Ærzte
Steiermark
|| 07/08|2013
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interview
selbstständig, schnell, sicher, steirisch
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Die Wahlzahnärzte waren im
Vergleich zu den Kassenzahn-
ärzten mehr davon betroffen,
weil unter anderem die Kon-
kurrenz größer geworden ist.
Die Kassenambulatorien bieten
jetzt auch Privatleistungen an,
die Zahnärztekammer will
gleichzeitig eine Ausweitung
der kassenzahnärztlichen
Leistungen. Das ist ja eine fast
paradoxe Entwicklung?
Fürtinger:
Die Situation der
Zahnärzte ist schwierig. Man
muss sich darüber im Kla-
ren sein, dass in Österreich
Kassenleistungen durch Pri-
vatleistungen subventioniert
werden. Kassenleistungen sind
unterbezahlt. Das ist auch der
Grund, warum die Privatlei-
stungen bei Zahnärzten in Ös-
terreich eher höherpreisig sind.
Daher gibt es auch den Druck
des Auslandes, womittlerweile
aber eine Preisannäherung
erfolgt. Jetzt wollen die hoch-
defizitären Kassenambulato-
rien auch noch ein Stück vom
Kuchen der Privatleistungen
haben. Das ist aber eher ein
ideologisches Problem, da nur
ca. 5% der Patienten bisher
von den Kassenzahnambula-
torien betreut wurden. Was
uns Zahnärzte dabei stört
ist, dass es viel sinnvoller
wäre den Kassenvertrag, der
in seinen Grundzügen aus
dem Jahre 1957 stammt, den
heutigen zahnmedizinischen
Möglichkeiten anzupassen.
Denn davon würden alle Pati-
enten profitieren und nicht nur
einige Wenige, die nun sub-
ventionierte Privatleistungen
in den Ambulatorien beziehen
können. Um das Problem
aufzuzeigen läuft derzeit eine
Plakataktion in denWartezim-
mern der zahnärztlichen Ordi-
nationen, die die Patienten auf
diese Missstände hinweisen
und sensibilisieren soll. In
den letzten Jahren konnte
man durch Erweiterung des
Privatleistungsangebotes die
wirtschaftliche Situation stabil
halten. Aber es ist eindeutig so,
dass sich die Kassenleistungen
stark reduziert haben. Mittler-
weile ist eine Weiterentwick-
lung bei den Privatleistungen
aber nicht mehr so leicht
möglich. Daher kämpfen wir
an verschiedenen Fronten.
Welche Anpassungen im Lei-
stungskatalog wollen Sie denn?
Fürtinger:
Ein großes Thema
seit zehn bis 15 Jahren ist die
Kieferorthopädie. Festsitzen-
de Regulierungen spielen
eine immer größere Rolle.
Die müssen von den Versi-
cherten vorfinanziert werden
und sie bekommen nur ei-
nen Bruchteil von der Kasse
zurück. Hier sind die Sozial-
versicherungen aufgefordert,
gemeinsam mit den Zahn-
ärzten an Lösungen für die
Finanzierbarkeit für die Pati-
enten zu arbeiten. Und es gibt
neue Entwicklungen, wie die
Implantate, die bereits eine
Routinebehandlung darstel-
len. Und wir betreiben immer
noch eine reine Reparaturme-
dizin. Vorsorge muss endlich
finanziert werden.
Diese Argumente unterschei-
den sich grundsätzlich kaum
von denen der Allgemeinme-
diziner und der meisten Fach-
ärzte. Es gibt also grundlegende,
gemeinsame Ziele. Gemein-
sames Agieren ist aber nicht
erkennbar. Warum?
Fürtinger:
Wir haben das
gleiche Problem: kein Lob-
bying. Wir haben – Ärzte
wie Zahnärzte – keine poli-
tische Unterstützung. Ein ge-
meinsames Auftreten ist aber
schwierig, weil die Interessen
doch zu unterschiedlich sind.
Allein ist es aber auch sehr
schwierig. Die Zahnärzte ha-
ben zwar bei den eigenen
Patienten wunderbare Zufrie-
denheitswerte, das generelle
Image des Standes wird aber
als sehr schlecht eingestuft.
Das liegt aber daran, weil der
Zahnarztbesuch immer als
unangenehm erlebt wird …
… aus Wellness-Gründen geht
man nicht zum Zahnarzt …
Fürtinger:
Richtig. Und das
betrifft den Politiker, wie den
Journalisten. Damit kämpfen
wir, genauso wie die Ärzte.
In der Gesundheitsreformde-
batte waren die Zahnärzte eher
zurückhaltend. Was sind die
Gründe dafür?
Fürtinger:
Wir sind nicht
direkt davon betroffen. Die
Zahnärzte haben einen bun-
deseinheitlichen Kassentarif.
Die Zahnärzte stellen
keinen relevanten
Faktor für das Sozial
versicherungssystem
dar.
Wenn die Kassenausgaben ge-
deckelt sind, werden Sie nicht
unberührt bleiben?
Fürtinger:
Die Zahnärzte
sind in diesem Gesetz nicht
enthalten. Wir haben ein un-
limitiertes Einzelleistungs-
system. Wir sind von dieser
Zielsteuerung nicht betroffen.
Allerdings sind die Sozialver-
sicherungsausgaben im zahn-
ärztlichen Bereich seit zehn
Jahren unverändert, also unter
Berücksichtigung der Inflation
rückläufig. Die Zahnärzte stel-
len damit keinen relevanten
Kostenfaktor für das Sozialver-
sicherungssystem dar, weil die
Patienten die Leistungen mehr
und mehr privat finanzieren.
Jetzt wollen Sie aber mehr?
Fürtinger:
Eigentlich wollen
wir mehr für die Patienten.
Das ist aber eine politische
Frage. Was ist man bereit, da-
für auszugeben?
Der Berührungspunkt mit der
Ärztekammer ist der gemein-
same Wohlfahrtsfonds. Wie
sehen Sie diese Kooperation?
Fürtinger:
Es ist uns sehr
wichtig, hier aktiv mitzuwir-
ken und uns einzubringen. Ein
autonomes Pensionssystem
ist von großer Bedeutung und
wird noch wichtiger werden.
Zumal die Zahnärzte auch
weiterhin zum Großteil als
selbstständige niedergelassene
Zahnärzte arbeiten werden.
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