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AERZTE Steiermark 03/2024

 

„Künstliche Intelligenz wird explodieren“

Andrea Kurz, die neue Rektorin der Medizinischen Universität Graz, versteht sich als Teamworkerin. Mehr Mediziner:innen zur Linderung des Ärzt:innenmangels auszubilden, sieht sie skeptisch.

 

AERZTE Steiermark: Sie haben reiche klinische Erfahrungen in den USA. Wie kann die Med Uni Graz daraus Vorteile ziehen?

Kurz: Ich glaube, dass wir in Bezug auf Effizienz und Kostenbewusstsein in der Patient:innenversorgung zum Teil noch Verbesserungsbedarf haben. Es gibt gewisse Abläufe und Prozesse, die man sicherlich optimieren könnte. Wir sollten zum Beispiel verstärkt auf tagesklinische bzw. vermehrt auf ambulante Versorgung setzen und wo medizinisch möglich, die Verweildauer im Krankenhaus reduzieren. Die Exzellenz in der Patient:innenversorgung dürfen wir dabei aber nicht aus dem Blick verlieren.

 

Ihr Vorgänger hat inneruniversitär große und wichtige Bauprojekte angestoßen und umgesetzt. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? Was soll von der „Ära Kurz“ bleiben?

Kurz: Die Bauprojekte waren sehr wichtig, um eine exzellente Infrastruktur für Forschung und Lehre zu schaffen. Aber die besten Räumlichkeiten sind nicht viel wert, wenn Sie nicht durch Menschen, deren Herz für unsere Universität schlägt, belebt werden können. Daher ist ein starker Schwerpunkt für mich die Personalentwicklung. Dass man unseren Mitarbeiter:innen auf allen Ebenen wirklich die Freiheit gibt, sich selber zu entwickeln. Ich möchte, dass sich hier an der Med Uni Graz eine noch stärkere akademische Kultur aufbaut. Alle Mitarbeiter:innen sollen verinnerlichen, dass wir an einer Universität arbeiten und die Lehre und Forschung unterstützen. Wir müssen auch danach streben, national und international mit verschiedensten Institutionen, nicht nur aus dem medizinischen Bereich, besser vernetzt zu sein. Das wird unser internationales Standing verbessern. Zusätzlich setzen wir auf eine sehr lebendige und inspirierende Lehre. Wir wünschen uns Studierende und Lehrende, die kritisch sind und frei denken. Ein weiterer Punkt ist die Förderung von Frauen in ihrer Karriere. Hier möchte ich die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Wissenschafterinnen nach Mutterschutz/Karenz wieder rasch in das wissenschaftliche Gefüge eingegliedert werden können. Auch Mentoring-Modelle und bessere Vernetzung untereinander spielen hier eine große Rolle.

 

Mit dem „Don’t smoke“-Volksbegehren hat Hellmut Samonigg in einer breiten Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erzielt. Wollen Sie auch öffentliche Aufmerksamkeit bekommen? Wenn ja, wie?

Kurz:  Diese wichtige Initiative wurde ja noch vor seiner Wahl zum Rektor gestartet, passt aber ausgezeichnet in unser Konzept einer Gesundheits­universität. Auf Prävention und Früherkennung wird in den nächsten Jahren vermehrt ein Augenmerk gelegt werden. So wie wir die Eigenverantwortlichkeit an unserer Universität in Wissenschaft und Lehre weiter fördern wollen, werden wir auch vermehrt auf die Mitarbeiter:innengesundheit eingehen. Die Gedanken und diese Wertehaltung sollen dann auch in die Gesellschaft hinausgetragen werden. Ebenso erscheint uns der Diskurs der Medizin und Wissenschaft mit der Gesellschaft, die vielleicht wissenschaftsskeptisch ist, wesentlich und erforderlich. Dazu werden wir eine Veranstaltungsreihe „Medizin und Gesellschaft“ initiieren, die in den Dialog mit unseren Bürger:innen gehen soll, und für alle zugänglich sein wird. Darüber hinaus werden wir unseren Wissenschafter:innen vermitteln, dass es wichtig ist, ihre Forschungsergebnisse in verständlicher Art und Weise an die Gesellschaft zu kommunizieren und ihnen auch dabei helfen, entsprechende Fähigkeiten zu vermitteln. Wir wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben und sie umfassend informieren.

