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AERZTE Steiermark 06/2022

 

Die großen Aufgaben

Die Ärztekammer Steiermark hat – so wie alle Landesärztekammern – eine neue Vollversammlung und gleich wie in sechs anderen Ärztekammern mit Michael Sacherer auch einen neuen Präsidenten. Wir haben uns angesehen, welche großen Aufgaben auf die Ärztevertretung und die Gesundheitspolitik insgesamt zukommen. Ganz sicher lassen sie sich nur miteinander bewältigen.

Bereits einen Tag nachdem das neue Präsidium der Ärztekammer Steiermark gewählt worden war, gab es das erste echte Ergebnis: Es gelang etwas, das jahrelang nicht gelungen war, nämlich eine Einigung über die Bezahlung der Ordinationshilfen mit der Gewerkschaft der Privatangestellten zu erzielen.

„Wenn wir uns um Lösungen bemühen und den Partnern im respektvollen Dialog begegnen – das muss natürlich auf Gegenseitigkeit beruhen –, geht etwas weiter“, freut sich der frisch gewählte steirische Ärztekammerpräsident Michael Sacherer. „Nach langem Stillstand ist es in einer sozialpartnerschaftlichen Atmosphäre gelungen, einvernehmlich ein respektables Ergebnis zu erzielen“, betont auch der ebenfalls neu gewählte Obmann der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, Vizepräsident Prof. Dietmar Bayer. Aber der Kollektivvertrag für die Ordinationsassistenzen ist nur eine der Herausforderungen. Und noch dazu eine, die sich mit einem vernünftigen Verhandlungspartner rasch lösen lässt.

Mangel als Kernthema

Andere Herausforderungen haben längere Vorlaufzeiten. Und viele haben mit dem Ärzt*innenmangel zu tun. Wobei dieser nicht falsch verstanden werden darf. Er ist nämlich eines nicht: ein Mangel an Köpfen – obwohl die Lage in Österreich (und damit auch in der Steiermark) bei Weitem nicht so rosig ist, wie es die Statistik auf den ersten Blick suggeriert. Da liegt nämlich Österreich hinter Griechenland bei der Ärzt*innendichte ganz vorne in Europa – worauf Gegner*innen der Ärzt*innenschaft aber auch Medien immer wieder gerne hinweisen. Legt man jedoch die gleichen statistischen Maßstäbe an, wie es andere Länder tun, rutscht Österreich bei der Ärzt*innendichte ins europäische Mittelfeld ab, ist aber immer noch nicht Schlusslicht. Nur sind „die Köpfe“ nur ein (geringer) Teil des Problems: Es geht viel mehr um die ärztliche Arbeitszeit. Angesichts der Arbeitsverdichtung sind 70 oder noch mehr Arbeitsstunden pro Dienst, wie sie früher im Spital und in der Niederlassung üblich waren, ganz einfach nicht mehr durchzuhalten. Und eine neue Generation, die dem patriarchalen System entkommen will, akzeptiert auch nicht länger, kaum Zeit für die eigene Familie, für Partner*in und Kinder zu haben.

Zeitfresser Verwaltung

Dazu kommt, dass ein erklecklicher Teil der Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben aufgeht – und damit bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten abgeht. Das durch mehr Studierende zu lösen, ist eine sehr teure und wenig wirkungsvolle Variante. Bei einer langen Ausbildungsdauer (Studium und postpromotionelle Ausbildung von zehn bis 15 Jahren) kann sie auch keine sofortige Wirkung entfalten. Einfach gesagt: Das Problem gibt es 2022, die Lösung aber vielleicht erst 2037. Zudem kommen laut Bundesrechnungshof-Bericht fast vier von zehn Medizinabsolvent*innen nie im österreichischen Gesundheitssystem an. Entweder sie starten ihre ärztliche Ausbildung nach dem Studium gleich im Ausland oder gehen  überhaupt in einen anderen Beruf. Das sind keine guten Optionen. Weiters gibt es den Mangel in allererster Linie im öffentlichen Gesundheitswesen, in Spitälern genauso wie in der Kassenmedizin. Und er ist in einigen Fächern deutlich ausgeprägter als in anderen. Man denke nur an Kinder- und Jugendheilkunde, Gynäkologie oder auch Anästhesie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Erste Herausforderung also: die Rahmenbedingungen für die ärztliche Ausbildung nach dem Medizinstudium verbessern. Gezielte Maßnahmen setzen, um die Fächer, in denen der Mangel besonders augenfällig ist, überdurchschnittlich zu forcieren.

