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ÆRZTE

Steiermark

 || 09|2017

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Eiko Meister

Patienten

brauchen Lenkung

Ich hol mir, was mir zusteht. Mit diesem Slogan

versucht die Partei, die jetzt den Bundeskanzler stellt,

die nächste Wahl zu gewinnen. Im Gesundheits-

wesen ist der Gedanke schon lange bei den Konsu-

menten (Patienten) angekommen. Die One-Stop-

Shopping-Mentalität ist vor allem in den Notfall­

ambulanzen der Spitäler nahezu allgegenwärtig …

Je jünger die Patienten sind, desto häufiger werden

die Ambulanzen mit allumfassenden Abklärungs-

wünschen zu jeder Tageszeit konfrontiert. Motto:

Wenn ich amWochenende mein Frühstück bei der

Tankstelle einkaufen kann, warum kann ich dann

nicht meine Angina sofort behandeln lassen?

Bis zu einem gewissen Grad ist die Gesellschaft

selbst schuld an diesen Entwicklungen. Nur: Sie sind

nicht mehr solidarisch. Aber das Gesundheitswesen

ist (noch) solidarisch gestaltet. Vom Konsum bis zur

Finanzierung. Da braucht es keine Effizienzstudien

aus London, um zu wissen, dass sich das in näherer

Zukunft nicht mehr ausgehen wird. Daher muss

das Lippenbekenntnis, die Niederlassung zu stärken,

endlich Realität werden. Und es muss zwingend

Lenkungsmechanismen beinhalten, weil der ungezü-

gelte Zugang zum System der Kern des Übels ist.

Patienten, die keine Notfälle sind, sollen primär in

der Niederlassung versorgt werden. Dafür braucht

es Verfügbarkeiten und Finanzierung. Außerhalb

der Regeldienstzeit wird die Lenkung von speziell

geschulten Einrichtungen übernommen. TEWEB ist

diesbezüglich richtungsweisend. Und der Telefon­

arzt bereits im RSG vorgesehen. Ergebnis: Kurze

Wege, effektivere Abläufe, geringere Kosten.

Das gilt auch für den intramuralen Bereich: Patien­

ten ungezielt von einer Ambulanz in die nächste zu

schicken, ist genauso abzulehnen wie der unstruktu-

rierte Zugang mit Schnupfen zur Notaufnahme. Die

Lösung hätten wir selbst in der Hand.

Hören wir endlich damit auf, uns im Spital die Ar-

beit gegenseitig zuzuschieben. Damit wir endlich

mehr Zeit für die haben, die uns wirklich brauchen!

Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann

der Kurie Angestellte Ärzte.

INTRA

KONT A

Oft fällt es einem kaum auf. Vielleicht ist die Hinter-

grundfarbe anders, vielleicht steht oben klein „Bezahl-

te Anzeige“ oder am Ende des Artikels findet sich eine

Anmerkung „Entgeltliche Einschaltung“.

Native Advertising, also bezahlte Inhalte, die in ihrer

Form den redaktionellen Inhalten zum Verwechseln

ähnlich sind, haben sich in österreichischen Ärztezeit-

schriften fest etabliert. Egal ob Ärztekammerzeitschrif-

ten oder Magazine kommerzieller Verlage, überall fin-

den sich als Fortbildungsinhalte „getarnte“ Werbungen.

Das Problem daran: Als Entscheidungshilfe für die

klinische Praxis sind solche Inhalte nicht geeignet. Je

nach Einstellung könnte man vielleicht sogar davon

ausgehen, dass das Gegenteil von dem, was suggeriert

wird, wahr ist.

Zudem wird Native Advertising oft in unmittelbarer

Nachbarschaft zu thematisch ähnlichen redaktionellen

Inhalten platziert. Das Vertrauen in die Ausgewogen-

heit der redaktionellen Artikel wird damit womöglich

ebenfalls untergraben.

Medizinische Entscheidungen sind komplex. Nutzen

und Risiko von Therapien und Untersuchungen müssen

bei jedem einzelnen Patienten individuell abgewogen

werden. Über- und Fehlversorgung werden zukünftig

noch stärker thematisiert werden, wie man an der zu-

nehmenden Präsenz von Kampagnen wie „Choosing

Wisely“ verfolgen kann. Diese Diskussionen sollten wir

wissenschaftlich, datenbasiert und ergebnisoffen führen.

Als Ärzteschaft sollten wir dabei versuchen, unsere

Diskussions- und Fortbildungsmedien möglichst un-

abhängig von industriellen Einflüssen zu halten und

auch mit eigenen Interessenskonflikten offen umgehen.

Dies macht unweigerlich eine Diskussion rund um die

Finanzierung der Medien notwendig.

Wir müssen uns fragen, was uns als freier Beruf Unab-

hängigkeit wert ist.

Dr. Sebastian Huter ist Arzt in Ausbildung für All-

gemeinmedizin in Salzburg und absolviert eine Aus-

bildung zum Master of Public Health an der Medizi-

nischen Universität Graz.

sebastianhuter@hotmail.com

Sebastian Huter

Müssen Werbeartikel in

Ärztezeitungen sein?