausdeutscht“ oder auf den richtigen Moment für das perfekte Foto wartet.

AERZTE Steiermark 04/2020




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