 

In den USA funktionieren Universitäten anders als in Österreich. Wollen Sie amerikanische Elemente nach Österreich importieren? Wenn ja, welche?

Kurz: Für mich war in den USA der Umstand faszinierend, dass man im akademischen Bereich ohne Vorurteile in Interaktionen ging, davon ausging, dass durch Vernetzung ein Mehrwert entsteht, und dass Leistung auch im akademischen Bereich honoriert wurde. Gute Forscher:innen sind auch über ihr offizielles Pensionsalter geblieben, wenn sie weiter erfolgreich waren, und haben ihre Universität mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung unterstützt. In Österreich werden die USA immer als leuchtendes Beispiel in der Wissenschaft gesehen, ohne jedoch die Voraussetzungen dort zu beachten oder diese zu übernehmen. Also, ein unkritisches Übernehmen ist sicher nicht meine Sache, aber eine Öffnung und ein Denken ohne Grenzen muss bei uns sehr wohl Platz haben! Alles dies aber auch unter Zugrundelegung unserer kulturellen und finanziellen Voraussetzungen.

 

Sie gelten als international exzellent vernetzte Forscherin. Wie wollen Sie das für die Med Uni Graz nutzen?

Kurz: Es war immer mein Ziel, die Erfahrungen aus meinen Auslandsaufenthalten wieder nach Österreich zurückzubringen, um hier meinen Beitrag zu leisten. Wenn ich nun auf Grund meiner neuen Position auch nicht unbedingt weiter aktiv in der Forschung mitarbeiten kann, so habe ich doch in dem Fall die Gelegenheit und die Möglichkeiten, die in meiner Laufbahn geknüpften Kontakte national und international für die Med Uni Graz zu nutzen. Zudem ergeben sich für mich nun als Rektorin übergeordnete Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für internationale Forschung auf höchstem Niveau zu verbessern. Ich sehe mich hier als Vorbild und Role Model.

 

Die Med Uni Graz ist im internationalen Universitätsranking gut, aber nicht ganz vorne dabei. Soll sich das ändern? Wie?

Kurz:  Rankings können eine gute Möglichkeit bieten, um sich einen schnellen Überblick über die internationale Hochschullandschaft zu verschaffen. Jedoch sollte man, wie so oft, auch hier genauer hinter die Kulissen blicken. Die Reihung ist von sehr vielen Faktoren abhängig, die auch regelmäßig anders gewichtet werden, wodurch sich neue Positionen im Ranking ergeben können, ohne dass sich an der Gesamtpunktezahl etwas wesentlich geändert hat. Wenn man sich die Top-Platzierungen anschaut, sind es immer dieselben Universitäten, die hier aufscheinen, und da kann eine österreichische Universität beispielsweise budgetär nicht mithalten. Wir sollten nicht immer die Tendenz haben, auf andere zu schauen, da wir hier in Österreich und natürlich auch an der Med Uni Graz exzellente Arbeit leisten, auf die wir stolz sein dürfen. Und natürlich möchte ich hervorheben, dass wir unter den „Young Universities“ auf Platz 16 liegen (von 605 Universitäten).

 

Kann und soll die Med Uni Graz internationaler werden? Wie kann das funktionieren?

