AERZTE Steiermark | Juni 2022

Ärztin im besonderen dienst Ursula Scholz Musicaldarstellerin. So lautete der erste Berufswunsch der Oststeirerin Katharina Dunst. Schon im Alter von 15 Jahren bereitete sie sich mit Gesangs- und Tanzstunden auf diese Profession vor. Ihre Eltern bestanden allerdings darauf, dass sie zuvor maturieren sollte. In den letzten Schuljahren kristal l isierte sich dann eine zweite berufliche Neigung heraus: die Biologie – und mit ihr die Medizin im ursprünglichen Sinne der Heilkunst. „Nach der Matura war ich realistisch genug, um einzusehen, dass ein Bühnenberuf nicht nur brotlos ist, sondern auch bedeutet, keinen fixen Wohnsitz zu haben. Diese Aspekte sprachen dann doch gegen den Berufsweg als Musicaldarstellerin“, erzählt Katharina Dunst. Zugunsten der Medizin fuhr sie also ihre tänzerischen Aktivitäten gegen Null und konzentrierte sich auf das Studium. Gegen Mitte der Studienzeit jedoch begann sie, mit der Medizin zu hadern. Das hierarchische System und die starre Abgrenzung der Schulmedizin zu naturheilkundlichen Verfahren ließen sie an der eingeschlagenen Richtung zweifeln. Sie selbst wollte als Ärztin alles, was heilt, anwenden können und litt unter respektlosen Bemerkungen gegenüber ergänzenden Heilverfahren. Ihre innere Zerrissenheit heilte sie mit ihrer Rückkehr zum Tanz. Sie erweiterte ihr Repertoire in Richtung Ballett und absolvierte entsprechende Prüfungen. „Eine Zeit lang habe ich mehr getanzt als studiert. Aber da ich das, was ich begonnen habe, auch durchziehe, habe ich auch mein Medizinstudium durchgezogen und in fünfeinhalb Jahren beendet.“ „Vorau hat mich aufgefangen“ Um sich nach dem Studienabschluss den großen Traum eines Tanztrainings am Broadway Dance Center in New York City leisten zu können, jobbte Katharina Dunst in der Studienendphase als Putzfrau und als Befundschreiberin für einen Orthopäden. Wieder zurück in Österreich verdiente sie ihr Geld als Tanzlehrerin, im Rahmen eines Engagements bei Giuseppe Verdis „Il trovatore“ an der Grazer Oper – sowie als Mitarbeiterin eines Nat urkos t-Fachge schä f t s . „Den Körper richtig bewohnen“ Die Allgemeinmedizinerin Katharina Dunst findet im Tanz Freude und Heilung. Erst nach einigem Zögern und einer ganz der Kunst gewidmeten Lebensphase hat sie ihre ärztliche Berufung angenommen. Unter dem Pseudonym Kaya Lasika tanzt und choreografiert sie daneben weiter. Zweifel an dieser Lebensform wuchsen, als sie einem ehemaligen Lehrer in der Rolle der Verkäuferin begegnete. „Was tust du da? Hast du nicht Medizin studiert …?“, fragte er. Ein weiterer Impulsgeber für die Rückkehr zur Medizin war Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der CharitéUniversitätsmedizin Berlin. Als sie sein Buch Heilen mit der Kraft der Natur las, wurde ihr bewusst, dass jene Art von Medizin, die ihr vorschwebt, auch praktiziert wird. Den letzten Denkanstoß lieferte dann ihre Mutter mit dem Vorschlag, im Vorauer Marienkrankenhaus um einen Turnusplatz anzufragen. Vielleicht fühle sie sich ja in einem kleinen Landkrankenhaus wohler … „Mich dort zu bewerben war die beste Entscheidung meines Lebens!“, resümiert Dunst. „Ein t raumhaf tes Team“, streut sie ihren ehemaligen Arbeitskol leg*innen Rosen. Der Geist des Hauses und der herzliche Zugang zu den Patient*innen, gaben ihr die Freude an der Medizin zurück. „Vorau hat mich aufgefangen.“ Auf zwei Beinen Bewusst absolvierte Katharina Dunst möglichst viele Teile des Turnus in Ordenskrankenhäusern, deren speziellen Zugang zu den Patient*innen sie schätzt; den Rest im nahe gelegenen LKH Oberwart. Anschließend ging sie in die Lehrpraxis beim Pinggauer Hausarzt Winfried Koller – und blieb. Zunächst auf Honorarbasis und ab Jahresbeginn 2022 als seine Angestellte für zweieinhalb Tage pro Woche. Die zweite Hälfte der Woche widmet sie ihrer im Juni eröffneten naturheilkundlichen Wahlarztpraxis in Vorau, in der sie sich jene Zeit für die Patient*innen nehmen kann, die im Kassenarzt-Alltag fehlt. Somit steht die Tänzerin auch als Ärztin auf zwei Beinen: „Ich mag den niederschwelligen Zugang zur Kassenordination – aber auch die Freiheiten der wahlärztlichen Tätigkeit. Die Kombination passt gut.“ Zum Erwerb der nötigen Kompetenzen in komplementärer Medizin absolviert(e) sie 12 Ærzte Steiermark || 06|2022 Ärztin Katharina Dunst: „Tanzen ist eine Bewältigungsstrategie, eine Möglichkeit, Zugang zu Gefühlen zu schaffen.“

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