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AERZTE Steiermark 10/2017
 

„Weibliche Herangehensweise“

Die Medizin ist weiblich. Aber wie in vielen anderen Lebensbereichen sind auch in der Medizin und in der Ärztekammer Spitzenfunktionen weitgehend in männlicher Hand. Ein Erklärungsversuch.

Die Chance, in einem steirischen Krankenhaus auf eine Ärztin und nicht auf einen Arzt in Ausbildung zu treffen, steht fünf zu zwei. In dieser Gruppe sind sechs von zehn Frauen.

Nahezu ausgewogen ist das Geschlechterverhältnis bei hauptberuflichen Wahlärztinnen und Wahlärzten, aber auch Spitalsärztinnen und Spitalsärzten. Nur bei §2-Kassenärztinnen und -ärzten sind Frauen klar in der Minderheit: Sieben von zehn ÄrztInnen mit GKK -Vertrag sind Männer. Aber auch hier ist die Tendenz fallend: Bereits in sechs Sonderfächern (berücksichtigt sind nur jene mit mindestens 15 Angehörigen) liegt der Frauenanteil über 50 Prozent und fast 56 Prozent der AllgemeinmedizinerInnen sind Frauen.

Die Ärztekammer dagegen ist stark männlich – so wie viele andere Lebensbereiche der Wirtschaft und der Politik auch. Die Ärztekammer Steiermark hat zwar seit 2012 eine Finanzreferentin (bis heuer Astrid Preininger , jetzt deren bisherige Stellvertreterin Doris Kriegl ). Zählt man alle weiblichen Mitglieder von Referaten, Ausschüssen, der Vollversammlung und anderen Gremien zusammen, kommt man auf rund 30. Eine klare Minderheit. Um dem Verhältnis zwischen Frauen und Männern insgesamt gerecht zu werden, müssten es doppelt so viele sein. Die Vollversammlung der Ärztekammer Steiermark bilden 35 Kammerräte – Männer – und 6 Kammerrätinnen. Bezogen auf die Mehrheitsverhältnisse unter den Ärztinnen und Ärzten insgesamt sollten es 18 Frauen sein.

Business-Netzwerke und Family-Netzwerke

Männer haben eine schnelle Erklärung dafür: Die Frauen wollen nicht. Kathrin Sieder, Referentin für Arztberuf und Familie hält diese Begründung nicht für ganz falsch: „Die Business-Netzwerke der Männer sind stärker, Frauen vernachlässigen Business-Netzwerke, sie haben eine Priorität für Family-Netzwerke.“ Weil, so die Allgemeinmedizinerin, Frauen in ihrer weiblichen Rolle blieben, auch wenn sie voll im Beruf stünden und den Eigennutz in den Hintergrund stellten – ein „Steinzeitmodell“.

Marlene Grillitsch, angehende Kinderfachärztin und stellvertretende Obfrau der Sektion Turnusärzte, hält es – natürlich – für wünschenswert, „wenn wir mehr Kolleginnen dazu motivieren könnten, sich standespolitisch zu engagieren, da es eine sehr spannende Tätigkeit ist und besonders auf dem Sektor Vereinbarkeit von Arztberuf-Familie noch sehr viel zu erarbeiten ist. Weiters sind die weibliche Sicht- und Herangehensweise an sämtliche Thematiken sowie die Beisteuerung zur Konfliktlösung unverzichtbar.“

Eine Umfrage unter den Funktionärinnen der Ärztekammer Steiermark zeigt, dass diejenigen, die sich engagieren, sich in hohem Maß unterstützt, wertgeschätzt und respektiert fühlen – die Werte liegen auf einer Hunderter-Skala zwischen 77 und 90. Das gilt sowohl für die männlichen Funktionärskollegen als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kammer. Den schlechtesten Wert hat die Beachtung durch die Kollegen, sie liegt aber immer noch bei 64 (siehe Grafiken, Seite 12).