Kurz:  In unseren Forschungsfeldern Krebsforschung, Neurowissenschaften, Stoffwechsel & Kreislauf, Nachhaltige Gesundheitsforschung und Mikrobiom & Infektion sind wir international schon sehr gut vernetzt und sichtbar. Die Med Uni Graz profitiert von einer gut entwickelten Forschungsprofilbildungssystematik, die es weiter zu entwickeln gilt. Als Motor fungieren zahlreiche Research-Units, die definierten Qualitätskriterien entsprechen. Unsere Forschungsinfrastruktur ist ein Landmark, wie beispielsweise das Zentrum für Medizinische Forschung, die Biobank mit über 20 Millionen Proben und dem hier angesiedelten BBMRI-ERIC-Headquarter für Biobanken-Infrastruktur. Über unsere internationalen Doktoratsprogramme sprechen wir Wissenschafter:innen weltweit an, die ihr PhD an der Med Uni Graz machen. In Austauschprogrammen sind wir mit nahezu 200 Institutionen weltweit gut vernetzt und in regem Kontakt. Auch wenn in diesem Feld in den letzten Jahren schon viel passiert ist, muss es unser Ziel sein, uns national und international noch stärker zu vernetzen, um so neue und große Forschungsprojekte an die Med Uni Graz zu bringen und auch im Rennen um die besten Köpfe international dabei zu sein. Ganz wichtig ist, dass wir attraktiver werden für international anerkannte Wissenschafter:innen, um diese nach Graz zu holen.

 

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Was wird sich da an der Med Uni Graz in Zukunft tun?

Kurz:  Künstliche Intelligenz wird in den nächsten Jahren explodieren. Es wird ein wichtiger Faktor für unsere Patient:innen sein, im Hinblick auf Prävention, Diagnose und individualisierte Therapie. Auch für die Planung, Organisation und die Optimierung von Prozessen kann KI einen großen Schritt bedeuten und damit Effizienzen heben. Andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass die Nähe zum:zur Patienten:Patientin und Empathie erhalten bleiben müssen. Die Gefahr liegt auch in einer gewissen Verselbständigung der KI und daher müssen klare Regeln für deren Entwicklung und Einsatz gelten bzw. definiert werden.

 

Die Med Uni ist mit der Steiermärkischen Krankenanstalten GmbH KAGes am Klinikum eng verzahnt. Wird das so bleiben? Braucht es neue Akzente?

Kurz: Die enge Kooperation mit der KAGes am LKH-Universitätsklinikum Graz ist etwas, das in jedem Fall weitergeführt und sogar ausgebaut werden soll. Es gibt noch einige Felder, wo wir durch Zusammenwachsen ein Einsparungs- und Effizienzpotential heben können − aber auch hier müssen wir Grenzen überwinden, Ängste beiseiteschieben, gemeinsam voranschreiten und innovativ und pionierhaft agieren. Es wird nur durch ein enges Zusammenwirken der Med Uni Graz mit der KAGes möglich sein, über die Unterstützung von Forschung und Lehre versorgungswirksame Ärzt:innen am Uniklinikum auszubilden, die Strukturen in unserem Land gemeinsam zu denken und zukunftsgerecht zu entwickeln. Durch die noch engere Verzahnung wird so letztlich ein Mehrwert geschaffen werden, um den uns andere Standorte beneiden werden. Letztendlich müssen wir am Standort eng zum Wohl unserer Patient:innen zusammenarbeiten.

 

Mittlerweile ist sie zur Gretchenfrage der Medizinausbildung geworden: Kann eine Aufstockung der medizinischen Studienplätze den Ärzt:innenmangel lindern?

