AERZTE Steiermark | Februar 2023

32 Ærzte Steiermark || 02|2023 Foto: KK Nachruf „Die Gesellschaft reagiert auf Menschen in psychischen Ausnahmezuständen, auf sogenannte verrückte, emotional gestörte, neurotische und psychotische Personen oft ablehnend. Angehörige, Freunde und Bekannte fürchten sich vor den oft unheimlichen und unverständlichen Symptomen und wollen die Patienten los werden. Im Mittelalter wurden sie in Narrenkästen an die Stadttore und Stadtmauern gehängt, später in Tollhäuser und Asyle eingesperrt. Ein tragischer Tiefpunkt der Einstellung der Gesellschaft zu den psychisch kranken Mitmenschen war sicher ihre Ermordung in der Nazizeit. Damit nie wieder ähnlich schlimme und unmenschliche Verbrechen passieren, müssen wir uns anstrengen, wieder in das Gespräch mit diesen Randgruppen einzutreten. Ein Verständnis für ihre künstlerischen Leistungen ist dabei sehr motivierend. Mit der Ausstellung in der Ärztekammer für Steiermark wird lokal ein weiterer Schritt zur Sichtbarkeit, zur Öf fentlichkeit für diese Menschengruppe gesetzt, der hilft, das Stigma zu verringern, denn der beste Schutz vor Übergriffen gegen Psychiatriepatienten ist eine interessierte und verständnisvolle Öffentlichkeit.“ Das schrieb Rainer Danzinger, zu dieser Zeit Ärztlicher Direktor der Landesnervenklinik Sigmund Freud – heute LKH 2, Standort Süd – vor fast 20 Jahren im Katalog der Ausstellung KUNST IST KUNST IST KUNST – Bilder aus seelischen Krisen. Initiiert hatte die Ausstellung mit Bildern, die im Rahmen der Maltherapie der Landesnervenklinik Sigmund Freud und in der Malwerkstätte „Randkunst“ der Lebenshilfe Graz und Umgebung – Voitsberg entstanden waren, der damalige Ärztekammerpräsident Dietmar Bayer. „Als Landeshauptmann der Steiermark danke ich der Ärztekammer Steiermark und den beiden Mentoren und Motoren der Ausstel lung, Präsident Dr. Dietmar Bayer und Univ.-Prof. Dr. Rainer Danzinger. Mit ihrem kompetenten Engagement wirken sie nicht nur als Heilende und Helfende: Sie setzen auch wichtige Markierungen im gesel lschaftlichen Bewusstsein …“, meinte Waltraud Klasnic, zu dieser Zeit Landeshauptfrau der Steiermark, im Geleitwort. Diesem Bezug von Psychiatrie und gesellschaftlichem Bewusstsein war Prim. Rainer Danzinger Zeit seines Lebens verpflichtet. 1943 in Salzburg als zweites von drei Kindern geboren, kam Danzinger 1962 nach Graz, um Medizin zu studieren und arbeitete währenddessen bereits drei Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft am anatomischen und histologischen Institut. 1972 bis 1977 war Danzinger zunächst Assistenzarzt und dann Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie in Graz, absolvierte die psychoanalytische und gruppenpsychoanalytische Ausbildung, ein Studium der Psychologie und Soziologie und arbeitete mehrere Jahre in der Männerstrafanstalt Karlau. 1978 vervollständigte ein Studienaufenthalt an der Med. Hochschule in Hannover und am Maudsley-Hospital/London seine Ausbildung. Zwischen 1979 und 1982 wirkte Danzinger maßgeblich am Auf bau des Beratungszentrums für psychische und soziale Fragen in Graz mit – im Rückblick ist diese Einrichtung wohl als der maßgebliche Grundstein der extramuralen psychiatrischen Versorgung in der Steiermark zu betrachten. 1982 wechselte Danzinger wiederum in den intramuralen Bereich und fungierte als Primar einer Abteilung an der damals progressivsten Psychiatrie Österreichs, dem Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Gugging, nahe Klosterneuburg. In die 80er Jahre fällt auch der gemeinsam mit Alois Marksteiner herausgegebene Band Danzingers „Gugging – Versuch einer Psychiatriereform. 100 Rainer Danzinger: 1943–2023 Ein großer Psychiater und Psychoanalytiker Österreichs ist Anfang Jänner seinen Weg unerwartet zu Ende gegangen. 1 BILDER AUS SEELISCHEN KRISEN KUNST IST KUNST IST KUNST ÄRZTEKAMMER STEIERMARK LANDESNERVENKLINIK SIGMUND FREUD LSF-Katalog.indd 08.10.2003, 14:59 1

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