Das stärkste Motiv für das Engagement der Ärztinnen ist es, „die weibliche Sicht auf standespolitische Belange einzubringen“ – hier liegt der Durchschnitt bei über 75. Das gilt nicht nur für Themen, die als „typisch weiblich“ gelten: „Sich zu beklagen oder zu jammern ist leicht, sich aber einzusetzen für die Ausbildung, die Abflachung hierarchischer Strukturen oder für eine menschlichere Behandlung im System gibt mir Mut und Kraft und hinterlässt das Gefühl, nicht mehr bloß ein Spielball im System geworden zu sein“, sagt Martina Lemmerer , Chirurgie-Oberärztin bei den Barmherzigen Brüdern und Mitglied im Ausschuss für ärztliche Ausbildung.

Wie kann es aber gelingen, die Hürden aus dem Weg zu räumen, die Ärztinnen den Weg in die Kammer versperren? Kinderbetreuung während der Sitzungen (51,43) und die bessere Abstimmung von Terminen (47,14) haben hier die höchsten Werte. Den Stein der Weisen gibt es aber nicht. Es gehe um eine grundlegende Haltung, glaubt Michaela Lientscher, Fachärztin für Innere Medizin am Kärntner LKH Wolfsberg und als Kurienobfrau der Angestellten Ärzte Vizepräsidentin der Kärntner Ärztekammer (siehe Interview): „Wenn man frauenfreundlich ist, dann versteht und akzeptiert man das Nein zu Terminen, wenn man nicht frauenfreundlich ist, rümpft man die Nase und sagt: ‚Die hat eh nie Zeit!‘“
 

Frauenquote – Quotenfrau

In der Politik und in der Wirtschaft taucht immer wieder die Diskussion über eine Frauenquote auf. Da gibt es das „Reißverschlusssystem“ in den Wahllisten der Parteien oder die Debatte über einen obligatorischen Frauenanteil in Aufsichtsräten. Für Ärztinnen ist die Quote ebenfalls eine Möglichkeit (Zustimmung 48,57 auf der 100-teiligen Umfrageskala), aber sie wird auch mit gemischten Gefühlen gesehen. Die Idee habe Vor- und Nachteile, sagt Sieder und nennt die Nachteile: „Die Quote ist auch ein Stempel, eine Stigmatisierung. Deswegen sind Frauen nicht so glücklich damit.“ Es gibt aber auch den Standpunkt, dass die Quote unumgänglich sei.

Für Lemmerer (und nicht nur für sie) ist die Herausforderung grundlegender: „Es geht primär nicht um die Verbesserung der Sitzungsbedingungen oder um die Einführung von Frauenquoten. Solange unsere Gesellschaft vorgibt, dass vorwiegend Frauen für die Kinderbetreuung zuständig sind, um die Familien zusammenzuhalten und es zudem unsexy ist, zuhause am Herd zu stehen, solange wird es auch eine persönliche und zeitliche Herausforderung bleiben, sich nebenberuflich zu engagieren.“

„Ich bin sehr unflexibel bei kurzfristigen Terminen“
 

Spitals-Internistin Michaela Lientscher ist seit diesem Jahr Kurienobfrau und Vizepräsidentin in der Ärztekammer Kärnten. Sie will mehr Frauen in der Kammer, vor allem aber die Bedingungen für die Ärztinnen und Ärzte insgesamt verbessern.

AERZTE Steiermark : Nicht nur in den Ärztekammern sind Frauen in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Auch in der Vollversammlung der Ärztekammer Kärnten sind sie klar in der Minderheit. Sie haben aber eine Präsidentin, Sie selbst sind Vizepräsidentin und Kurienobfrau. Braucht es diese Vorreiterinnen?

Lientscher : Ich finde, dass die Präsenz von Frauen in Führungspositionen ja ein oft diskutiertes und analysiertes Thema ist, sei es in der Wirtschaft oder auch in medizinischen Bereichen. Und viele zerbrechen sich den Kopf darüber, warum Frauen zu selten Führungsaufgaben wahrnehmen. Ich halte uns ehrlich gesagt nicht für Vorreiterinnen, sondern sehe es als etwas Normales, dass nach jahrelangem Engagement in der Ärztekammer auch Frauen in Führungspositionen sitzen. Dies aber aus einem Selbstverständnis heraus und aufgrund von fachlicher und menschlicher Qualifikation.

Was hat Sie dazu bewogen, die Funktion zu übernehmen?