Zweite Herausforderung: Ressourcen freischaufeln. Für eine gute Ausbildung braucht es erfahrene Ärztinnen und Ärzte, die Zeit für die Ausbildung ihrer jungen Kolleginnen und Kollegen finden. Gleichzeitig dürfen die nicht im Hamsterrad der Abteilungsarbeit von der Ausbildung ferngehalten werden.

Bessere Arbeitsbedingungen

Ganz allgemein geht es darum, durch Schaffung besserer Arbeitsbedingungen dem Verlust von Ärztinnen und Ärzten in der Steiermark entgegenzuwirken. Ein Best-Practice-Beispiel dafür gibt es an der Medizinischen Universität Graz: Nachtdienste sind hier für Ärztinnen und Ärzte ab dem 60. Lebensjahr nur mehr freiwillig. Das wirkt dem vorzeitigen Brain-Drain entgegen. Diese Freiwilligkeit auch auf alle Landeskrankenhäuser auszudehnen, ist daher ein mehr als lohnendes Ziel. Sowohl für die Betroffenen, die so geringerem Druck ausgesetzt sind, als auch für die jungen Ärztinnen und Ärzte, die so länger vom Wissen und dem Know-how ihrer erfahrenen Kolleginnen und Kollegen profitieren können. Aber genauso für den Dienstgeber, der die kompetentesten Arbeitskräfte so nicht (zu) frühzeitig in den Ruhestand verliert.

Bei der ärztlichen Bezahlung, die ja nicht grundsätzlich schlecht ist, muss aber jedenfalls auf die durchgängige Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Bundesländern, dem Ausland und anderen (potenziellen) Arbeitgebern geachtet werden.

Der Ärzt*innenmangel hat übrigens eine Schwester – den Pflegemangel. Es ist im Interesse der Ärztinnen und Ärzte, dass ausreichend Pflegekräfte vorhanden sind, um den Stationsbetrieb zu gewährleisten.

Die Krankenhäuser und die dort arbeitenden Ärztinnen und Ärzte sind auch deshalb überbeansprucht, weil viele Patientinnen und Patienten  direkt ein Spital aufsuchen – statt Hausärztin bzw. Hausarzt zu kontaktieren.

Trotz Beschränkungen der Kassenmedizin durch Limite, Degressionen und sonstige Einschränkungen sind Haus- und Fachärzt*innen die besten Anlaufstellen für medizinische Erstkontakte.

Aber wenn Patientinnen und Patienten sich ungeordnet  durch das Gesundheitssystem bewegen, wird die nahe ärztliche Hilfe oft – leider zu oft – umgangen.

Die „Lenkung der Patientenströme“ findet nicht statt; vielleicht auch, weil sie ein zu heißes politisches Eisen ist, an dem sich keine Politikerin, kein Politiker die Finger verbrennen will. 