Kurz:  Solange es nicht möglich ist, dass unsere Absolvent:innen dort ankommen, wo sie für die Versorgung gebraucht werden, wird sich an der aktuellen Situation wenig ändern. Fakt ist, dass in Österreich genug Ärzt:innen ausgebildet werden, die Verteilung ist jedoch die große Herausforderung. Wir müssen alle „Stakeholder“ an Bord holen, und evaluieren, welche Ärzt:innen wir wo benötigen. Ein Beispiel: Für die Innere Medizin, die durch die Entwicklung in Richtung Spezialisierung und durch die neue Ausbildungsordnung komplett im Wandel begriffen ist, wissen wir nicht, wie viele Internist:innen und welche Sonderfächer wir in Österreich benötigen. Der „Allgemeininternist“ gerät hier unter die Räder, obwohl wir ihn noch brauchen! Das ist in vielen Fächern und Disziplinen bedingt durch den immensen Fortschritt so. Ja, es ist durch die Demographie zu erwarten, dass hier in manchen Bereichen Mängel entstehen könnten − darauf muss man aber auch vorbereitet sein. Dazu zählt das Wissen, was und vor allem wen wir wirklich brauchen. Sind alle Tätigkeiten der Ärzt:innen wirklich ärztliche Tätigkeiten? Sind alle Tätigkeiten von hochgradig ausgebildetem Pflegepersonal wirklich durch solche Fachkräfte durchzuführen? Da liegt unsere Chance, dem Wandel der Medizin entgegenzukommen, und neue Strukturen und Strategien zu entwickeln. Es soll keine Angst vor Veränderung herrschen, sondern wir sollten gespannt und motiviert die Möglichkeiten, die wir schon erkennen und noch erdenken müssen, ergreifen und umsetzen. Deswegen blicke ich trotz aller Herausforderungen positiv in die Zukunft, weil unsere Generation sowie die nächsten Generationen hier Neues und Zukunftsweisendes erschaffen können, wenn man es zulässt und ermöglicht. Genau dieses Denken muss eine medizinische Universität vermitteln.

 

Im Gespräch ist eine Meduni in Klagenfurt. Wie stehen Sie dazu? Braucht Österreich noch eine medizinische Ausbildungsstätte?

Kurz:  Das ist eines jener Themen, welches mein Team und ich sehr zeitnah näher betrachten werden. Natürlich hätte ein weiterer Standort durch höhere Patient:innenzahlen auch Vorteile für den wissenschaftlichen Output der Med Uni Graz, aber dieser Zugang wird nicht das Allheilmittel sein, um Ärzt:innenmangel in abgeschiedenen Regionen zu bekämpfen. Auch hier muss evaluiert werden, ob durch Kooperation und Vernetzung ein Mehrwert geschaffen wird, der unserem Land nützt und vor allem darüber hinaus hilft, den Herausforderungen der Zukunft betreffend Patient:innenversorgung effizienter begegnen zu können.

 

Wie wird das Rektorat sich künftig zusammensetzen?

Kurz: Neben den bisherigen Schwerpunkten Forschung und Lehre werden wir auch zukunftsorientiert auf Nachhaltigkeit und Innovation setzen, was sich auch in den Vizerektoraten widerspiegelt. Mein Team besteht aus Menschen, die seit vielen Jahren an der Med Uni Graz oder anderen Universitäten in verantwortungsvollen Positionen arbeiteten und daher den Universitätsbetrieb gut kennen. Wir versuchen auch unsere Erfahrungen von anderen Standorten hier einzubringen, um das Beste aus verschiedenen Welten hier in Graz mit regionaler, nationaler und internationaler Wirksamkeit umzusetzen. Wir treten als Team auf und daher ist es natürlich, dass dieses Team neue Ansätze und Denkweisen einbringt, um die gesteckten Ziele zu erreichen.

 

Rektorin zu sein bedeutet in der Regel, sich von der klinischen Forschung wegzubewegen. Nehmen Sie das hin?

Kurz: Hier treffen Sie einen Punkt, der mich persönlich bei meiner Entscheidung, mich als Rektorin zu bewerben, auch sehr beeinflusst hat. Ich hatte immer und habe auch hier das Privileg, dass ein hochmotiviertes   junger Wissenschafter:innen meine Forschungsarbeit fortführen wird und ich in meiner Funktion als Rektorin die dafür bestmöglichen Rahmenbedingungen für alle Forscher:innen und Mitarbeiter:innen aller  Bereiche unserer Universität ermöglichen werde.

 

Letzte Frage: Was soll man von Ihnen sagen, wenn ihre Jahre als Rektorin abgelaufen sind?

Kurz: Danke, dass Du uns Raum, Zuversicht und Mut für Entwicklung gegeben hast und uns damit ermöglicht hast, das Beste aus uns herauszuholen.

 




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