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ÆRZTE

Steiermark

 || 05|2017

DEBATTE

KONT A

Die Steiermark war schon immer – im positiven Sinn ge­

meint – anders: reformfreudig, diskussionsbereit und in

letzter Konsequenz umsetzungswillig – zumWohle der

Menschen, die in diesem Bundesland leben.

Das Gesundheitssystem, in dem wir verankert sind, hat

sich im 20. Jahrhundert entwickelt und auch verfestigt

– und in diesen Strukturen ist es schließlich „stecken­

geblieben“. Das heißt nicht, dass es in den letzten 100

Jahren keine Reformen oder Weiterentwicklungen gege­

ben hat. Ganz im Gegenteil. Es gab genügend Reformen

und Anpassungen an diverse Anforderungen der Zeiten.

Das Problem ist allerdings, dass die Reformen beinahe

immer durch Addition stattgefunden haben. Reform

durch Addition. Immer ein wenig Mehr – notwendige

Dinge, ohne Zweifel – aber eben auch oft ein Mehr vom

Selben und das – überspitzt formuliert – überall.

Die Koalition.Zukunft.Steiermark als Fortführung

der Reformpartnerschaft zwischen ÖVP und SPÖ hat

sich daher in ihrem Regierungsübereinkommen darauf

geeinigt, eine „Neuordnung der Spitalslandschaft in

enger Abstimmung mit dem niedergelassenen Bereich“

in Angriff zu nehmen.

Im abgelaufenen Jahr 2016 gab es zahlreiche Gespräche,

Sitzungen und Arbeitsgruppen mit Expertinnen und Ex­

perten, Medizinerinnen und Medizinern, Gesundheits­

planern und politischen Verantwortungsträgerinnen

und -trägern, die schließlich in einen ersten Vorschlag,

den „Steirischen Gesundheitsplan 2035“, gemündet sind.

In diesem prozesshaft angelegten Verfahren wurden alle

Beteiligten des Gesundheitssystems eingebunden.

Der „Steirische Gesundheitsplan 2035“ wurde daher

beginnend mit dem ersten Dialogtag im Juni 2016 in

sieben steirischen Regionalkonferenzen einer breiten Öf­

fentlichkeit vorgestellt und zur Diskussion gebracht.

Vordergründig erscheint es einfach, über etwas zu

sprechen und etwas zu planen, was erst in zwanzig

Jahren schlagend werden wird. 2035 ist weit entfernt.

Nichtsdestotrotz gilt es jetzt, den Weg bis ins Jahr

2035 zu definieren: In welchem Jahr müssen welche

Strukturanpassungen vorgenommen werden? Welche

Abzweigung muss an einer Weggabelung genommen

werden, um das Ziel 2035 ohne Umwege zu erreichen?

Über den ersten konkreten Umsetzungsschritt, den Re­

gionalen Strukturplan Gesundheit 2025, finden derzeit

die finalen Gespräche statt, soll er doch noch vor dem

Sommer der Öffentlichkeit präsentiert werden. Obwohl

dieser erstmals Verordnungscharakter haben und vom

klassischen niedergelassenen Bereich über die Gesund­

heits- und Fachärztezentren bis hin zum Leitspital die

gesamte Landschaft abbilden soll, bin ich mir bewusst,

dass ein Projekt dieser Größenordnung nicht „ex ca­

thedra“ verkündet werden kann.

Es ist mir daher ein großes Anliegen, im Besonderen

den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Ärzte­

kammer zu suchen, damit die Umsetzung des Gesund­

heitsplanes 2035 erfolgreich auf Schiene gebracht wer­

den kann.

Eine qualitätsvolle und flächendeckende Gesund­

heitsversorgung ist für einen politischen Verantwor­

tungsträger stets eine Gratwanderung zwischen Zu­

mutbarkeit und Finanzierungsmöglichkeit: Wie viele

Krankenhäuser und wie viele Medizinerinnen und Me­

diziner braucht ein Land wie die Steiermark? Welche

Wegstrecken zu einem Spital sind für die Patientinnen

und Patienten des 21. Jahrhundert zumutbar? Wie

kann eine flächendeckende, qualitätsvolle Gesundheits­

versorgung funktionieren und gesichert werden?

Wir müssen für die Zukunft adaptieren. Möglicherwei­

se sogar für die nächsten 100 Jahre. Die Schwierigkeit

besteht darin zu erklären, dass ein Gesundheitssystem

zu reformieren ist, mit dem 90 bis 95 Prozent der Be­

völkerung überaus zufrieden sind und jeder vermeint­

liche Verlust einer Versorgungsstruktur den vermeint­

lichen Verlust von Sicherheit und somit essentielle

Existenzängste bedeutet.

Die Steiermark könnte wieder einmal zeigen, dass sie

beherzte und mutige Schritte zu setzen bereit ist, dass

sie österreichweit beispielhaft vorangeht und damit

einzementierte Strukturen aufbrechen kann, die eines

modernen und digitalen 21. Jahrhunderts ohnehin

nicht mehr würdig sind.

Mag. Christopher Drexler ist als Mitglied der steirischen

Landesregierung für Gesundheit und Pflege zuständig.

Christopher Drexler

Gesundheitsplan 2035: Gratwanderung zwischen

Zumutbarkeit und Finanzierungsmöglichkeit