„Harmonisierung“ voranbringen

Dass im niedergelassenen Bereich alles paletti wäre, kann man natürlich auch nicht behaupten. Hier geht es bei den ÖGK-Honoraren (insbesondere bei den Fallwerten) darum, in der Steiermark zumindest den Österreich-Schnitt zu erreichen. Das gilt nicht für alle Fächer im gleichen Ausmaß. Aber wenn ein Fallwert (und das ohnehin schon nicht sehr hohe Gesamthonorar) wie z. B. bei den Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde um fast zwölf Prozent unter dem Österreichwert liegt, darf man sich über den Mangel an Ärztinnen und Ärzten, die einen Kassenvertrag anstreben, nicht wundern. Die mit der Kassenreform versprochene Leistungs- und Honorarharmonisierung ist immer noch ausständig. Die Annäherung erfolgt nur in sehr kleinen Schritten. Und die Steiermark ist in vielen Bereichen im Österreichvergleich weit hinten – oder überhaupt absolutes Schlusslicht.

Wahlärztinnen und Wahlärzte wichtig

Eine wichtige Ergänzung der Kassenvertragsärztinnen und -ärzte sind die Wahlärztinnen und Wahlärzte jedenfalls. Aktuell gibt es in der Steiermark 785 hauptberufliche Wahlärztinnen und Wahlärzte (zusätzlich zu 937 Ärztinnen und Ärzten mit ÖGK-Vertrag), die natürlich versorgungsrelevant sind. Sein müssen, allein schon, um hauptberuflich tätig sein zu dürfen.

Übrigens: An den Visiten-Bereitschaftsdiensten unter der Woche beteiligen sich laut den Zahlen aus dem Jahr 2021 Wahlärztinnen und Wahlärzte stärker als Kassenvertragsärztinnen und -ärzte.

Wahlärztinnen und Wahlärzte sowie (begrenzte) Rückersätze für die Patientinnen und Patienten, die sie gerne aufsuchen, gibt es in Österreich auch deshalb, weil es hierzulande – anders als in Deutschland – große Pflichtkrankenkassen, allen voran die ÖGK, gibt. Die Patientinnen und Patienten sollen nämlich trotzdem so etwas wie eine freie Arztwahl haben. Und die haben sie, weil es Wahlärztinnen und Wahlärzte gibt. Deren Abschaffung, wie sie manche Kassenvertreter*innen (und auch Politiker*innen) ins Spiel gebracht haben, wäre also möglich, wenn eine rechtliche Voraussetzung realisiert würde: eine Versicherungspflicht nach deutschem Vorbild anstelle des Systems der Pflichtversicherungen. Aber das dürften jene, die Patientinnen und Patienten die im ASVG festgelegten Wahlarztrückersätze künftig verweigern wollen (die Rückersätze bekommen ja die Patientinnen und Patienten), nicht bedacht und ganz sicher nicht gemeint haben.

Fazit: Eine fundierte Debatte darf jedenfalls nicht an der Oberfläche bleiben, sondern muss alle Faktoren miteinbeziehen.

Ehrliche Digitalisierung

Ein ehemaliges „Orchideen-Thema“, das zuletzt viel Dynamik bekommen hat, ist die Digitalisierung in der Medizin. Nicht zu Unrecht: Denn natürlich ist digital manches möglich, was ohne digitale Hilfsmittel nur unter großem Aufwand oder gar nicht funktionieren kann. Man denke nur an die kontinuierliche Kontrolle von Parametern, die Patientinnen und Patienten zwar messen können, aber zur richtigen Interpretation unbedingt Ärztin oder Arzt brauchen.

Aber digital ist nicht alles möglich. Und vor allem: Auch eine digitale Leistung, die eine Ärztin oder ein Arzt erbringt, erfordert Fachwissen und zeitlichen Aufwand. Dass digital alles gratis und sofort geht, ist ein Mythos fern jeder Faktizität. Damit „digital“ funktionieren kann, braucht es eine neue Leistungskultur, die ärztliches Wissen und Können auch dann respektiert, wenn es nicht face-to-face zur Anwendung kommt.