Ich habe seit Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit gemerkt, dass wir Ärzte so sehr in die Medizin verliebt sind, dass wir deswegen unsere Managerfähigkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen verkümmern lassen. Es braucht daher Menschen, die auch hier eine Leidenschaft haben. Ich habe eine Leidenschaft für Kommunikation, Teamdynamik und erreiche in mir eine tiefe Zufriedenheit, wenn es gelingt, die Bedingungen, unter denen wir Ärzte tätig sind, zu verändern, damit sie die Bedürfnisse meiner Kollegen besser treffen.

Sie haben in Ihrer Gruppe ein Reißverschlusssystem installiert, Frauen und Männer machen halbe-halbe. Ist eine solche Quotenregelung die einzige Lösung?

Es ist nicht die einzige Lösung, aber diejenige, die wir gewählt haben, um Fairness für beide Geschlechter zu erreichen.

Wenn man mit Männern spricht, sagt keiner, dass er nicht gerne mehr Frauen in den Gremien hätte. Nur würden zu wenige Frauen Funktionen übernehmen wollen. Stimmen Sie dem zu oder halten Sie das für eine Fehleinschätzung?

Diese Einschätzung trifft wohl zu und ich kann verstehen, dass sich Frauen diesen Schritt doppelt und dreifach überlegen, ganz einfach weil man die Doppelbelastung mit Job und Familie nach wie vor nicht schönzureden braucht, denn sie ist noch immer vorhanden. Dinge werden besser, Männer werden nicht mehr als Sonderlinge angesehen, wenn sie zur Versorgung ihrer Familie beruflich zurückstecken. So wird es Frauen leichterfallen, Führungspositionen wahrzunehmen. Und ganz ehrlich, glaube ich, dass hier ein gewisses Ungleichgewicht bestehen bleiben wird, welches sich erst ausgleicht, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind, weil ich es auch als durchaus gesund finde, wenn die Rollenbilder nicht zur Gänze auf den Kopf gestellt werden.

Oft hört man den Vorwurf, dass die Rahmenbedingungen in Institutionen nicht „frauenfreundlich“ seien. Haben Sie in der Ärztekammer Kärnten etwas geändert, um sie frauenfreundlicher zu machen bzw. haben Sie das noch vor?

Ich persönlich verstehe darunter zum Beispiel eine gewisse Termin- und Sitzungshygiene. Wir achten in der Terminisierung darauf, dass Besprechungen und Sitzungen nicht zur Gänze zu Lasten der Zeit gehen, die wir mit unseren Kindern verbringen. Sprich, ich nehme mir lieber einen Tag Zeitausgleich von meinem Krankenhausjob, um Termine zu erledigen, während die Kinder in der Schule sind. Ich bin sehr unflexibel bei kurzfristigen Terminen oder Terminverschiebungen, sage dann auch nein. Und hier liegt nun der Unterschied in frauenfreundlich oder nicht. Wenn man frauenfreundlich ist, dann versteht und akzeptiert man dieses NEIN zu Terminen, wenn man nicht frauenfreundlich ist, rümpft man die Nase und sagt: „Die hat eh nie Zeit!“ Meine Frau Präsidentin [Petra Preiß, Anm. d. Red.] hat hier auf wundervolle Art Toleranz mit mir, sich selbst und auch allen anderen Frauen in der Kammer gegenüber.

Was würden Sie anderen Ärztekammern raten?

Nicht die Dinge um das Frauen- oder Männerthema herum zu beleuchten, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für alle Kammerräte möglich machen, gute Arbeit zu leisten.

Es war ja auch in Kärnten nicht ganz einfach, Ärztinnen zu motivieren. Was waren Ihre Argumente? Und andersherum: Welche Argumente haben Sie selbst überzeugt?

Ich musste nicht überzeugt werden, weil ich ein zutiefst politischer Mensch bin, und andere Ärztinnen kann man nur überzeugen, wenn man ein sinnbringendes Miteinander hat. Ich glaube, Frauen brauchen Tätigkeiten in der Standesvertretung nicht, um darüber ihren Selbstwert zu definieren.

Wie gehen die Männer mit dieser Situation um?

Die Anfrage in einem persönlichen Gespräch an mich beim ersten österreichischen Kammertag, ob ich eine Quotenfrau bin, hat mich zum Schmunzeln gebracht.

Fotos: Schiffer/Ärztekammer Steiermark, Helge O. Sommer, Ärztekammer Kärnten, Schiffer




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