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ÆRZTE

Steiermark

 || 05|2017

SERIE

Arzt im besonderen Dienst

nach Sport- und Arbeitsun-

fällen. Herzinfarkt, Schlagan-

fall und Darmverschluss erei-

len die Menschen aber auch

im Urlaub auf der Kreuzfahrt

und bedürfen dann sofor-

tiger notfallmedizinischer Be-

handlung. Seekrankheit steht

übrigens erst an 15. Stelle der

„Kreuzfahrer“-Krankheiten,

doch wer glaubt, auf derart

großen Schiffen (300 Me-

ter mal 40 Meter misst Pe-

tutschniggs Lieblingsschiff,

das auch seine Handyhülle

ziert) sei kein Seegang mehr

zu spüren, der irrt. Auf einer

stürmischeren Reiseetappe

von Teneriffa nach Madei-

ra hatte Petutschnigg auch

schon einmal 250 Personen

intravenös wegen Seekrank-

heit zu versorgen.

Erster Einsatz war Zufall

Sein erster – eigentlich eher

zufälliger – Einsatz am Schiff

bestand aus der Behandlung

einer Patientin in der Anfahrt

auf Civitavecchia. „Ich war

mit meiner Frau als Urlauber

auf einer Kreuzfahrt“, erzählt

er. „Auf dem Schiff wur-

den zu Beginn der Tour alle

mitreisenden Ärztinnen und

U. JUNGMEIER-SCHOLZ

Schon als Kleinkind emp-

fand Berthold Petutschnigg

den Krankenhausgeruch als

wohltuenden Duft – wenn

er seinen Vater, einen Chi-

rurgen, begleitete. Vor der

Arbeit spielte der Vater oft

noch bei der Frühmesse in

der Krankenhauskirche die

Orgel, während sein Sohn,

das jüngste von vier Kindern,

an den geistlichen Schwes­

tern seine ersten Eingips-

Versuche durchführen durfte.

Mit seiner olfaktorischen

Präferenz zählt Petutschnigg

vermutlich zu einer Mino-

rität der Bevölkerung, doch

seine berufliche Heimat wur-

de wirklich das Spital.

Trotz des frühen Interes-

ses am Arztberuf zögerte er

nach der Matura kurz, ob er

vielleicht Französisch und

Geschichte für das Lehramt

studieren sollte oder doch

Theologie … bis er für sich

selbst die ultimative Zauber-

formel gefunden hat: „Als

Arzt kann ich gleichzeitig

auch Theologe und Lehrer

sein.“ Also studierte der 1954

in Fohnsdorf Geborene in

Graz Medizin, wobei er sich

seit Ende der Gymnasialzeit

bereits beim Roten Kreuz en-

gagiert hatte und gleich mit

Studienbeginn Mitglied des

Medizinercorps wurde. Da-

mit war sein Weg zur Not-

fallmedizin vorgezeichnet.

Erkältung statt

Seekrankheit

Petutschnigg ließ sich nach

Ärzte zu einem Kennenlern-

Treffen eingeladen und so

war bekannt, dass auch ein

Notfallmediziner an Bord ist.

Zwei Tage später wurde ich

mitten in der Nacht zur Be-

handlung einer Mitreisenden

wegen eines Lungenödems

gebeten.“ Aus dem einma-

ligen Einsatz wurde schließ-

lich eine regelmäßige Tätig-

keit. Damit hat sich für Pe-

tutschnigg ein lange gehegter

Traum erfüllt: „Ich wollte im-

mer schon Notarzt zur Luft,

zur Erde und zu Wasser sein.“

Von 1991 bis 2013 flog er als

Notarzt mit dem Hubschrau-

ber; ab 2009 heuerte er nach

dem Erlebnis vor Rom als

Schiffsarzt bei Aida an und

wechselte schließlich zu TUI

Cruises. Zweimal jährlich

fährt er nun – als Teil seines

Urlaubs – zur See. Möglich

sei das, betont Petutschnigg,

nur durch die Unterstützung

seiner Vorgesetzten, vor allem

Karlheinz Tscheliessnigg und

Peter Schemmer, sowie der

Kollegenschaft, die großes

Verständnis für seine Passion

und die daraus resultierenden

Terminplanungen zeigen. Pri-

vat verbindet er Urlaub und

Arbeit: Bei jedem seiner Ein-

sätze kommt seine Frau für

eine Tour mit an Bord. Die

beiden erwachsenen Kinder,

die wie die Eltern Physiothe-

rapeutin und Arzt geworden

sind, urlauben selbständig.

Seine Zusatzausbildungen

zum Schiffsarzt absolvierte

Petutschnigg in Rostock, wo-

bei zur Abschlussprüfung

nicht nur medizinische Kom-

dem Studium zum Allge-

meinchirurgen ausbilden –

inklusive des chirurgischen

Intensivfachs – und arbeitet

heute an der Abteilung für

Transplantationschirurgie am

Grazer Klinikum. Daneben

ist er Assistenzprofessor an

der Meduni – also doch auch

Lehrer geworden –, Leiter der

Arbeitsgruppe Notfall- & Ka-

tastrophenmedizin sowie der

Teaching Unit „Katastrophen-

& Spezielle Notfallmedizin“,

Leitender Notarzt sowie Vi-

zepräsident und Chefarzt des

steirischen Landesverbands

des Roten Kreuzes. Auf den

ersten Blick wirkt da sei-

ne zusätzliche Tätigkeit als

Schiffsarzt bei TUI Cruises,

wo er mittlerweile als „Chief

Senior Doctor“ medizinische

Entscheidungen für die ge-

samte Flotte mitgestaltet, auf

den Laien wie ein Kontrast-

programm – sofern man seine

Vorstellungen von Schiffsarzt-

Tätigkeiten aus TV-Serien wie

„Traumschiff“ bezieht. Doch

Petutschnigg betont: „Der

Kontrast ist gar nicht so groß.“

Zwar sind die häufigsten Pro-

bleme an Bord Erkältungen

und alltägliche Verletzungen

Arzt zur Luft,

zur Erde und zu Wasser wollte Berthold Petutsch-

nigg schon immer sein. Seit 2009 leistet er – als Teil seines Urlaubs

– zweimal jährlich als Schiffsarzt seinen Dienst und ist dabei ganz in

seinem Element.

„Mein eigenes Traumschiff“

„Ich wollte immer schon Notarzt zur Luft, zur

Erde und zu Wasser sein.“

Berthold Petutschnigg

Fotos: beigestellt