Es braucht auch Orientierungshilfen. Die Ärztekammer – und nicht nur sie – macht sich deshalb für eine Zertifizierung digitaler Anwendungen (vor allem auch Apps) stark, die Patientinnen und Patienten die Gewissheit gesicherter Qualität geben. Manche Entwickler und Hersteller – vor allem ärztliche – bemühen sich darum. Andere – vor allem nichtärztliche – begnügen sich mit unrealistischen Werbeversprechen ohne medizinischen Wert.

Noch zwei Punkte sind wichtig: Nicht alles in der Medizin ist digital möglich. Auch darauf darf im digitalen Überschwang nicht vergessen werden. Und vieles, das unter Laborbedingungen digital funktioniert, wackelt im realen Einsatz ganz beträchtlich, weil die erforderlichen Bandbreiten fehlen, weil Sicherheitsstandards nicht berücksichtigt werden, oder weil einfach die Hard- und Software nicht die nötige standardisierte Qualität aufweist.

Auch die Nutzerinnen und Nutzer, sprich: die Menschen, tun sich bisweilen schwer. Die telefonische Krankschreibung abzuschaffen und nur mehr eine Video-Krankschreibung zuzulassen, wie sie manche wünschen, ignoriert genau diese Einschränkungen – der Technik und der Menschen.

Mehr Realitätssinn und weniger Überschwang tun der Medizin gut. Noch wichtiger sind sie aber für die Gesundheitspolitik und die Verwaltung.

Partnerschaftliches Denken

Dies erfolgreich zu deponieren und die sogenannten „Systempartner“ von der Notwendigkeit partnerschaftlichen Denkens und Handelns, von Langfristigkeit und ehrlichem Ideen- und Erfahrungsaustausch zu überzeugen, ist wahrscheinlich die größte Aufgabe, die es zu lösen gilt. 

 

Die „Neuen“ in den Ländern

In sieben von neun Bundesländern gibt es nach den letzten Ärztekammerwahlen neue Präsidenten.

Dass mit Michael Sacherer die Steiermark einen neuen Ärztekammerpräsidenten (und mit Peter Schmidt sowie den Kurienobleuten Dietmar Bayer und Gerhard Posch auch neue Vizepräsidenten) bekommen hat, wissen wir. Aber auch in sechs weiteren Bundesländern gab es Veränderungen an der Spitze.

Burgenland: Neuer Präsident ist Christian Toth. Der 42-Jährige ist Internist am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt.

Kärnten: Zum neuen Präsidenten wählte die konstituierende Vollversammlung den in Brückl (Bezirk St. Veit an der Glan) niedergelassenen Kassen-Allgemeinmediziner Markus Opriessnig.

Niederösterreich: Neuer Präsident ist der Mödlinger Kassen-Facharzt für HNO, Harald Schlögel (61). Schlögel war bereits von 1997 bis 2003 Vizepräsident der Ärztekammer Niederösterreich.

Tirol: Neuer Präsident ist der Innsbrucker Chirurg Stefan Kastner (51).

Vorarlberg: Im westlichsten Bundesland Österreichs wählte die konstituierende Vollversammlung den 56-jährigen Internisten und Kassenvertragsarzt Burkhard Walla zum neuen Präsidenten der Ärztekammer Vorarlberg.

Wien: In Wien ist Johannes Steinhart (67), niedergelassener Kassenfacharzt für Urologie und bis 2015 auch Ärztlicher Leiter des Göttlichen Heiland Krankenhauses, Präsident der Ärztekammer.

In zwei Bundesländern gibt es keine Veränderungen an der unmittelbaren Spitze der jeweiligen Landesärztekammer.

In Oberösterreich bleibt der Oberarzt für Klinische Pathologie und Molekularpathologie, Peter Niedermoser, Präsident.

In Salzburg wurde der Angiologe Karl Forstner (65) als Präsident wiedergewählt.

 

Die Wahl der ÖÄK-Spitzen findet übrigens in der Steiermark statt, und zwar beim Österreichischen Kammertag am 23. und 24. Juni in Bad Radkersburg.

 

Fotos: Schiffer, ÄK Wien Seelig




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